Kanzler Scholz muss liefern
Man kann der Ampel nicht vorwerfen, dass kurz nach Regierungsbeginn ein Krieg in Europa ausgebrochen ist. Nicht mal 100 Tage nach dem hoffnungsvollen Start der selbsternannten Fortschrittskoalition war ihr Koalitionsvertrag Makulatur. Zur großen Überraschung vieler gelang es Kanzler Olaf Scholz, adäquat auf die Zeitenwende zu reagieren: 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, zwei Prozent des Haushalts für die Verteidigung. Seitdem aber fragt man sich: Kommt da noch was?
Auch seine Koalition gibt in der Krise kein gutes Bild ab. Vor allem die SPD-Minister scheinen überfordert zu sein: Corona-Manager Karl Lauterbach stolpert von Panne zu Panne, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht verzögert Waffenlieferungen an die Ukraine, Innenministerin Nancy Faeser reagierte spät auf die ukrainischen Geflüchteten. Fast schon ironisch, dass nun ausgerechnet die Grünen mit Familienministerin Anne Spiegel den ersten Rücktritt verzeichnen müssen.
Der dürfte die Stimmung im Dreiecksverhältnis nicht verbessern, ist die Luft in der Ampel angesichts liberaler Tankrabatt-Vorstöße und SPD-Durchstechereien zuletzt eh dicker geworden. Mit jeder ideologischen Verrenkung, die die Grünen in Sachen Waffenlieferungen oder Autokraten-Gas hinlegen, steigt der Verdruss über die FDP, die in Sachen Tempolimit, Corona oder Schuldenbremse doch auch mal über den eigenen Schatten springen möge.
Der Union sind die offenen Flanken nicht verborgen geblieben. Bei der Impfpflicht fügte sie Scholz und der Ampel eine erste Niederlage zu. Und CDU-Chef Friedrich Merz macht so weiter: Keine Stimme mehr als nötig werde es aus der Union fürs Sondervermögen geben. Heißt: Es reichen ein paar Abweichler bei Grünen oder SPD, um die „Zeitenwende“bei der Bundeswehr zu beerdigen.
Für die Ampel ist es deswegen wichtiger denn je, die Reihen zu schließen. Woran es fehlt, haben Grüne und FDP bereits zum Ausdruck gebracht: Führung. Scholz, der genau die zu liefern versprochen hat, sollte das als Bestellung auffassen.