Chaostage im Gesundheitsministerium
Massive Kritik an Lauterbach nach nächtlicher Kehrtwende bei Corona-Quarantäne
- Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für seine Kehrtwende bei der Quarantäne viel Kritik einstecken müssen, aber auch Unterstützung erfahren. „Die Wende des Gesundheitsministers ist richtig“, sagte am Mittwoch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Pandemie ist noch nicht zu Ende. Ein Rest von Kontrolle bleibt unverzichtbar.“
Lauterbach hatte am Abend zuvor in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“mitgeteilt, dass die Pflicht zur Selbstisolation für Corona-Infizierte nun doch nicht, wie von ihm zuvor angekündigt, zum 1. Mai aufgehoben und durch Freiwilligkeit ersetzt werden soll. Entsprechende Tweets setzte er auf der Social-Media-Plattform Twitter auch in der Nacht und am Morgen ab.
Lauterbach begründete sein Umdenken damit, dass Freiwilligkeit in Anbetracht der weiterhin hohen Zahlen „psychologisch das falsche Signal“gewesen wäre. Der Plan sei zwar mit dem Robert-Koch-Institut abgesprochen gewesen und hätte zu einer Entlastung der Gesundheitsämter geführt. Aber man hätte die
Entscheidung so verstehen können, dass die Bundesregierung in Covid „nur noch eine Erkältung oder eine Grippe“sehe. Dies sein ein „kommunikativer Fehler“gewesen, für den er verantwortlich sei.
Lauterbach wies Vermutungen zurück, er sei von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Kursänderung gedrängt worden. Scholz hatte am Dienstagabend an einer Fraktionssitzung teilgenommen, bei der SPDAbgeordnete
den ursprünglichen Lauterbach-Plan heftig kritisiert hatten. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller twitterte am Tag darauf: „Ach guck. Was so eine laute und emotionale Sitzung alles bewirken kann.“Die Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe, verneinte der Minister.
Unter anderem von der Union kamen massive Vorwürfe wegen der jähen Richtungsänderung. „Hoffentlich lernt Karl Lauterbach endlich dazu: Mit dem Zickzackkurs bei Corona muss jetzt Schluss sein!“, twitterte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). CDU-Chef Friedrich Merz warf dem Minister „kurzatmiges Regieren“vor.
Aus den Reihen der Union wurde Lauterbach auch als „Talkshow-Minister“tituliert. Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) fragte: „Ist der Ministerposten eine Gewichtsklasse über ihm?“
Kritik am konfusen Agieren Lauterbachs kam aber auch aus den Ländern. Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) sprach von irritierender Wankelmütigkeit. „So etwas darf nicht passieren.“
In Baden-Württemberg reagierte man ebenfalls verschnupft: „Wir nehmen die kurzfristige Volte des Bundesgesundheitsministers, von der wir via Talkshow und Twitter erfahren haben, zur Kenntnis“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch.
Nun soll ein neuer Vorschlag an die Bundesländer gehen, wie Lauterbach sagte. Anders als bisher werde Quarantäne bei Kontaktpersonen nicht mehr angeordnet – sie sollen Kontakte künftig freiwillig vermeiden. Das solle die Gesundheitsämter entlasten. Bei Infizierten aber sollen fünf Tage Isolation vorgesehen werden – wie bisher samt Anordnung vom Amt.