„Wir brauchen künftig ein paar dickere Pullover“
Andreas Thiel-Böhm, Chef des Energieversorgers TWS, über das drohende Gas-Embargo
- Der Streit zwischen Russland und dem Westen um Gaslieferungen spitzt sich zu. Ganz am Ende der Lieferkette sitzen regionale Versorger, mit denen Verbraucher und Industriekunden ihre Lieferverträge geschlossen haben. Wie können sich diese Unternehmen auf den Ernstfall vorbereiten? Darüber hat Benjamin Wagener mit Andreas Thiel-Böhm gesprochen, dem Chef der Technischen Werke Schussental (TWS), die in Oberschwaben, am Bodensee und im Allgäu an etwa 18 000 private und gewerbliche Kunden von Großhändlern gekauftes Gas liefern.
Problem ist der nächste Winter – und der kommt schnell.
40 Prozent der deutschen Erdgaslieferungen kommen aus Russland. Können wir die ersetzen?
Nein, das kann man nicht vollständig ersetzen. Auch die freien Kapazitäten von Katar sind überschaubar, und da haben wir noch keine Schiffe, die das Gas zu uns bringen. Wir müssen überall schauen, wie wir die Abhängigkeit verringern – da macht Kleinvieh auch Mist. Wir müssen alle Varianten durchspielen, und das muss auf europäischer Ebene geschehen.
Was kann Europa tun?
Man muss sich immer das gesamte System anschauen. Die Niederlande haben zum Beispiel die Erdgasförderung verringert, weil es in Fördergebieten durch geologische Verschiebungen Schäden an Wohnhäusern gegeben hat – möglicherweise müssen wir die Förderung da wieder aufnehmen und die Menschen entschädigen. Auch in Spanien gibt es freie Kapazitäten, aber es fehlen Leitungen über die Pyrenäen nach Frankreich, die bauen wir natürlich auch nicht in ein paar Monaten. Ohne einen Nachfragerückgang kann das alles nicht funktionieren.
Was bedeutet ein Nachfragerückgang konkret?
Sparen. In der Frühwarnstufe sind wir aufgefordert, mit großen Industriekunden zu sprechen, um deren Bedarf und deren Einsparmöglichkeiten auszuloten. Und bei den privaten Verbrauchern werden die schon diskutierten Fragen auf den Tisch kommen: Muss ich alle Zimmer heizen? Muss die Turnhalle unbedingt 20 Grad warm sein? Wir brauchen künftig ein paar dickere Pullover. Jedes Prozent beim Sparen hilft.