Ausnahmemusiker lässt sein Instrument schmettern, singen und seufzen
Felix Klieser und das Ensemble Chaarts begeistern im Stadttheater
- Das Horn kann schmettern und zur Jagd aufspielen, es kann aber auch wunderbar singen, sich verströmen und Emotionen spiegeln – besonders deutlich wird das, wenn ein Könner wie Felix Klieser sich auch Werken widmet, die eigentlich nicht für sein Instrument geschrieben wurden. Gemeinsam mit Chaarts, dem Schweizer „Haus-Ensemble“der Lindauer Kammerkonzerte, präsentierte er Originalkompositionen für Horn und Streicher von Mozart und Haydn und Bearbeitungen von drei Barock-Arien. Die Chaarts wurden an diesem facettenreichen Abend von Max Baillie als Konzertmeister angeführt, für den Generalbass in den Barockarien kam der Argentinier Juan Sebastian Lima mit der Theorbe an die Seite von Cellist Andreas Fleck und Lars Schapper am Kontrabass.
Ein außergewöhnliches Werk machte den Anfang: Außergewöhnlich zum einen, weil es kaum Kammermusik für Horn und Streicher gibt, zum anderen, weil dieses Quintett von Mozart mit zwei Bratschen (statt mit zwei Geigen) besetzt ist und so den dunkleren Klang des Horns betont. Markus Fleck, der Geige und Bratsche spielt, übernahm hier die Führung, die Klangbalance zwischen Horn und Streichern war zunächst schwierig. Doch zu Beginn waren Augen und Ohren sowieso mehr auf Felix Klieser ausgerichtet: auf sein selbstverständliches Spiel mit dem linken Fuß, der so feingliedrig ist wie bei anderen die Hand, die Qualität seines warmen Hornklangs (der ja sonst mit der Hand „gestopft“wird), oder sein natürliches Auftreten. Hindernisse scheint es für ihn nicht zu geben, wenn ja, sind sie dazu da, überwunden zu werden: anders kann man sich das Leben des ohne
Arme geborenen Künstlers nicht vorstellen, der im zarten Alter von fünf Jahren mit dem Hornspiel begann und seinen Alltag meistert. Doch zurück zu Mozart: Im langsamen Satz entspann sich ein inniger Dialog zwischen Violine und Horn und den anderen Begleitstimmen, im spritzigen Finalrondo gaben Fanfarenklänge und eine brillante Solokadenz den Ton an.
Nach diesem kammermusikalischen Beginn übernahm Konzertmeister Max Baillie die Führung und zugleich das Solo in Johann Sebastian Bachs a-Moll-Violinkonzert: Durchsichtig blieb der Dialog mit seinen Kolleginnen in der Gruppe der ersten und zweiten Violinen, im Mittelsatz blühte seine Geige mit feinem Ton über dem sanft schwingenden Pizzicato der Unterstimmen auf. Tänzerisch, fast swingend, manchmal etwas schroff versprühten Baillie und Chaarts im Finale Musizierfreude und bauten mit einem kräftigen Crescendo Spannung auf.
„Beyond words“heißt eine CD, die Felix Klieser und Chaarts im vergangenen Jahr aufgenommen haben und auf der Arien der Barockzeit auf dem Horn „gesungen“werden: Nicht Lieder „ohne“Worte, sondern „jenseits“der Worte, die den Affekten und Emotionen nachspüren. Die Mezzosopran- oder Altlage scheint dem Ambitus des Horns besonders zu entsprechen, mit einer Kantate von Vivaldi zur Karwoche und einer Arie aus der Matthäus-Passion hatte Klieser dazu Werke passend zur vorösterlichen Zeit ausgewählt. In Händels „Stille amare“(Bittere Tropfen) hörte man die Seufzer und die intensive Chromatik. In einer geistlichen Arie Vivaldis spannte Felix Klieser lange Bögen (über seine Atemtechnik werden ihn manche Sängerinnen und Sänger beneiden!) über die im Text besungenen „frostigen“Pizzicati.
Bachs wunderbare Alt-Arie „Erbarme dich“verlor im Dialog des Hornisten mit der schmeichelnden Solovioline von Max Baillie nichts von ihrer Eindringlichkeit, die Worte haben wohl alle im Publikum innerlich mitgesungen.
Joseph Haydns Streichquartett op. 76/2, wegen seines markanten Hauptthemas „Quinten-Quartett“genannt, verwandelten die Musikerinnen und Musiker von Chaarts flugs in ein „Divertimento“in größerer Streicherbesetzung: Der Klang wurde so ziemlich mächtig, stark in der Dynamik, sinfonisch, er betonte das charaktervolle Thema oder den bodenständigen Humor Haydns im Tanzsatz und im Finale. Im Wechsel von Stimmführern und Tutti in den Variationen des langsamen Satzes gelang dem Ensemble auch die erwünschte Feinzeichnung. Schließlich beeindruckten Felix Klieser und das so aufmerksam und spielfreudig musizierende Orchester noch mit einem wunderbar musikantischen Hornkonzert: Figurenreichtum, Passagen, Triller, Registerwechsel, Solokadenzen und ein lyrischer Mittelsatz präsentierten sie mit größter Natürlichkeit. Am Ende dieses langen Programms schenkten sie mit „Ombra mai fù“aus Händels „Xerxes“eine berührende Melodie zum Nachtgebet.