Wachstum trotz Halbleitermangel
Autozulieferer Marquardt aus Rietheim-Weilheim kämpft gleich gegen drei Herausforderungen an – Plus bei Umsatz und Gewinn in 2021
- Es ist nicht eines, sondern es sind gleich drei Probleme, die den Mechatronikspezialisten Marquardt aus RietheimWeilheim (Landkreis Tuttlingen) derzeit umtreiben. Marquardt liefert seine Produkte vor allem an die Automobilindustrie. Dem Unternehmen macht dabei die weiter anhaltende Knappheit bei Halbleitern zu schaffen, ebenso wie die Null-CovidPolitik in China. Nun kommen noch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs hinzu.
Auf die Knappheit bei Halbleitern hatte sich das Unternehmen bereits eingestellt, sagt Unternehmenschef Harald Marquardt der „Schwäbischen Zeitung“anlässlich der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das Jahr 2021. Denn das Thema prägt die Autobranche bereits seit Längerem und wird sie laut Marquardt auch bis in das Jahr 2023 hinein beeinflussen. „Die Nachfrage nach Halbleitern ist einfach deutlich größerer als das Angebot. Und das Angebot kann nicht schnell genug nachziehen“, weil es etwa drei Jahre dauere, eine Halbleiterfabrik
zu planen und zu bauen. Bei Marquardt kommen die Chips in nahezu jedem Produkt des Unternehmens zum Einsatz: angefangen vom Zündschlüssel über Touchpads, Lenkradschalter und Sensoren bis hin zu Batteriemanagementsystemen.
Weniger vorhersehbar war für Marquardt die Null-Covid-Politik in China, an der die Volksrepublik bis heute vehement festhält. Das sei ein „nicht adäquater Umgang“mit dem Virus. In großen Städten wie Shanghai, wo auch Marquardt einen Standort betreibt, würden wegen Inzidenzen, die kleiner sind als im Landkreis Tuttlingen, Unternehmen stillgelegt und Lockdowns verhängt. „Wenn der Zu- und Abgang von Waren über die dortigen Häfen und Logistikumschlagplätze dadurch nicht mehr gewährleistet ist, dann kommt das ganze Geschäft zum Erliegen“, sagt Marquardt. Das Problem sei hierzulande noch viel zu wenig thematisiert.
Die Auswirkungen des UkraineKrieges spürt das Unternehmen aus Rietheim-Weilheim außerdem – zum einen, weil es selbst Zulieferer in der Ukraine habe, die durch den Krieg beeinflusst sind. Ein größeres Problem sei aber, „wenn ein Kabelbaumhersteller in der Ukraine beispielsweise nicht mehr an einen Volkswagen Golf liefern kann, dann wird der Golf nicht produziert. Und wenn in dem Golf normalerweise auch ein Marquardt-Teil verbaut ist, dann wird dieses Teil bei uns jetzt nicht mehr nachgefragt, obwohl wir liefern könnten. Insofern sind wir indirekt leidtragend“, sagt Marquardt. Die Geschäfte, die das Unternehmen in Russland macht, seien marginal und ohnehin mit Beginn des Krieges eingestellt worden.
Und doch: Trotz aller Herausforderungen ist der Firmenchef recht zuversichtlich für das laufende Geschäftsjahr. Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeigt ihm, dass Wachstum möglich ist. Das Unternehmen, das weltweit 10 200 Mitarbeiter an 21 Standorten auf vier Kontinenten beschäftigt, machte trotz des Halbleitermangels 2021 einen Umsatz von knapp 1,3 Milliarden Euro und erreichte damit den VorPandemie-Wert. Zum Gewinn äußert sich der Firmenchef nicht – das Unternehmen schreibe aber schwarze Zahlen, die besser ausfielen als noch 2020.
Das Unternehmen hat nach Angaben Marquardts im vergangenen Jahr auf den Halbleitermangel reagiert, indem es Teams eingerichtet hat, die die Verteilung der verfügbaren Menge an Halbleitern genau durchgetaktet habe. Außerdem habe man die Kontakte zu den Halbleiterzulieferern in Asien akribisch gepflegt – schon seit Jahren, sagt Marquardt. Auch profitiere das Unternehmen davon, dass es bereits sehr früh in die Elektromobilität eingestiegen ist. Der Autozulieferer verdient hier vor allem mit Batteriemanagementsystemen Geld. Sie sorgen in Elektroautos dafür, dass die Zellen gleichmäßig geladen bleiben, was die Reichweite des Autos und die Lebensdauer der Batterie erhöht. „Das ist ein sehr boomendes Geschäft mit mehr als 50 Prozent Wachstum im vergangenen Jahr. Wir liegen hier bei einem guten dreistelligen Millionenumsatz“, sagt Marquardt. Das Unternehmen habe erst kürzlich einen weiteren Millionenauftrag in dem Bereich an Land gezogen. Details dazu wolle man erst in ein paar Wochen nennen.
Ganz spurlos gingen die Verwerfungen in der Autobranche zuletzt aber nicht an Marquardt vorbei. Das Unternehmen hatte sich in den vergangenen drei Jahren weltweit von etwa 1000 Mitarbeitern getrennt, davon 400 im vergangenen Jahr. Neue Stellen habe man dagegen nun verstärkt in der Softwareentwicklung geschaffen, sagte Marquardt.