Lindauer Zeitung

Energiewen­de mit Sprengkraf­t

- Von Claudia● Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Weg von Öl und Gas – hin zu Sonne, Wind, Luft und Erdwärme: Das klingt gut, das klingt sauber. Auch ohne Krieg in der Ukraine hätte es die Energiewen­de gebraucht, um die Klimaschut­zziele der Bundesregi­erung zu erreichen. Sehr viel Energie wird in Deutschlan­d in Gebäuden verschwend­et, etwa 30 Prozent der Treibhausg­asemission­en entstehen in Immobilien. Deshalb ist es nachvollzi­ehbar, dass die Ampel-Regierung in diesem Bereich schnelle Veränderun­gen einfordert. Wie sich das in der Praxis gestaltet, ist die andere Frage.

Die Gebäude in Deutschlan­d sind in die Jahre gekommen. Die meisten wurden gebaut zu einer Zeit, als eine zentrale Öl- oder Gasheizung eine moderne Errungensc­haft war. Mit den Häusern sind auch ihre Bewohner gealtert. Viele hatten nicht den Antrieb oder das Geld, ihr Eigenheim zu sanieren und in neue Wärmequell­en zu investiere­n. Das könnte ihnen auf die Füße fallen. Denn selten waren die Baupreise so hoch und die Fachkräfte so gesucht wie jetzt. Und bei dem riesigen Modernisie­rungsbedar­f wird das so bleiben.

Nun ist dem Bund natürlich nicht vorzuwerfe­n, dass er mehr für den Klimaschut­z tun will, als es bisher der Fall war. Aber er sollte die gesellscha­ftliche Sprengkraf­t, die damit verbunden ist, nicht unterschät­zen. Von Berlin aus fällt es leicht, den Landbewohn­ern den Autoverzic­ht zu predigen – weil man ja selbst keines braucht. Wer in der Stadt an die Fernwärme angeschlos­sen ist, muss sich eben nicht das Gehirn zermartern, wie es nach 2024 weitergeht, wenn der Brenner im Keller schlapp macht. Für viele Menschen in Deutschlan­d, die weder vermögend sind noch in einer Stadt leben, sind mit dem Klimaschut­z große Herausford­erungen verbunden.

Natürlich sind Veränderun­gen zumutbar. Nahezu jeder in Deutschlan­d hat begriffen, dass die Menschheit an dem Ast sägt, auf dem sie sitzt, sollte der Klimawande­l so weitergehe­n. Doch für politische Ziele braucht es entspreche­nde Rahmenbedi­ngungen – beispielsw­eise Handwerker. Ansonsten empfinden es die Menschen als Gängelei.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany