Alle sollen an einem Strang ziehen
Podium zur Bahnunterführung in Kißlegg – Politik, Verwaltung und Bürgern einig
- Sie wird kommen, die Bahnunterführung in Kißlegg, wo bisher die Landesstraße 265 über die Gleise führt, aber Bürger, Unternehmen, die Gemeinde und nicht zuletzt die Rettungsdienste werden noch viel Geduld haben müssen. Denn schnell wird es nicht gehen und vor Ende dieses Jahrzehnts werden Planung und Bau nicht abgeschlossen sein. Entsprechend äußerten sich jedenfalls Regierungspräsident Klaus Tappeser und die verantwortliche Planerin im Regierungspräsidium (RP) Tübingen, Bettina Wöhrmann, bei der von Stefan Kühlein (Regio TV) moderierten Online-Podiumsdiskussion. Das Interesse am Donnerstagabend war mit 300 zugeschalteten Teilnehmern groß.
Florian Kloos von der Johanniter Unfallhilfe machte einmal mehr deutlich, wie wichtig das Vorhaben für die Rettungswache sei und dass oft tatsächlich jede Minute zähle. „Wir haben mal Buch geführt und festgestellt, dass wir bei jedem vierten bis fünften Einsatz mindestens fünf Minuten vor der verschlossenen Schranke stehen“, sagte der Rettungssanitäter. „Wenn man bedenkt, dass beim Schlaganfall oder Herzinfarkt pro Minute, die vergeht, die Überlebenschance um zehn Prozent sinkt, dann weiß man, dass das gefährlich ist.“Die Rettungswache deckt ein großes Gebiet rund um Kißlegg ab und muss im Notfall schnell vor Ort sein. „Wir erwarten da jetzt ein zügiges und nicht so bürokratisches Vorgehen“, so Kloos.
Auch Jörg Rinninger wählte klare Worte. „Wir transportieren schwerste Betonteile und sind mit unseren Lkw mit 100 Tonnen am Bahnübergang schon stecken geblieben“, berichtete der Kißlegger Bauunternehmer und Chef von 220 Mitarbeitern. „Dann kommt man nicht mehr vor und nicht zurück. Das ist für einen Unternehmer nicht dauerhaft tragbar.“
Die Wartezeiten sind Rinninger ebenfalls ein Dorn im Auge: „Wir haben mal zusammengezählt: Unsere Transporter stehen rund 50 Stunden im Monat an diesem Bahnübergang. Das sind 5000 Euro im Monat an Schaden.“
Bürgerinnen und Bürger, die Fragen und Anmerkungen vor der Veranstaltung einreichen konnten, berichteten von gefährlichen Situationen für Radfahrer und Fußgänger. Zum Beispiel, weil manche, wenn sie ungeduldig werden, einfach trotz geschlossener Halb-Schranken losgehen würden. „Es ist eine Frage der Zeit, bis da mal etwas Schlimmes passiert“, so Jörg Rinninger, der die Situation auch aus der Vater-Perspektive betrachtete.
Bürgermeister Dieter Krattenmacher führte den Podiumsteilnehmern nochmals einige Fakten vor Augen. Kißlegg sei ein Bahnknotenpunkt im Württembergischen Allgäu, nirgendwo sonst kämen so viele
Züge zusammen. 90 Züge passierten jeden Tag die Gemeinde, doch man habe keine Alternative zum Bahnübergang, keine Brücke, keine Umfahrungsmöglichkeit. „Wir müssen über diesen Bahnübergang“, so Krattenmacher. „Und wir werden jetzt so lange dranbleiben, bis wir die Bahnunterführung haben. Mir Kißlegger lasset it lockr.“
Zu all diesen Argumenten für eine Bahnunterführung fügte der zugeschaltete Klaus Tappeser, hinzu, dass es sich hier um einen alles andere als einfachen Fall eines Bahnübergangs handle, der viele Funktionen erfüllen müsse, für unterschiedliche Fahrzeugtypen mit unterschiedlichen Erfordernissen, dazu Landesstraße, örtliche Straßen und die Bahn als Beteiligte. Aber klar sei, so der Regierungspräsident: „Wir müssen das Vorhaben beschleunigen.“
Bettina Wöhrmann, verantwortliche Planerin am RP, machte den Anwesenden Hoffnung, dass das Projekt „Bahnunterführung Kißlegg“allmählich Fahrt aufnimmt: „Wir haben die Vorplanung dem Verkehrsministerium zur Zustimmung bereits vorgelegt und ich denke, in vier bis sechs Wochen haben wir die. Dann können wir die Entwurfsplanung konkretisieren.“Diese benötige wiederum das Plazet vom Ministerium. Erst dann gehe es ins Planfeststellungsverfahren, das laut Wöhrmann 2027 abgeschlossen werden soll. Die notwendige, sogenannte Eisenbahnkreuzungsvereinbarung müsse zudem vom Bund abgesegnet werden, bevor die Ausführung des Projekts geplant werden könne. „Land und RP geben dem Projekt hohe Priorität“, so Wöhrmann weiter. Und beantwortete die an sich selbst gestellte Frage, warum man so lange brauche, mit fünf Worten: „Weil es so komplex ist.“Dem RP schwebe eine Bahnunterführung mit Fahrstreifen für Fahrräder und Wege für Fußgänger vor, außerdem seien Kreisverkehre südlich und nördlich der Schienen vorgesehen. „Wir müssen da sorgfältig planen, denn wenn gebaut ist und es funktioniert nicht, ist keinem gedient“, schloss die Planerin.
Die beiden hiesigen Landtagsabgeordneten Petra Krebs (Grüne) und Raimund Haser (CDU) sind sich einig, dass nun endlich etwas passieren muss. „Ich begrüße die ganzen Aktionen für die Bahnunterführung und sage Ihnen meine weitere Unterstützung zu“, so Haser. Petra Krebs betonte: „Das Projekt ist dringend notwendig. Ich unterstütze das gerade auch, wenn es im Landtag ums Geld geht.“Beim Bund könne sich die GrünenAbgeordnete ebenso einsetzen, damit die Genehmigung von dort nicht so lange dauere wie in Wangen.
Auch darüber waren sich alle Beteiligten einig: Nur wenn jetzt alle in der Gemeinde, in Politik und Verwaltung an einem Strang zögen, gelinge die Umsetzung und verzögere sich das Projekt nicht, etwa durch Klagen gegen die Planfeststellung. Und: Für all das braucht es einen langen Atem.