EZB muss sich positionieren
Im Unterschied zu den USA, wo die Inflation vor allem durch eine zunehmend in Gang gekommene Lohn-Preis-Spirale getrieben ist, basiert die Teuerung in der Eurozone noch immer vor allem auf massiven Preissteigerungen für Energie. Das ist aber nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht, denn der UkraineKrieg macht deutlich, dass es eine Rückkehr zum alten Energiehandel und vor allem zu früheren Preisen nicht geben wird. Die Hoffnung der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Inflation nur ein zeitlich begrenztes Phänomen ist, hat sich als Illusion herausgestellt.
Der ehemalige Chefvolkswirt der EZB Jürgen Stark führt die Tatsache, dass die Teuerung so massiv und so schnell Fahrt aufgenommen hat, aber vor allem darauf zurück, dass die Notenbank zuvor viel zu lange an ihrer lockeren Geldpolitik mit Negativzinsen und Anleihekaufprogrammen festgehalten hat. Nun trifft die Inflation die privaten Haushalte mit voller Härte – und die Notenbank muss endlich ihrer Kernaufgabe nachkommen und die Preisstabilität sichern.
Einfach wird das nicht: Zum einen bremsen Pandemiefolgen und Krieg die wirtschaftliche Erholung weiter aus, zum anderen muss die EZB als europäische Notenbank die gesamte Eurozone im Blick behalten – und da könnten zu schnell steigende Zinsen Südländer wie Italien schnell in den Staatsruin treiben.
Rufe wie in Frankreich nach einer mehr national ausgerichteten Wirtschaftspolitik sind dennoch fehl am Platze: Deutschland gehört als exportorientierte Volkswirtschaft zu den größten Profiteuren einer vernetzten Arbeitswelt. Der Trend zur Verkürzung von Lieferketten und der Rückverlagerungen von Produktionsprozessen wird am Ende nur zu höheren Kosten und Wohlstandsverlusten in Deutschland führen.
Die EZB muss nun aufzeigen, wie sie agieren will. Denn klar ist, dass es schwieriger wird, die Inflation zu bremsen, wenn sie sich einmal verselbstständigt hat. Wenn das der Fall ist, wird sich die Teuerung endgültig auf Löhne und Gehälter niederschlagen und die Lohn-Preis-Spirale wird wie in den USA in Gang kommen.