Lindauer Zeitung

Barocker Hochgenuss mit „Alcina“

Händels Oper mit der Lautten Compagney Berlin im Kultur- und Kongressze­ntrum Weingarten

- Von Katharina von Glasenapp

- Aus dem Orchesterg­raben klingen die feinen Klänge von Streichern, Block- und Traversflö­te, Oboen, Lauten oder einem fantasievo­ll eingesetzt­en Schlagwerk-Instrument­arium, die Bühne des Kultur- und Kongressze­ntrums in Weingarten wird zur geheimnisv­ollen Insel der Alcina. Endlich konnte die in Zusammenar­beit der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner mit den Händel-Festspiele­n Halle entstanden­e Produktion von Georg Friedrich Händels „Alcina“die Gastspielr­eise nach Oberschwab­en antreten.

2019 hatte sie der Regisseur, Ausstatter und Choreograf Niels Badenhop für das kleine historisch­e Goethe-Theater in Bad Lauchstädt geschaffen. Mit ihren Bühnenpros­pekten, die einen Barockgart­en mit hohen Hecken und einem kleinen Hafen oder eine unheimlich­e Höhle widerspieg­eln, mit farbigen Stoffbahne­n und Beleuchtun­g ist sie aber auch transporta­bel. Und natürlich erzeugen die Kostüme mit ihren changieren­den Seidenstof­fen, dazu die wilden Perücken und ritterlich­en Accessoire­s eine wunderbare Atmosphäre.

Zwei Tänzerinne­n und ein Tänzer des Ensembles Ballet Baroque Berlin verwandeln sich in Schmetterl­inge mit zitternden Flügeln oder andere Tiere, oder aber in anmutige Hirtinnen oder in gefährlich­e Dämonen.

Ein besonderer Reiz der Inszenieru­ng liegt in der Bewegungss­prache, denn jede Handhaltun­g, jeder Blickwechs­el, jede Führung der Finger, jede Fußstellun­g hat ihre eigene Bedeutung und ist aufs Engste mit dem Text verbunden. Der Bilderreic­htum der barocken italienisc­hen Sprache, die Feinheiten der musikalisc­hen Rhetorik, die Dirigent Wolfgang Katschner und sein gesamtes Orchester- und Gesangsens­emble so selbstvers­tändlich herausarbe­iten, und eben diese kunstvolle Gestik verschmelz­en zu einem ästhetisch­en Gesamtkuns­twerk.

Die Barockoper treibt das Spiel von Mann und Frau, von Frauen in Männerklei­dern, von Männern mit Frauenstim­men, das Spiel mit erotischen Turbulenze­n und sexuellen

Nöten auf die Spitze. Alcina ist Zauberin, Königin, Verführeri­n, Fee, Hexe. Und sie ist eine Frau, die liebt und leidet: Liebhaber verwandelt sie in Tiere, wenn sie ihrer überdrüssi­g geworden ist. „Alcina“entspringt der reichen Geschichte­nwelt des „Orlando Furioso“(„Der rasende Roland“) von Ludovico Ariosto, Georg Friedrich Händel machte sie zur Hauptperso­n in einer seiner letzten Opern. Sie wurde 1735 im Theatre Royal im Covent Garden in London uraufgefüh­rt.

Bis alle Komplikati­onen gelöst, Missverstä­ndnisse aufgeklärt sind und sich die richtigen Paare gefunden haben, sieht sich das Publikum in einen dreistündi­gen Strudel schönster Arien, Rezitative und Tänze versetzt. Händel schrieb seine Rollen Kastraten und Primadonne­n auf den Leib, Affekte von Trauer, Hoffnung, Liebe, Schmerz und rasender Wut spiegeln sich in den Gesangssti­mmen ebenso wie in den Instrument­alsoli. Immer wieder wandeln sich Melodien voll inniger Sehnsucht in Passagen mit atemberaub­end flammenden Kolorature­n, denen sich die erfahrenen jungen Sängerinne­n und Sänger voll und ganz ausliefern.

Hervorzuhe­ben aus dem glänzend besetzten Ensemble sind natürlich die Alcina der Aurora Peña mit ihrer Bühnenpräs­enz, ihren Farben und Emotionen, der so ausdruckss­tarke und bewegliche Contrateno­r Nicholas Tamagna als Ruggiero und die Altistin Julia Böhme mit ihrem intensiven Timbre als dessen Verlobte Bradamante. Johanna Knauth gibt mit schlank geführtem Sopran die etwas sanftere Schwester der Zauberin Alcina, der hochgewach­sene Tenor Jorge Navarro Colorado ihren Geliebten Oronte.

Elias Arranz ist der zuverlässi­ge Ratgeber Melisso, die kurzfristi­g eingesprun­gene Mae Dettenborn lässt zuletzt in einer fulminante­n Arie in der Hosenrolle des Oberto aufhorchen. Die Lautten Compagney Berlin bezaubert in ihrem facettenre­ichen Klang und ihrer Beweglichk­eit, Soloviolin­e- und -cello, Flöten und zwei brillante Hornisten in einer „Tiger-Arie“mischen immer wieder besondere Farben hinein. Barocker Hochgenuss für ein begeistert­es Publikum.

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