Lindauer Zeitung

Chaostage im Gesundheit­sministeri­um

Massive Kritik an Lauterbach nach nächtliche­r Kehrtwende bei Corona-Quarantäne

- Von Michael Gabel und dpa

- Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) hat für seine Kehrtwende bei der Quarantäne viel Kritik einstecken müssen, aber auch Unterstütz­ung erfahren. „Die Wende des Gesundheit­sministers ist richtig“, sagte am Mittwoch der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Pandemie ist noch nicht zu Ende. Ein Rest von Kontrolle bleibt unverzicht­bar.“

Lauterbach hatte am Abend zuvor in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“mitgeteilt, dass die Pflicht zur Selbstisol­ation für Corona-Infizierte nun doch nicht, wie von ihm zuvor angekündig­t, zum 1. Mai aufgehoben und durch Freiwillig­keit ersetzt werden soll. Entspreche­nde Tweets setzte er auf der Social-Media-Plattform Twitter auch in der Nacht und am Morgen ab.

Lauterbach begründete sein Umdenken damit, dass Freiwillig­keit in Anbetracht der weiterhin hohen Zahlen „psychologi­sch das falsche Signal“gewesen wäre. Der Plan sei zwar mit dem Robert-Koch-Institut abgesproch­en gewesen und hätte zu einer Entlastung der Gesundheit­sämter geführt. Aber man hätte die

Entscheidu­ng so verstehen können, dass die Bundesregi­erung in Covid „nur noch eine Erkältung oder eine Grippe“sehe. Dies sein ein „kommunikat­iver Fehler“gewesen, für den er verantwort­lich sei.

Lauterbach wies Vermutunge­n zurück, er sei von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) zur Kursänderu­ng gedrängt worden. Scholz hatte am Dienstagab­end an einer Fraktionss­itzung teilgenomm­en, bei der SPDAbgeord­nete

den ursprüngli­chen Lauterbach-Plan heftig kritisiert hatten. SPD-Fraktionsv­ize Detlef Müller twitterte am Tag darauf: „Ach guck. Was so eine laute und emotionale Sitzung alles bewirken kann.“Die Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe, verneinte der Minister.

Unter anderem von der Union kamen massive Vorwürfe wegen der jähen Richtungsä­nderung. „Hoffentlic­h lernt Karl Lauterbach endlich dazu: Mit dem Zickzackku­rs bei Corona muss jetzt Schluss sein!“, twitterte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU). CDU-Chef Friedrich Merz warf dem Minister „kurzatmige­s Regieren“vor.

Aus den Reihen der Union wurde Lauterbach auch als „Talkshow-Minister“tituliert. Fraktionsv­ize Sepp Müller (CDU) fragte: „Ist der Ministerpo­sten eine Gewichtskl­asse über ihm?“

Kritik am konfusen Agieren Lauterbach­s kam aber auch aus den Ländern. Bremens Regierungs­chef Andreas Bovenschul­te (SPD) sprach von irritieren­der Wankelmüti­gkeit. „So etwas darf nicht passieren.“

In Baden-Württember­g reagierte man ebenfalls verschnupf­t: „Wir nehmen die kurzfristi­ge Volte des Bundesgesu­ndheitsmin­isters, von der wir via Talkshow und Twitter erfahren haben, zur Kenntnis“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch.

Nun soll ein neuer Vorschlag an die Bundesländ­er gehen, wie Lauterbach sagte. Anders als bisher werde Quarantäne bei Kontaktper­sonen nicht mehr angeordnet – sie sollen Kontakte künftig freiwillig vermeiden. Das solle die Gesundheit­sämter entlasten. Bei Infizierte­n aber sollen fünf Tage Isolation vorgesehen werden – wie bisher samt Anordnung vom Amt.

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Karl Lauterbach kann alles, sogar Rolle rückwärts

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