Entsetzen über Gräueltaten in Butscha
Ukraine wirft abziehender russischer Armee „Völkermord“vor – EU prüft härtere Sanktionen
(dpa) - Leichen auf den Straßen, ausgebrannte Fahrzeuge, rußgeschwärzte Häuser: Der Abzug der russischen Truppen aus der Umgebung der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat am Sonntag das Ausmaß der Gräueltaten an der Zivilbevölkerung sichtbar gemacht. Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft wurden in den Kiewer Vorstädten bisher 410 Bewohner tot geborgen. Die Bilder vor allem aus der Vorstadt Butscha lösten weltweit Entsetzen aus. Das russische Verteidigungsministerium wies die Berichte als „Fake“zurück.
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach indes von einem „Massaker“und kündigte weitere EU-Sanktionen gegen Russland an.
Vizekanzler Christian Lindner (FDP) kündigte am Sonntag auf Twitter an, dass ab diesem Montag über eine Verschärfung von Sanktionen beraten werde. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, die „Verbrechen des russischen Militärs“müssten schonungslos aufgeklärt werden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf den russischen Truppen Genozid vor. „Das ist in der Tat ein Völkermord“, sagte er dem
US-Sender CBS am Sonntag auf eine entsprechende Frage. „Wir sind Bürger der Ukraine und wollen nicht der Politik der Russischen Föderation unterworfen werden. Und das ist der Grund, warum wir zerstört und ausgelöscht werden.“Selenskyj sagte, es sei trotzdem seine Pflicht, mit Putin zu verhandeln. „Es gibt keinen anderen Weg als den Dialog, wenn wir nicht wollen, dass Hunderttausende, dass Millionen sterben.“Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte derweil härtere Sanktionen gegen Russland – unter anderem von den wirtschaftlich mächtigen G7Staaten
ein Öl-, Gas- und Kohle-Embargo gegen Russland.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte zum Abzug der russischen Truppen aus der Umgebung von Kiew, dies sei kein wirklicher Rückzug. Vielmehr sei zu sehen, wie Russland seine Truppen „neu positioniert“. Die Nato sei besorgt über mögliche verstärkte Angriffe, vor allem im Süden und im Osten. Zu beobachten war dies bereits am Wochenende – vermutlich mit dem Ziel, die dort besetzten Gebiete auszuweiten. Auch die Millionenstadt Odessa wurde angegriffen.