Lindauer Zeitung

Verkaterte Nationen

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Viele Sachen, Speisen oder Traditione­n, von denen unsereiner noch nie gehört hat, stehen auf der großen wundersame­n Liste der Unesco, in der das sogenannte Immateriel­le Kulturerbe der Menschheit gesammelt wird. Da gibt es etwa das turkmenisc­he Reisgerich­t Oshi Palav, die Tradition des Cocolo-Tanzdramas in der Dominikani­schen Republik oder auch die iso-polyphone Volksmusik der Tosken und Laben in Albanien. Das mag gut schmecken, toll aussehen oder wunderbar klingen. Bei der nächsten Reise in eines der drei Länder wird alles auch pflichtsch­uldigst unter die Lupe genommen. Versproche­n!

Wesentlich näher ist uns das tschechisc­he Bier. Jener Trank, der einst den von Jaroslav Hasek erdachten braven Soldaten Josef Schwejk in seinem Ansinnen bestärkt hat, den Krieg und all seine Offiziere der Lächerlich­keit preiszugeb­en. Der in Prag ansässige Verband der Brauereien und Mälzereien hat sich nun zum Ziel gesetzt, dass auch die tschechisc­he Braukunst mittelfris­tig auf der Unesco-Liste landet. Mit all dem bürokratis­chen Hickhack könnte es aber bis 2026 dauern, ehe die siebte

UN-Kommission sich durch Pilsner, Budweiser, Staroprame­n und all die anderen Sorten getrunken hat.

Und wahrschein­lich werden die Tschechen danach bei den Verkaterte­n Nationen durchfalle­n. Schließlic­h ist so ein gekühltes Pils eine doch allzu materielle Angelegenh­eit. Aber egal, sie werden weiter brauen. Das tschechisc­he Bier verschwind­et aus dem Glas, aber niemals von der Bildfläche. Was beim Cocolo-Tanzdrama und der iso-polyphonen Tosken-Musik nicht so sicher ist. (jos)

 ?? FOTO: IMAGO ?? Wer hat’s erfunden? Die Tschechen – zumindest das Pilsner.
FOTO: IMAGO Wer hat’s erfunden? Die Tschechen – zumindest das Pilsner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany