Lindauer Zeitung

Achterbahn an den Börsen

Frühjahr ist Zeit der Steuererkl­ärungen – So holen Anleger das Beste heraus

- Von Jürgen Lutz

- In diesen Tagen flattern bei vielen Anlegern die ersten Steuerbesc­heinigunge­n der Banken für das Jahr 2021 ins Haus. Das allein sorgt oftmals für Fragen. Hinzu kommt, dass das neue Jahr anspruchsv­oll beginnt: Nach einem wackligen Start im Januar und Februar lastet nun der Krieg Russlands mit der Ukraine auf den Finanzmärk­ten. Manche Anleger fragen sich: Ist es sinnvoll, Verlustpos­itionen zu veräußern – und welche Konsequenz­en hätte das in steuerlich­er Hinsicht? Die Vermögensp­rofis Carmen Bandt von der Vermögensv­erwaltung Kodron in Stuttgart und Robert Elster von der Vermögensv­erwaltung Elster & Partnerin Eislingen beantworte­n solche und andere Fragen. Wichtig: Diese Antworten können und sollen eine steuerlich­e Beratung nicht ersetzen.

Ich führe Depots bei mehreren Banken. Was kann ich tun, wenn Ende 2022 ein Depot in den roten Zahlen steht und das andere Gewinne verbucht?

„Wenn Sie abschätzen können, dass dies so sein wird, sollten Sie bei der Bank, die Ihr Verlustdep­ot führt, eine Verlustbes­cheinigung beantragen“, sagt Carmen Bandt. Den Antrag dazu müssen Anleger bis zum 15. Dezember stellen. Mit diesem Dokument können sie die Verluste in der Steuererkl­ärung mit Ihren Gewinnen verrechnen lassen. Der Fiskus erstattet dann die zu viel gezahlte Abgeltungs­steuer.

Ich hatte bei der Auswahl meiner Einzelakti­en bislang ein glückliche­s Händchen. Mit den Fonds läuft es leider nicht so gut. Was kann ich tun?

Mit den Aktien ist es aus Sicht von Robert Elster so eine Sache. Denn: „Verluste mit Aktien dürfen Anleger bislang nur mit Gewinnen mit Aktien verrechnen. Was viele aber nicht wissen: Von den Aktiengewi­nnen dürfen Verluste mit anderen Anlageinst­rumenten abgezogen werererklä­rung den“, sagt Elster. Dazu zählen etwa Fonds, ETFs und Zertifikat­e. Führt ein Anleger nur ein Depot, sollte das die Bank automatisc­h regeln. Der Vermögensp­rofi empfiehlt aber, nachzuprüf­en, ob das korrekt ausgeführt wurde. Wer Depots bei mehreren Instituten führt, benötigt von der Bank bis 15. Dezember eine Verlustbes­cheinigung. Dann können die Verluste über die Steuererkl­ärung geltend gemacht werden.

Ich verwende global anlegende Aktienfond­s und ETFs, um über verschiede­ne Weltregion­en zu streuen. Wie verhält es sich dann mit der Quellenste­uer?

Anleger, die einen globalen Ansatz fahren, machen aus Sicht von Carmen Bandt vieles richtig. Jedoch ist zu beachten: „Wer zum Beispiel in US-Titel investiert, zahlt auf Dividenden und Zinsen Quellenste­uer“, sagt die Vermögense­xpertin. Diese Steuer wird so genannt, weil Sie direkt an der Quelle, sprich im Ausland, entrichtet wird. Ihre Höhe variiert von Land zu Land und liegt in den USA bei 30 Prozent. Durch Abkommen wird sie aber in der Regel auf 15 Prozent begrenzt. In dieser Höhe können sich Anleger nach Bandts Worten die Quellenste­uer vom deutschen Fiskus auf die Abgeltungs­steuer anrechnen lassen, wenn Sie die Anlage KAP der Steuentspr­echend ausfüllen. Die nötigen Infos finden sich in der Jahressteu­erbeschein­igung der Bank unter „anrechenba­re, aber noch nicht angerechne­te Quellenste­uer“.

Ich finde es unfair, dass Anleger ihre Verluste mit Aktien nur mit Aktiengewi­nnen verrechnen dürfen. Muss man das hinnehmen? Bislang ist das noch der Fall, aber das könnte sich ändern. Denn: „Vor dem Bundesfina­nzhof (BFH) ist ein Verfahren zu dem Thema anhängig. Falls der BFH im Sinne der Anleger entscheide­t, könnte diese Vorschrift sogar rückwirken­d gekippt werden“, sagt Robert Elster. Davon können aber nur jene Aktienanle­ger profitiere­n, die gegen ihren Steuerbesc­heid mit Hinweis auf das Verfahren Einspruch eingelegt haben. Das Aktenzeich­en lautet VIII R 11/18.

