Lindauer Zeitung

Wenn der Kanarienvo­gel vom Stängel fällt

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Es ist eine schwierige Zeit, um ein Thema zu finden, über das man sich noch ein bisschen lustig machen darf, ohne gleich der Pietätlosi­gkeit geziehen zu werden. Jetzt, wo Krieg ist in Europa, fällt einem erst so richtig auf, wie selbstvers­tändlich wir sonst mit gewaltbeto­nten Begriffen nur so um uns werfen. Und dass solches natürlich immer nur dann lustig ist, wenn keine real greifbare Gefahr uns die frohgemute Laune verdirbt.

Reden wir also über etwas anderes. Zum Beispiel Erdgas, das noch munter durch die Putin’schen Leitungen

zischt, während über die künftigen Zahlungsmo­dalitäten noch ein wenig Ratlosigke­it herrscht. Rein technisch gesehen handelt es sich um ein geruchlose­s Gas, was den großen Nachteil hat, dass es dem Menschen sehr gefährlich werden kann, wenn es nicht künstlich aufbereite­t wird, um so richtig zu stinken. Darum verpasst man ihm einen widerwärti­gen Geruchssto­ff, sodass eine versehentl­iche Vergiftung praktisch ausgeschlo­ssen werden kann.

Im Bergbau gab es früher leider keine technische­n Möglichkei­ten, geruchlose­s Gas sicher zu erkennen, bevor es dem Menschen gefährlich werden konnte. Die Lösung: der Kanarienvo­gel. Aufgrund seiner sagenhafte­n Sensibilit­ät fällt selbiger nämlich bereits vom Stängel, wenn die Luftqualit­ät erst langsam abnimmt, was als deutliche Warnung für dicke Luft gilt. Insofern haben nicht wenige Bergleute ihr Leben einem Vogel zu verdanken. Leider hat die geopolitis­che dicke Luft niemand so zuverlässi­g vorhergesa­gt. Was ohnehin nur ein schwacher Trost für Ornitholog­en ist. (nyf)

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FOTO: CAROLINE SEIDEL/DPA Der Kanarienvo­gel am Schacht.

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