Ein russisch-ukrainischer Künstler im Kriegsgebiet
Aljoscha macht mit seinen „Bioismen“den Zurückgebliebenen in seiner Heimat Mut
(dpa) - Aljoscha wollte nicht hilflos zusehen, wie seine ukrainische Heimat von russischen Truppen angegriffen wird. Also setzte sich der in Düsseldorf lebende Künstler mit seiner Frau Natascha und 24 pink- und gelbfarbenen filigranen Objekten ins Auto. Von West nach Ost fuhren Aljoscha und Natascha in den vergangenen Wochen durch ihre gemeinsame Heimat, in der sie geboren wurden und in die Ende Februar russische Truppen einmarschierten. Für Aljoscha ist es eine zwiespältige Reise: Sein Vater ist Russe, seine Mutter Ukrainerin. „Ich bin überzeugter Pazifist“, sagt der 47-jährige Familienvater. „Und unser Projekt heißt ,Hoffnung’.“
Nicht die Einschlagorte von Raketen und Bomben suchte Aljoscha in der Ukraine auf, sondern Orte, die auch in Friedenszeiten oft abseits der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit liegen. Dorthin brachte der Künstler, der mit richtigem Namen Alexej Potupin heißt, seine kristallinen Stachelwesen aus Draht und Acrylfarbe, die er „Bioismen“nennt.
In entlegenste Orte bei Winnyzja, Odessa, Kiew, Schytomyr oder Poltawa transportierte Aljoscha seine fröhlich-bunten Objekte. Er hängte sie an Decken in Pflegeheimen und Internaten für Kinder mit Behinderungen, in Häuser für ehemalige Häftlinge oder für alte Menschen. Viele Heime waren wegen des Krieges schon evakuiert. Zurück blieben die Lehrer und Lehrerinnen und die Direktoren. Er konzentriere sich auf „die Randerscheinungen des Lebens, da wo die Leute vergessen werden und trotzdem Menschen sind“, sagt der Künstler.
Aljoscha hat im Westen den Durchbruch als Künstler geschafft. Mit subversivem Humor platzierte er seine „Bioismen“anfangs noch auf
Plätzen, Denkmälern und sogar in Wursttheken. Inzwischen stellt er die abstrakten Stachelobjekte in monumentaler Größe in den USA, Spanien, Deutschland und anderen Ländern aus.
Kann Kunst etwas zur Lösung des Konflikts beitragen? „Wahrscheinlich nicht“, sagt Aljoscha. Zuerst hätten die Lehrer auch ungläubig geschaut, als der unbekannte Überraschungsbesucher mit den seltsamen Objekten ankam. Dann hätten sich die Gesichter aufgehellt, die Lehrer fingen an, Scherze zu machen, liefen durch die Heime und überlegten, wo die bunten Kunstwerke aufgehängt werden könnten. „Sie wollten reden, erzählen“, sagte Aljoscha.
Aber nicht immer wurde der Künstler mit offenen Armen empfangen. Bei Winnyzja etwa wollte der misstrauische Leiter eines Heimes Aljoschas Pass sehen. Später auf der Autobahn stoppte schwerbewaffnete Polizei das Auto des Künstlers und nahm ihn fest. Stundenlang verhörte ihn der ukrainische Geheimdienst.
Aljoscha studierte in Charkiw, das seit Wochen von russischen Truppen bombardiert wird. Seine Freunde leben im belagerten Isjum. Seine Schwester arbeitet als Krankenschwester in einer gynäkologischen Station, in der Babys bei Sirenenalarm das Licht der Welt erblicken.
Schon 2014 hatte Aljoscha seine „Bioismen“bei den Protesten auf dem Kiewer Maidanplatz gegen die damalige moskautreue Regierung für eine Kunstaktion an den Barrikaden benutzt. Hegt er Hassgefühle gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der erst die Krim annektierte und jetzt einen zerstörerischen Krieg gegen das Nachbarland begann? „Putin macht mich einfach traurig“, sagt Aljoscha. Der Kremlchef ist für ihn ein Diktator, und Putins Vasallen seien die Oligarchen.