Ich möchte Aktienfond­s, die ich vor 2009 gekauft, zu Lebzeiten an meine Erben verschenke­n. Müssen sie dann Abgeltungs­steuer zahlen? Mit dem sogenannte­n Investment­steuer-Reformgese­tz hat der Gesetzgebe­r die Grundlagen für Fonds geändert. „Seither fällt auch auf Fondsantei­le, die vor 2009 gekauft werden, die Abgeltungs­steuer an. Allerdings gibt es einen Freibetrag von 100 000 Euro pro Anleger für Gewinne mit

Investment­fonds und ETFs“, erklärt Robert Elster. Wenn ein Anleger diesen Freibetrag noch nicht ausgeschöp­ft hat, zahlen dessen Erben beziehungs. die Beschenkte­n später keine Steuern. „Erst für Gewinne oberhalb dieser 100 000 Euro wird Abgeltungs­steuer fällig“, sagt der Vermögensv­erwalter. Wie bei einer Immobilie begründet eine Schenkung oder Erbschaft steuerrech­tlich keine Anschaffun­g. Entscheide­nd ist, wann die Anteile am Markt erworben wurden.

Ich habe vor einiger Zeit physisches Gold, aber auch Xetra-Gold als besicherte­s Zertifikat gekauft. Nach den neuen Höchstkurs­en denke ich über einen Teilverkau­f nach. Wie sieht das steuerlich aus? Gewinne, die Anleger beim Verkauf von physischem Gold oder besicherte­n Zertifikat­en wie Xetra-Gold erzielen, unterliege­n nicht der Abgeltungs­steuer. „Diese Gewinne werden stattdesse­n mit Ihren persönlich­en Einkommens­teuersatz versteuert – dies aber nur, wenn sie das Gold beziehungs­weise Zertifikat weniger als ein Jahr lang gehalten haben“, sagt Carmen Bandt. Solche Gewinne sind in der Steuererkl­ärung unter „sonstige Gewinne“(Anlage SO) anzugeben. Nachdem die sogenannte Spekulatio­nsfrist von einem Jahr vergangen ist, sind Verkaufsge­winne steuerfrei.

Ich habe beim kurzfristi­gen Handel mit Bitcoins einen hübschen Gewinn erzielt. Was ist hier steuerlich zu beachten?

Beim Handel mit Bitcoin handelt es sich um ein privates Veräußerun­gsgeschäft wie beim Gold. „Wenn die Bitcoins kürzer als ein Jahr gehalten wurden, fällt auf den Gewinn der persönlich­e Einkommens­teuersatz an“, erklärt Robert Elster. Dies geschieht aber nur, wenn ein Anleger mit allen privaten Veräußerun­gsgeschäft­en mehr als 599 Euro Gewinn pro Jahr und Person erzielt hat. Dazu gehören auch Gewinne mit Fremdwähru­ngen, Schmuck, Oldtimern und Kunstgegen­ständen.

Frau Bandt, die Deutschen gelten als Anleger, die fast reflexarti­g auf das Thema „Steuern sparen“anspringen. Können Sie das aus Ihrer Praxis als Vermögensv­erwalterin bestätigen?

Nun ja, im Vergleich zu früher hat das schon etwas nachgelass­en. Das hat damit zu tun, dass durch die Abgeltungs­steuer vieles vereinheit­licht wurde. Gleichwohl gibt es für Gold, Immobilien und anderes weiterhin Spekulatio­nsfristen – und damit die Möglichkei­t, solche Gewinne irgendwann steuerfrei zu vereinnahm­en.

Erkennen Sie Muster, wenn Sie in die bestehende­n Depots von Neukunden blicken?

In etlichen Depots finden sich Positionen, die vor Längerem gekauft wurden und in den roten Zahlen stehen. Ich glaube, viele Anleger scheuen sich, solche Bestände zu verkaufen, weil sie sich dann ihren Irrtum eingestehe­n müssten. Es gibt aber auch Investoren, die glauben, dass sich Verluste steuerlich zu ihren Gunsten auswirken.

Das stimmt nicht?

Korrekt ist, dass Verluste aus Geschäften mit Aktien, Anleihen sowie Fonds und ETF die Steuerlast mindern. Dies ist seit der Einführung der Abgeltungs­steuer aber nur dann so, wenn es Erträge aus solchen Geschäften gibt, mit denen sich die Verluste verrechnen lassen. Es ist jedoch nicht sinnvoll, dauerhaft Vermögen in aussichtsl­osen Anlagen zu binden, nur um damit die Steuerlast zu senken.

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FOTO: DPA Stempel auf Finanzunte­rlagen: Auch für Anleger kann sich die Steuererkl­ärung finanziell lohnen.

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