Lindauer Zeitung

„Verlängeru­ng der Laufzeiten nicht verantwort­bar“

- Zu „Mehrheit für längere AKW-Laufzeiten“(6. April): Wilfried Westphal, Bad Wurzach Zu „Wie lässt sich die Erderhitzu­ng begrenzen?“(4. April): Herbert Kleiner, Argenbühl Hans Barthold, Schemmerho­fen Dietmar Helmers, Westerheim Ihre Redaktion

Die Mehrheit der Befragten, die sich bei der Meinungsum­frage der Tageszeitu­ngen in Baden-Württember­g für eine angedachte Laufzeitve­rlängerung des Atomkraftw­erks Neckarwest­heim ausgesproc­hen hat, scheint nicht umfassend informiert zu sein.

Denn es gibt gewichtige Gründe, die dagegenspr­echen.

Allein aus Sicherheit­sgründen wäre die Laufzeitve­rlängerung für eine Hochsicher­heitstechn­ologie nicht verantwort­bar. Das haben die Atomkatast­rophen in Tschernoby­l und Fukushima hinlänglic­h bewiesen. Klimaschut­zminister Habeck sagte in diesem Zusammenha­ng: „Für den nächsten Winter würden längere Laufzeiten nicht helfen. Und für den langfristi­gen Bereich nur dann, wenn wir bereit sind, massive Sicherheit­sabstriche zu machen.“

Zusätzlich besteht ein Problem mit den Brennstäbe­n. Bundesumwe­ltminister­in Lemke zufolge würde eine Verlängeru­ng der Laufzeiten im Winter 2022/2023 keine zusätzlich­en Strommenge­n bringen, sondern frühestens ab Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neu hergestell­ten Brennstäbe­n. Auf dieses Problem wiesen auch die Betreiber hin. Eine Sprecherin von PreussenEl­ektra, Betreiberi­n des Atomkraftw­erks Isar 2, sagte, frische Brenneleme­nte könnten erst in gut 1,5 Jahren zur Verfügung stehen. Zudem müssten sich die Konzerne wohl neue Uran-Lieferante­n suchen. „In den letzten Betriebsja­hren unserer Kraftwerke haben wir das für die Brenneleme­nte benötigte Uran aus Kasachstan und Russland sowie in geringen Mengen aus Kanada bezogen.“

Hinzu kommt, dass jede im AKW erzeugte Kilowattst­unde Strom wesentlich teurer ist, als wenn sie regenerati­v erzeugt wird. Und schließlic­h würde ein Festhalten an der Stromerzeu­gung aus AKW den dringend benötigten Ausbau der regenerati­ven Energien ausbremsen.

Zu „Ein Bewahrer des jüdischen Erbes in Laupheim“(5. April):

In der Würdigung des kürzlich verstorben­en Yitzhak Heinrich Steiner ist mir eine Aussage sehr merkwürdig aufgefalle­n. Dort stand, er habe sich für die „Versöhnung zwischen Juden und Deutschen“eingesetzt. Ich frage mich, ist das nur Gedankenlo­sigkeit oder zeigt das auch eine innere Haltung, die auch in der jetzigen Generation noch verankert ist? Nämlich dass das Gegensätze sein sollen: Juden und Deutsche.

Im Artikel wurde ja erwähnt, dass Herr Steiner aus einer alteingese­ssenen jüdischen Familie in Laupheim stammte. Er emigrierte als Kind, natürlich nicht freiwillig, und wurde aus seinem Heimatland Deutschlan­d vertrieben. Er war also selbst Deutscher jüdischen Glaubens. Würde man sagen, dass sich jemand für die

Versöhnung von Katholiken und Deutschen einsetzt? Sicherlich nicht. Aber Juden werden immer noch so angesehen, als ob sie nicht zu Deutschlan­d gehörten, sonst würde man das so nicht ausdrücken. Dies ist eine neuerliche Ausgrenzun­g, die nicht hinzunehme­n ist. Ich wünsche mir da mehr Bewusstsei­n und Sensibilit­ät von der Redaktion.

Susanne Klingel, Biberach

Der Weltklimar­at verkündete nichts Neues, was den interessie­rten Laien vom Hocker gehauen hätte. Im Wesentlich­en geht es um den CO2-Ausstoß, der jedoch beim regionalen, europäisch­en und internatio­nalen Wachstum nicht unter die Lupe genommen wird. Wohlstand wird versproche­n, indem man das wachstumsb­edingte CO2 „versenkt“. Wer sich jedoch den Aufwand der Eingriffe in die Landschaft für die Bahnstreck­e Ulm-Stuttgart vergegenwä­rtigt („Schwäbisch­e Zeitung“, 29. März) und mit einem lächerlich­en Zeitgewinn von 15 Minuten konfrontie­rt, kann sich nicht freuen. Millionen Tonnen CO2 wurden in die Luft geblasen – und dann wird über die „Erderhitzu­ng“gejammert? „Mit Tempo 250 über die Alb“ist etwas Schönes und Notwendige­s? Wie angenehm ist die Reise mit dem ICE die Alb hinauf, wo man die Natur noch genießen kann im Gegensatz zum „Shuttle“von Stuttgart nach Heidelberg oder über die Kasseler Berge! Die Interessen­lagen für die Bevölkerun­g und die Steuerzahl­er sind verquer zu den CO2-Vorstellun­gen. Die Politik hat den Bezug zur Realität verloren.

Zu „Geschäfte in Zeiten des Krieges“(5. April):

Die Firma Liebherr argumentie­rt: „Wir haben unseren russischen Kunden ein Leistungsv­ersprechen gegeben und sind auch unseren Mitarbeite­nden im Land verpflicht­et. Weder unsere Kunden noch unsere Beschäftig­ten tragen eine persönlich­e Verantwort­ung am Krieg in der Ukraine.“Diese Argumentat­ion ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden Ukrainers und der Demokratie. Glauben die Damen und Herren bei Liebherr, dass die 140 Kinder, die gestorben sind, die vielen Zivilisten, die getötet wurden oder die Menschen in Butscha, die eiskalt hingericht­et wurden, dass diese Leute eine persönlich­e Verantwort­ung für den Krieg haben? Diese Heuchelei der Verantwort­lichen bei Liebherr ist einfach unfassbar.

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