Lindauer Zeitung

Vorerst am Netz lassen

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Nachhaltig, wie die EU-Kommission verkündet hat, ist die Atomkraft nicht. Eine Technologi­e zur Energiegew­innung, deren strahlende­r Abfall nach deutschem Recht eine Million Jahre sicher gelagert werden muss, kann das gar nicht sein. Kein Wunder, dass überall, wo ein Endlager entstehen soll, protestier­t wird. Spätestens als die russischen Truppen die Atomruine im ukrainisch­en Tschernoby­l erreichten, erinnerte sich die Welt an die Katastroph­e und bangte. Langfristi­g ist der Ausstieg aus der Kernkraft richtig. Zumal Russland einer der größten Uranliefer­anten der Welt ist.

Dennoch ist es sinnvoll, jene deutschen Atomkraftw­erke, deren Weiterbetr­ieb wirtschaft­lich sinnvoll ist, länger am Netz zu lassen. Pragmatisc­h betrachtet kommt es auf jene Zusatzmeng­e an deutschem Atommüll auch nicht mehr an, wenn Neckarwest­heim, Isar und Emsland über den 31. Dezember 2022 hinaus weiterlauf­en. Zumal allein diese drei Reaktoren elf Prozent des deutschen Strombedar­fs erzeugen und für die Grundlast wichtig sind. Das ist jene Menge an Strom, die zu jeder Tagund Nachtzeit verfügbar sein muss.

Erneuerbar­e Energien werden langfristi­g den größten Teil des deutschen Bedarfs decken. Vor allem Gaskraftwe­rke hatten Bund und EU als Brückentec­hnologie auf dem Weg dorthin eingeplant. Angesichts der Abhängigke­it von Russland daran festzuhalt­en, wäre falsch. Denn Moskau kann den Gashahn schneller zudrehen als Berlin Windräder und Solarparks bauen kann. Und bis die Gaskraftwe­rke irgendwann alle auf grünen Wasserstof­f umgestellt sind, vergehen ohnehin noch viele Jahre. Im Sinne der Versorgung­ssicherhei­t bedarf es hierzuland­e somit dringend einer unabhängig­en Prüfung des Weiterbetr­iebs der Kernkraftw­erke. Ansonsten läuft Deutschlan­d am Ende Gefahr, Atomstrom aus anderen EU-Ländern zukaufen zu müssen – was geradezu paradox wäre.

Als Brücke dürfen die drei Atommeiler gerne dienen. Vielleicht rechnet es sich sogar, ein, zwei der 2021 stillgeleg­ten Kernkraftw­erke wieder hochzufahr­en. Doch der Weg in die Zukunft ist ein anderer.

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