Sehnsucht nach Frieden
In Dresden findet Ukrainer Melitschenko Ablenkung
(dpa) - Kyrylo Melitschenko hat sein Lachen, seine Fröhlichkeit verloren. Der Fußballer des ukrainischen Erstligisten FK Mariupol spricht leise, fast schüchtern über die vergangenen drei Monate. Und er spricht nicht über Fußball, sondern über sein Zuhause in der Ukraine. Ein Zuhause, dass er seit mehr als zwei Monaten nicht mehr gesehen hat. Ein Zuhause, dass es so nicht mehr gibt. Der Krieg hat aus dem einst schönen Mariupol eine Ruinenstadt gemacht. Seither ist der junge Fußballer ein Vertriebener. An eine Rückkehr nach Hause, gar als Fußballer, ist in absehbarer Zeit nicht zu denken.
Das leise, zaghafte „Hallo“ist das einzige deutsche Wort, dass Melitschenko am Montag über die Lippen kommt. Dann übersetzt seine Freundin Anja. „Er kann die Sprache noch nicht so gut sprechen. Aber wir üben jeden Tag“, sagt sie. Seine eigentliche Sprache sei der Fußball, denn den würde man überall verstehen.
Eigentlich spielt Melitschenko Rechtsverteidiger beim FK Mariupol. Wie für Dynamo Dresden, dass dem talentierten Mann gegenwärtig eine Trainingsmöglichkeit gibt, geht es auch für die Mannschaft aus der Ostukraine um den Klassenverbleib. Viel mehr Gemeinsamkeiten gibt es zwischen beiden Vereinen nicht. Aber darum geht es dieser Tage nicht.
Während er mit ruhiger Stimme spricht, ist Freundin Anja mehrmals den Tränen nahe. „Mariupol war eine so schöne Stadt“, sagt sie. Das Vereinsgelände des ukrainischen Erstligisten sowie seine Wohnung in einem Mietshaus der ostukrainischen Stadt mit all ihren persönlichen Habseligkeiten seien völlig zerstört. Die Eltern des Paares sind mittlerweile aus den Kellern der Hauptstadt Kiew in den Westen des Landes geflohen. Er selbst hatte am 20. Januar letztmalig ukrainischen Boden unter den Füßen. Von da aus ging es ins Trainingslager in der Türkei – ohne zu wissen, dass er sein Land so schnell nicht wiedersehen würde. Am 24. Februar saß das Team auf dem Flughafen, bereit zur Rückreise. „Doch da war der Luftraum in der Ukraine bereits gesperrt. Wir sind dann wieder zurück ins Hotel gefahren“, erzählt der 22Jährige über den Tag des Kriegsbeginns. Der Club teilte den Spielern dann mit, dass sie sich Vereine suchen sollen, bei denen sie sich fit halten können.
Freundin Anja, die nach einem einjährigen Praktikum in Potsdam über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt, schrieb deshalb mehrere Vereine in Deutschland an und bat um Hilfe. „Innerhalb von zwei Stunden hatten wir eine Rückmeldung von Dynamo, zwei Tage später waren wir in Dresden“, berichtet Melitschenko. Seit rund zwei Wochen trainiert der junge Ukrainer nun dort.
Der Fußballer, der wegen seines Logistik-Studiums keinen Armeedienst antreten musste, wünscht sich nichts mehr als baldigen Frieden. „Alles andere ist nicht wichtig.“