Osterlämmer in Gefahr
Warum in diesen Tagen in vielen Supermärkten die Mehl-Regale leer sind
- Wer in diesen Tagen durch den Supermarkt oder den Discounter läuft, um sich mit Mehl einzudecken, aus dem dann der Hefezopf oder der Osterhase für die Feiertage gebacken werden soll, wird häufig enttäuscht werden. Viele Regale sind leer. Woran liegt das und ist in absehbarer Zeit eine Verbesserung der Lage zu erwarten? „Das Problem ist das Hamstern“, sagt Peter Haarbeck, Geschäftsführer des Verbandes der Getreide-, Mühlenund Stärkewirtschaft (VGMS) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. In Deutschland würden etwa 8,3 Millionen Tonnen Weizen, Roggen und Dinkel pro Jahr zu Mehl verarbeitet, 95 Prozent des Getreides kämen aus Deutschland.
Aus einer Tonne Brotgetreide könne man rund 800 Kilogramm Mehl produzieren, insgesamt stehen Deutschland damit also 6,8 Millionen Tonnen Mehl zur Verfügung. „Davon werden nur fünf Prozent im Supermarkt in den handelsüblichen Haushaltsverpackungen abgesetzt“, sagt Haarbeck. Getreide und Mehl seien in ausreichender Menge vorhanden. „Der Engpass, den wir in der Mühle haben, entsteht an den Verpackungsmaschinen, die das Mehl in die EinKilogramm-Packung abfüllen – und die laufen derzeit auf 100 Prozent, rund um die Uhr“, sagt Haarbeck. Genauso würden die Logistik und der Transport bis in den Supermarkt an ihren Kapazitätsgrenzen laufen.
Auch Martin Banse, Leiter des Instituts für Marktanalyse beim Thünen-Institut, betont: „Die Versorgungssituation auf den Getreidemärkten ist gut und sicher.“In
Deutschland werde es auch im kommenden Jahr genug Getreide zum Essen und Verfüttern an die Tiere geben. „Der derzeitige Run auf Mehl ist nur durch Hamsterkäufe und angstgeleitetes Verhalten der Verbraucher zu erklären“, sagt der Experte. Bei Weichweizen habe Deutschland einen Versorgungsgrad von mehr als 120 Prozent. Das bedeutet, dass hierzulande deutlich mehr produziert als konsumiert wird.
Sorgen macht sich Banse dafür im globalen Kontext. „Der Blick über den Tellerrand ist notwendig. Wir erleben nach zuletzt großen Fortschritten eine Rückkehr des Welthungers“, sagte der Forscher des Thünen-Instituts. Die Weizen-Lagerbestände in den Hauptexportländern befänden sich auf einem alarmierend niedrigen Niveau.
Sebastian Hess, Leiter des Fachgebiets Agrarmärkte an der Universität Hohenheim, mahnt beim Einkauf zu etwas mehr Weitsicht. „Da die europäischen Lieferketten für Nahrungsmittel aktuell unter erheblichem Stress stehen, beobachte ich die Hamsterkäufe bei Mehl mit wachsender Sorge“, sagt Hess. Er gibt allerdings zu bedenken, dass der Kauf von großen Mengen Mehl nicht zwingend egoistische Gründe haben muss: „Ein Teil wird möglicherweise von Privatpersonen in kleinen Mengen für privat organisierte Hilfslieferungen zum Versand in die Ukraine gekauft.“
Für Deutschland gibt Haarbeck vom VGMS jedenfalls für die nahe Zukunft Entwarnung: „Wir gehen davon aus, dass die Regale nach Ostern wieder voll sein werden.“