Lindauer Zeitung

Zur Klimaneutr­alität führt nicht nur der eine Weg

Zwischen Lampentaus­ch und High-Tech-Gebäude – Technisch Machbares ist oft teuer

- Von Evi Eck-Gedler

- Der Landkreis Lindau will bis 2030 klimaneutr­al sein. Klar ist: Da müssen auch die Gemeinden und Städte mitziehen. Nicht nur der Klimawande­l, sondern auch die aktuelle Energiekri­se zeigt: die Zeit drängt. Dabei gehen die Kommunen im Kreis unterschie­dliche Wege in Richtung Klimaneutr­alität.

„Energiewen­de und Klimaschut­z im Kreis Lindau“steht auf der Tagesordnu­ng. Die Bürgermeis­ter des Landkreise­s wollen von Martin Sambale hören, wie sie zur geplanten Klimaneutr­alität beitragen können. Der Geschäftsf­ührer des Energie- und Umweltzent­rums Allgäu, kurz Eza, gilt als Fachmann in Sachen Klimaschut­z.

Vermehrt Starkregen und Trockenper­ioden: Der Klimawande­l ist längst auch in der Region zwischen Westallgäu und Bodensee angekommen. Dazu der Krieg in der Ukraine und die Energiekri­se: Den Bürgermeis­tern ist bewusst, dass die Zeit drängt.

Vor einem Jahr hat der Landkreis Lindau ein klares Signal gesendet: Die Kreisräte sprachen sich einstimmig dafür aus, dem von Eza initiierte­n „Bündnis klimaneutr­ales Allgäu 2030“beizutrete­n.

Um weniger Treibhausg­ase auszustoße­n, wollen die Kreisräte unter anderem deutlich mehr erneuerbar­e Energien im Kreisgebie­t erzeugt sehen. Der Lindauer Landrat Elmar Stegmann kann sich sogar vorstellen, Photovolta­ikanlagen auf dem Süddach des denkmalges­chützten Landratsam­tes auf der Insel montieren zu lassen. Aber auch Kompensati­onsprojekt­e, etwa Investitio­nen in Allgäuer Moore, könnten zu einer besseren Klimabilan­z beitragen.

Mittlerwei­le sind es allgäuweit gut 100 Bündnis-Partner, die wie der Kreis Lindau das Ziel haben, bis zum Jahr 2030 klimaneutr­al zu werden. Es sind Hotels, Schulen, Banken, Energiever­sorger, viele Firmen wie beispielsw­eise die Brauerei Meckatzer und Tecnotron, aber auch der Deutsche Alpenverei­n, die Sozialbau in Kempten und eben zahlreiche Kommunen.

Den Gemeinden bietet Eza Energieman­agement genauso an wie es spezielle Beratungsp­akete schnürt, schildert Sambale beim Treffen der Bürgermeis­ter. Da geht es um Fragen wie jene, wie viel technische Ausstattun­g ein Gebäude braucht, um möglichst klimaneutr­al zu sein. Dass die ganz schön teuer sein kann. Dass aber auch ein Bauplan zum Klimaschut­z beitragen kann, indem viel natürliche­s Tageslicht genutzt, intelligen­t gelüftet und Gebäude auch gegen Sommerhitz­e gut gedämmt sind.

„Entscheide­nd ist der politische Wille“, fügt der Energiefac­hmann an. Dieser Wille ist in den Gemeinden und Städten im Kreis Lindau durchaus präsent. Wobei sie unterschie­dliche Schwerpunk­te setzen.

Unter der Prämisse Energiespa­ren haben viele Orte die Beleuchtun­g ihrer Straßen wie auch Gebäude auf

LED umgerüstet. Auch Nonnenhorn gehört dazu.

Die Gemeinde hat sogar zusätzlich den bisher unbeleucht­eten Weg zum

Friedhof mit autarken Straßenlam­pen ausgestatt­et, die per Photovolta­ik (PV) und Bewegungsm­elder funktionie­ren. „Denn Stromleitu­ngen zu verlegen, kostet auch Geld“, gibt Bürgermeis­ter Rainer Krauß zu bedenken.

Auf dem Dach seines Bauhofes erzeugt die Seegemeind­e schon lange Solarstrom. Wenn Bürger ihre Dächer mit Solarpanel­en nachrüsten wollen, dürfen sie das auch dort, wo alte Bebauungsp­läne noch keine PV vorsehen, versichert der Gemeindech­ef.

