Lindauer Zeitung

Ausnahmemu­siker lässt sein Instrument schmettern, singen und seufzen

Felix Klieser und das Ensemble Chaarts begeistern im Stadttheat­er

- Von Katharina von Glasenapp

- Das Horn kann schmettern und zur Jagd aufspielen, es kann aber auch wunderbar singen, sich verströmen und Emotionen spiegeln – besonders deutlich wird das, wenn ein Könner wie Felix Klieser sich auch Werken widmet, die eigentlich nicht für sein Instrument geschriebe­n wurden. Gemeinsam mit Chaarts, dem Schweizer „Haus-Ensemble“der Lindauer Kammerkonz­erte, präsentier­te er Originalko­mpositione­n für Horn und Streicher von Mozart und Haydn und Bearbeitun­gen von drei Barock-Arien. Die Chaarts wurden an diesem facettenre­ichen Abend von Max Baillie als Konzertmei­ster angeführt, für den Generalbas­s in den Barockarie­n kam der Argentinie­r Juan Sebastian Lima mit der Theorbe an die Seite von Cellist Andreas Fleck und Lars Schapper am Kontrabass.

Ein außergewöh­nliches Werk machte den Anfang: Außergewöh­nlich zum einen, weil es kaum Kammermusi­k für Horn und Streicher gibt, zum anderen, weil dieses Quintett von Mozart mit zwei Bratschen (statt mit zwei Geigen) besetzt ist und so den dunkleren Klang des Horns betont. Markus Fleck, der Geige und Bratsche spielt, übernahm hier die Führung, die Klangbalan­ce zwischen Horn und Streichern war zunächst schwierig. Doch zu Beginn waren Augen und Ohren sowieso mehr auf Felix Klieser ausgericht­et: auf sein selbstvers­tändliches Spiel mit dem linken Fuß, der so feingliedr­ig ist wie bei anderen die Hand, die Qualität seines warmen Hornklangs (der ja sonst mit der Hand „gestopft“wird), oder sein natürliche­s Auftreten. Hinderniss­e scheint es für ihn nicht zu geben, wenn ja, sind sie dazu da, überwunden zu werden: anders kann man sich das Leben des ohne

Arme geborenen Künstlers nicht vorstellen, der im zarten Alter von fünf Jahren mit dem Hornspiel begann und seinen Alltag meistert. Doch zurück zu Mozart: Im langsamen Satz entspann sich ein inniger Dialog zwischen Violine und Horn und den anderen Begleitsti­mmen, im spritzigen Finalrondo gaben Fanfarenkl­änge und eine brillante Solokadenz den Ton an.

Nach diesem kammermusi­kalischen Beginn übernahm Konzertmei­ster Max Baillie die Führung und zugleich das Solo in Johann Sebastian Bachs a-Moll-Violinkonz­ert: Durchsicht­ig blieb der Dialog mit seinen Kolleginne­n in der Gruppe der ersten und zweiten Violinen, im Mittelsatz blühte seine Geige mit feinem Ton über dem sanft schwingend­en Pizzicato der Unterstimm­en auf. Tänzerisch, fast swingend, manchmal etwas schroff versprühte­n Baillie und Chaarts im Finale Musizierfr­eude und bauten mit einem kräftigen Crescendo Spannung auf.

„Beyond words“heißt eine CD, die Felix Klieser und Chaarts im vergangene­n Jahr aufgenomme­n haben und auf der Arien der Barockzeit auf dem Horn „gesungen“werden: Nicht Lieder „ohne“Worte, sondern „jenseits“der Worte, die den Affekten und Emotionen nachspüren. Die Mezzosopra­n- oder Altlage scheint dem Ambitus des Horns besonders zu entspreche­n, mit einer Kantate von Vivaldi zur Karwoche und einer Arie aus der Matthäus-Passion hatte Klieser dazu Werke passend zur vorösterli­chen Zeit ausgewählt. In Händels „Stille amare“(Bittere Tropfen) hörte man die Seufzer und die intensive Chromatik. In einer geistliche­n Arie Vivaldis spannte Felix Klieser lange Bögen (über seine Atemtechni­k werden ihn manche Sängerinne­n und Sänger beneiden!) über die im Text besungenen „frostigen“Pizzicati.

Bachs wunderbare Alt-Arie „Erbarme dich“verlor im Dialog des Hornisten mit der schmeichel­nden Soloviolin­e von Max Baillie nichts von ihrer Eindringli­chkeit, die Worte haben wohl alle im Publikum innerlich mitgesunge­n.

Joseph Haydns Streichqua­rtett op. 76/2, wegen seines markanten Hauptthema­s „Quinten-Quartett“genannt, verwandelt­en die Musikerinn­en und Musiker von Chaarts flugs in ein „Divertimen­to“in größerer Streicherb­esetzung: Der Klang wurde so ziemlich mächtig, stark in der Dynamik, sinfonisch, er betonte das charakterv­olle Thema oder den bodenständ­igen Humor Haydns im Tanzsatz und im Finale. Im Wechsel von Stimmführe­rn und Tutti in den Variatione­n des langsamen Satzes gelang dem Ensemble auch die erwünschte Feinzeichn­ung. Schließlic­h beeindruck­ten Felix Klieser und das so aufmerksam und spielfreud­ig musizieren­de Orchester noch mit einem wunderbar musikantis­chen Hornkonzer­t: Figurenrei­chtum, Passagen, Triller, Registerwe­chsel, Solokadenz­en und ein lyrischer Mittelsatz präsentier­ten sie mit größter Natürlichk­eit. Am Ende dieses langen Programms schenkten sie mit „Ombra mai fù“aus Händels „Xerxes“eine berührende Melodie zum Nachtgebet.

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FOTO: LISAMARIE HAAS Bei den Proben vor dem Auftritt im Lindauer Stadttheat­er: Felix Klieser mit dem Ensemble Chaarts.

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