Vorerst am Netz lassen
Nachhaltig, wie die EU-Kommission verkündet hat, ist die Atomkraft nicht. Eine Technologie zur Energiegewinnung, deren strahlender Abfall nach deutschem Recht eine Million Jahre sicher gelagert werden muss, kann das gar nicht sein. Kein Wunder, dass überall, wo ein Endlager entstehen soll, protestiert wird. Spätestens als die russischen Truppen die Atomruine im ukrainischen Tschernobyl erreichten, erinnerte sich die Welt an die Katastrophe und bangte. Langfristig ist der Ausstieg aus der Kernkraft richtig. Zumal Russland einer der größten Uranlieferanten der Welt ist.
Dennoch ist es sinnvoll, jene deutschen Atomkraftwerke, deren Weiterbetrieb wirtschaftlich sinnvoll ist, länger am Netz zu lassen. Pragmatisch betrachtet kommt es auf jene Zusatzmenge an deutschem Atommüll auch nicht mehr an, wenn Neckarwestheim, Isar und Emsland über den 31. Dezember 2022 hinaus weiterlaufen. Zumal allein diese drei Reaktoren elf Prozent des deutschen Strombedarfs erzeugen und für die Grundlast wichtig sind. Das ist jene Menge an Strom, die zu jeder Tagund Nachtzeit verfügbar sein muss.
Erneuerbare Energien werden langfristig den größten Teil des deutschen Bedarfs decken. Vor allem Gaskraftwerke hatten Bund und EU als Brückentechnologie auf dem Weg dorthin eingeplant. Angesichts der Abhängigkeit von Russland daran festzuhalten, wäre falsch. Denn Moskau kann den Gashahn schneller zudrehen als Berlin Windräder und Solarparks bauen kann. Und bis die Gaskraftwerke irgendwann alle auf grünen Wasserstoff umgestellt sind, vergehen ohnehin noch viele Jahre. Im Sinne der Versorgungssicherheit bedarf es hierzulande somit dringend einer unabhängigen Prüfung des Weiterbetriebs der Kernkraftwerke. Ansonsten läuft Deutschland am Ende Gefahr, Atomstrom aus anderen EU-Ländern zukaufen zu müssen – was geradezu paradox wäre.
Als Brücke dürfen die drei Atommeiler gerne dienen. Vielleicht rechnet es sich sogar, ein, zwei der 2021 stillgelegten Kernkraftwerke wieder hochzufahren. Doch der Weg in die Zukunft ist ein anderer.