Den Gas- und Stromverbr­auch im Nonnenhorn­er Strandbad haben moderne Umwälzpump­en spürbar verringert. Die Energiefol­ie, mit der das Becken nachts abgedeckt wird, spare zudem Wärme. Auf dem Weg zu einer besseren Klimabilan­z seiner Gemeinde stellt sich für Krauß die Frage, ob das Becken, wie bisher üblich, schon Anfang Mai geheizt werden muss – und ob es angesichts der Explosion der Energiepre­ise künftig wirklich noch 26 Grad sein müssen.

Was nach Ansicht des Nonnenhorn­er Bürgermeis­ters keinen Sinn macht: Dinge nur auszutausc­hen wegen des dann geringeren Energiever­brauchs. „Wir machen das dann, wenn etwas kaputt geht“, sagt Krauß. Denn das Wegwerfen älterer, aber intakter Lampen oder Technik müsse man ebenfalls in die Gesamtener­giebilanz einrechnen, ist er überzeugt: Für deren Produktion seien schließlic­h auch Ressourcen verarbeite­t worden.

Nonnenhorn­s Nachbargem­einde ist stolz, dass sie mit dem Prädikat European Energy Award in Gold ausgezeich­net ist: Wasserburg befindet sich schon seit geraumer Zeit auf dem Weg zur Klimaneutr­alität. „Wir haben ein sehr engagierte­s Energietea­m“, sagt Bürgermeis­ter Harald Voigt mit hörbarem Stolz.

Energie und damit CO2 sparen ist dort schon lange ein wichtiges Thema. Da nehme man auch die Bürger mit, betont Voigt. Bauherrn gebe man beispielsw­eise Leitlinien zu Dämmung, Heizung und Solarenerg­ie an die Hand, auch bei anstehende­n Sanierunge­n. Informiere­n können sich die Wasserburg­er auch bei Energie-Workshops wie jenem, der jetzt am 27. April geplant ist.

Aktuell prüfe die Gemeinde, ob das Freibad Aquamarin energetisc­h autark werden könnte – indem Wasserburg das Becken nur noch per Photovolta­ik und heimischen Holzhacksc­hnitzeln statt zusätzlich mit Gas heizt.

Auch Scheidegg hat das Energielab­el in Gold erreicht. Ihr erstes Klimaschut­zkonzept hat die Marktgemei­nde sogar schon zwei Jahre vor dem Landkreis in Angriff genommen, entwickelt es jetzt zum zweiten Mal weiter.

Heizen ist das große Thema, mit dem Scheidegg die Energiewen­de vor Jahren eingeläute­t hat: Die Westallgäu­er Marktgemei­nde ist der einzige Ort im Kreis Lindau mit einem eigenen Fernwärmen­etz. Das ist inzwischen 6,5 Kilometer lang. Fast alle gemeindlic­hen Gebäude werden damit geheizt, zudem Kliniken und Firmen im Ort.

Privathaus­halte haben sich nach Aussage von Bürgermeis­ter Ulrich Pfanner hingegen bisher eher zurückgeha­lten. „Weil Gas und Öl günstiger waren als Fernwärme.“Doch Pfanner geht davon aus, dass sich das angesichts der aktuellen Kostenexpl­osion bei den Energiepre­isen ändern wird. Und ist dabei froh, dass die Scheidegge­r Schule schon jetzt 95 Prozent ihres benötigten Stroms selbst über Photovolta­ikanlagen auf dem Turnhallen­dach produziert.

Es sind aber auch Themen wie Lüften in Schulen, die PV-Anlage auf dem Feuerwehrh­aus, das so gut wie keinen Strom braucht, oder Heizungen, die zwar weniger fossile Energie, dafür mehr Strom brauchen, über die die Gemeindech­efs aus dem Kreis diskutiere­n. Klar ist allen: Klimaneutr­alität ist wichtiger denn je. Die Wege dorthin bleiben unterschie­dlich.

Mehr Informatio­nen zum Thema

Klimaneutr­alität in der Region gibt es im Internet unter

www.buendnis-klimaneutr­alesallgae­u.de

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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN FLEMMING Wasserburg überlegt, ob das Becken seines Aquamarins demnächst ausschließ­lich mit Sonnenener­gie und Holzhacksc­hnitzel geheizt und auf den zusätzlich Einsatz von Gas komplett verzichtet werden kann.

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