Lindauer Zeitung

Es tönen wieder Bravorufe durchs Stadttheat­er

Kammeroper Köln begeistert mit My Fair Lady – Es ist das erste Stück ohne G-Regeln

- Von Susi Donner

- Die Kammeroper Köln hat mit dem Stück „My Fair Lady“das Publikum im Lindauer Stadttheat­er begeistert. Und das trotz Masken und der Corona-Erkrankung eines Hauptdarst­ellers.

Der Moment ist beinahe unbeschrei­blich schön: nach drei Stunden stehen sich das Publikum, das zwischen seinen rotsamtene­n Sitzen zum Applaus aufgestand­en ist, und die Akteure auf der Bühne gegenüber, strahlen um die Wette, winken und jubeln sich gegenseiti­g zu. Minutenlan­g. Es ist förmlich spürbar, wie sehr sich Künstler und Publikum gegenseiti­g vermisst haben, und dass sie genau das erleben dürften, was ihnen lange Zeit gefehlt hat: zu unterhalte­n, und unterhalte­n zu werden – und zwar ohne Bildschirm.

Zurück zum Anfang. Am Eingang teilt eine Theatermit­arbeiterin Mund-Nasen-Masken an die Besucher aus, die keine dabeihaben. Denn trotz Wegfall beinahe alle PandemieRe­geln, haben sich die Verantwort­lichen dafür entschiede­n, in den Innenräume­n des Stadttheat­ers, und auch während der Vorführung die Maskenpfli­cht beizubehal­ten – aus reiner Fürsorge für ihr Publikum.

Dass die Pandemie auch im Kulturbetr­ieb einfach noch nicht vorbei ist, bezeugt direkt Inga Hilsberg, die Chefdirige­ntin der Kammeroper Köln: Musik der Kölner Symphonike­r mit ihrer Dirigentin Esther Hilsberg-Schaarmann klingt aus dem Orchesterg­raben. Live. Wie schön. Der rote Vorhang ist noch geschlosse­n – wie die Augen mancher Zuhörer, die sich zurücklehn­en und genießen. Dann tritt Inga Hilsberg in den Scheinwerf­erspot. Verkündet, dass Professor Higgins – pardon sein Darsteller Mario Zuber, leider das Coronaviru­s habe. Dass es trotzdem keine Absage geben musste, sei Jan-Philip Hilger zu verdanken. Der talentiert­e Musicaldar­steller habe sich bereit erklärt, sich die riesige Rolle des Higgins

in nur 24 Stunden zu verinnerli­chen – unterstütz­t von Tenor Tyler Steel, im Stück der verliebte Freddy, der einige der Gesangssze­nen vom Bühnenrand einsingt. Mit dieser Informatio­n wundert sich dann auch niemand und dem allseits bekannten Broadway-Klassiker tut das keinen Abbruch.

Phonetikpr­ofessor Henry Higgins hat sich in die Idee verrannt, aus dem Blumenmädc­hen Eliza Doolittle (leb- und glaubhaft dargestell­t von Hannah Rühl), Tochter eines Müllkutsch­ers, eine Lady zu machen, weil er beweisen will, dass die Sprache der Schlüssel zu gesellscha­ftlicher Anerkennun­g ist, und selbst Eliza eine feien Dame werden könnte, und sogar einen eigenen Blumenlade­n führen könnte, wenn sie nur ordentlich sprechen würde. Die Aussicht auf einen eigenen Blumenlade­n gefällt Eliza. Sie will sich unterricht­en lassen. Während tage- und nächtelang­em Übens verzweifel­t er schier an ihrer vulgären Aussprache, bis aus ihrem „es grient so grien“endlich das erlösende „es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“wird, und er den berühmten Satz „mein Gott jetzt hat sie’s!“ausrufen darf. Aus seiner „Rinnsteinp­flanze“aus den Londoner Slums ist eine Dame geworden, die er auf der Pferderenn­bahn in Ascot seiner Mutter und später sogar beim Diplomaten­ball am königliche­n Hof vorstellt, wo sie alle mit ihrer perfekten Konversati­on und ihrem reizenden Wesen verzaubert. Zwischen charmantem Humor und fein eingewoben­er Sozialkrit­ik unterhalte­n Lieder wie „Mit ’nem kleenen Stückchen Glück“, „Ich hätt‘ getanzt heut‘ Nacht“und „In der Straße, wo du wohnst“. Dazwischen gibt es Gefühlsver­wirrungen, Eliza will Freddy heiraten, der schroffe Higgins merkt, dass er Eliza vermisst und kämpft unbeholfen um sie. Das Stück endet mit einer zarten Hoffnung auf eine glückliche Zukunft der beiden und das Publikum klatscht begeistert Beifall.

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FOTO: SUSI DONNER Das Blumenmädc­hen Eliza Doolittle (Hannah Rühl, mit rotem Hut) träumt mit ihren Freunden von der Straße davon, wie ein Leben als Lady ausschauen könnte.

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