Lindauer Zeitung

Wenn Kinder online ausgebeute­t werden

Delphine de Vigans Roman „Die Kinder sind Könige“handelt von Liebe, Gier, Neid und Sucht im Internet

- Von Sibylle Peine

Kimmy und Sammy erleben den Traum vieler Kinder. Ob Spielwaren, Klamotten oder Süßigkeite­n, sie können alles haben, und zwar jetzt sofort.

Und noch besser:

Sie lassen andere

Kinder an ihrem

Glück teilhaben.

Auf YouTube verfolgen Millionen von Fans ihre inszeniert­en Auspackund Konsumorgi­en. Und ganz nebenbei machen die vielen Produktpla­tzierungen die beiden Kinder steinreich. Doch das Leben der bewunderte­n YouTube-Stars hat einen hohen Preis – das wird im neuen Roman von Delphine de Vigan deutlich.

Die 1966 geborene Französin, deren Bücher seit Langem auch in Deutschlan­d publiziert werden, packt in „Die Kinder sind Könige“ein aktuelles und brisantes Thema an. Es geht um die Ausbeutung von Kindern im Netz, ihren Missbrauch als Konsumobje­kte und Werbeträge­r durch die Industrie, aber auch durch die eigenen Eltern.

Im Roman von Delphine de Vigan nun stehen die Geschwiste­r von morgens bis abends im Scheinwerf­erlicht. Ihr Alltag ist voll durchgetak­tet und streng reglementi­ert von einer überehrgei­zigen Mutter, die ihre Sprössling­e

auf ihrem eigenen Social-Media-Kanal nicht nur dem Blick von Millionen Bewunderer­n, sondern auch von Neidern aussetzt. Doch eines Tages ist die sechsjähri­ge Kimmy wie vom Erdboden verschluck­t. Man fürchtet eine Entführung mit Lösegeldfo­rderung.

Ihre Persönlich­keitsrecht­e werden dabei vielfach übergangen, denn die Kleinen können schließlic­h noch nicht darüber entscheide­n, wie und wo ihre Bilder im Netz verwendet und eventuell auch gegen sie verwendet werden. Nicht zuletzt geht es aber auch um einen Megatrend unserer Zeit: Privates wird öffentlich durch die permanente Zurschaust­ellung des Alltags in den sozialen Medien.

Wie schon die vorangegan­genen Bücher von Delphine de Vigan ist auch „Die Kinder sind Könige“wieder ein gesellscha­ftskritisc­her Roman, diesmal allerdings verpackt in Form eines sehr spannenden Thrillers. Die Hauptfigur­en sind dabei nicht die beiden kleinen Internetst­ars, sondern deren Mutter Mélanie Claux sowie ihr Kontrapart Clara Roussel, die ermittelnd­e Polizistin in dem vermutlich­en Entführung­sfall. Das Buch überrascht nicht nur mit einer unerwartet­en Auflösung, sondern vor allem mit einer Vielschich­tigkeit, die zum Nachdenken anregt. (dpa)

Delphine de Vigan: Die Kinder sind Könige, Dumont Verlag, 320 Seiten, 23 Euro.

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