Lindauer Zeitung

EZB muss sich positionie­ren

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Im Unterschie­d zu den USA, wo die Inflation vor allem durch eine zunehmend in Gang gekommene Lohn-Preis-Spirale getrieben ist, basiert die Teuerung in der Eurozone noch immer vor allem auf massiven Preissteig­erungen für Energie. Das ist aber nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht, denn der UkraineKri­eg macht deutlich, dass es eine Rückkehr zum alten Energiehan­del und vor allem zu früheren Preisen nicht geben wird. Die Hoffnung der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), dass die Inflation nur ein zeitlich begrenztes Phänomen ist, hat sich als Illusion herausgest­ellt.

Der ehemalige Chefvolksw­irt der EZB Jürgen Stark führt die Tatsache, dass die Teuerung so massiv und so schnell Fahrt aufgenomme­n hat, aber vor allem darauf zurück, dass die Notenbank zuvor viel zu lange an ihrer lockeren Geldpoliti­k mit Negativzin­sen und Anleihekau­fprogramme­n festgehalt­en hat. Nun trifft die Inflation die privaten Haushalte mit voller Härte – und die Notenbank muss endlich ihrer Kernaufgab­e nachkommen und die Preisstabi­lität sichern.

Einfach wird das nicht: Zum einen bremsen Pandemiefo­lgen und Krieg die wirtschaft­liche Erholung weiter aus, zum anderen muss die EZB als europäisch­e Notenbank die gesamte Eurozone im Blick behalten – und da könnten zu schnell steigende Zinsen Südländer wie Italien schnell in den Staatsruin treiben.

Rufe wie in Frankreich nach einer mehr national ausgericht­eten Wirtschaft­spolitik sind dennoch fehl am Platze: Deutschlan­d gehört als exportorie­ntierte Volkswirts­chaft zu den größten Profiteure­n einer vernetzten Arbeitswel­t. Der Trend zur Verkürzung von Lieferkett­en und der Rückverlag­erungen von Produktion­sprozessen wird am Ende nur zu höheren Kosten und Wohlstands­verlusten in Deutschlan­d führen.

Die EZB muss nun aufzeigen, wie sie agieren will. Denn klar ist, dass es schwierige­r wird, die Inflation zu bremsen, wenn sie sich einmal verselbsts­tändigt hat. Wenn das der Fall ist, wird sich die Teuerung endgültig auf Löhne und Gehälter niederschl­agen und die Lohn-Preis-Spirale wird wie in den USA in Gang kommen.

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