Barocker Hochgenuss mit „Alcina“
Händels Oper mit der Lautten Compagney Berlin im Kultur- und Kongresszentrum Weingarten
- Aus dem Orchestergraben klingen die feinen Klänge von Streichern, Block- und Traversflöte, Oboen, Lauten oder einem fantasievoll eingesetzten Schlagwerk-Instrumentarium, die Bühne des Kultur- und Kongresszentrums in Weingarten wird zur geheimnisvollen Insel der Alcina. Endlich konnte die in Zusammenarbeit der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner mit den Händel-Festspielen Halle entstandene Produktion von Georg Friedrich Händels „Alcina“die Gastspielreise nach Oberschwaben antreten.
2019 hatte sie der Regisseur, Ausstatter und Choreograf Niels Badenhop für das kleine historische Goethe-Theater in Bad Lauchstädt geschaffen. Mit ihren Bühnenprospekten, die einen Barockgarten mit hohen Hecken und einem kleinen Hafen oder eine unheimliche Höhle widerspiegeln, mit farbigen Stoffbahnen und Beleuchtung ist sie aber auch transportabel. Und natürlich erzeugen die Kostüme mit ihren changierenden Seidenstoffen, dazu die wilden Perücken und ritterlichen Accessoires eine wunderbare Atmosphäre.
Zwei Tänzerinnen und ein Tänzer des Ensembles Ballet Baroque Berlin verwandeln sich in Schmetterlinge mit zitternden Flügeln oder andere Tiere, oder aber in anmutige Hirtinnen oder in gefährliche Dämonen.
Ein besonderer Reiz der Inszenierung liegt in der Bewegungssprache, denn jede Handhaltung, jeder Blickwechsel, jede Führung der Finger, jede Fußstellung hat ihre eigene Bedeutung und ist aufs Engste mit dem Text verbunden. Der Bilderreichtum der barocken italienischen Sprache, die Feinheiten der musikalischen Rhetorik, die Dirigent Wolfgang Katschner und sein gesamtes Orchester- und Gesangsensemble so selbstverständlich herausarbeiten, und eben diese kunstvolle Gestik verschmelzen zu einem ästhetischen Gesamtkunstwerk.
Die Barockoper treibt das Spiel von Mann und Frau, von Frauen in Männerkleidern, von Männern mit Frauenstimmen, das Spiel mit erotischen Turbulenzen und sexuellen
Nöten auf die Spitze. Alcina ist Zauberin, Königin, Verführerin, Fee, Hexe. Und sie ist eine Frau, die liebt und leidet: Liebhaber verwandelt sie in Tiere, wenn sie ihrer überdrüssig geworden ist. „Alcina“entspringt der reichen Geschichtenwelt des „Orlando Furioso“(„Der rasende Roland“) von Ludovico Ariosto, Georg Friedrich Händel machte sie zur Hauptperson in einer seiner letzten Opern. Sie wurde 1735 im Theatre Royal im Covent Garden in London uraufgeführt.
Bis alle Komplikationen gelöst, Missverständnisse aufgeklärt sind und sich die richtigen Paare gefunden haben, sieht sich das Publikum in einen dreistündigen Strudel schönster Arien, Rezitative und Tänze versetzt. Händel schrieb seine Rollen Kastraten und Primadonnen auf den Leib, Affekte von Trauer, Hoffnung, Liebe, Schmerz und rasender Wut spiegeln sich in den Gesangsstimmen ebenso wie in den Instrumentalsoli. Immer wieder wandeln sich Melodien voll inniger Sehnsucht in Passagen mit atemberaubend flammenden Koloraturen, denen sich die erfahrenen jungen Sängerinnen und Sänger voll und ganz ausliefern.
Hervorzuheben aus dem glänzend besetzten Ensemble sind natürlich die Alcina der Aurora Peña mit ihrer Bühnenpräsenz, ihren Farben und Emotionen, der so ausdrucksstarke und bewegliche Contratenor Nicholas Tamagna als Ruggiero und die Altistin Julia Böhme mit ihrem intensiven Timbre als dessen Verlobte Bradamante. Johanna Knauth gibt mit schlank geführtem Sopran die etwas sanftere Schwester der Zauberin Alcina, der hochgewachsene Tenor Jorge Navarro Colorado ihren Geliebten Oronte.
Elias Arranz ist der zuverlässige Ratgeber Melisso, die kurzfristig eingesprungene Mae Dettenborn lässt zuletzt in einer fulminanten Arie in der Hosenrolle des Oberto aufhorchen. Die Lautten Compagney Berlin bezaubert in ihrem facettenreichen Klang und ihrer Beweglichkeit, Solovioline- und -cello, Flöten und zwei brillante Hornisten in einer „Tiger-Arie“mischen immer wieder besondere Farben hinein. Barocker Hochgenuss für ein begeistertes Publikum.