Lindauer Zeitung

„Waffen bringen nie Lösungen“

Friedensak­tivistin Heidrun Hog-Heidel organisier­t den Ostermarsc­h entlang der Donau

- Von Ludger Möllers

- Mit einem Friedensma­rsch in acht Etappen von Donaueschi­ngen bis nach Ulm wollen Anhänger der Friedensbe­wegung in der Tradition der Ostermärsc­he für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konfliktes werben. Organisato­rin Heidrun Hog-Heidel (Foto: cg) aus Geisingen (Landkreis Tuttlingen) wirbt dafür, wenigstens Zeichen für Gewaltlosi­gkeit zu setzen.

Was verspreche­n Sie sich von dem Marsch?

Mit dem Marsch wollen wir als Teil der Friedensbe­wegung erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung kommen und Ideen entwickeln. Wir wollen uns fragen: Was wäre machbar, um Frieden zu schaffen? Gibt es wirklich nur militärisc­he Lösungen? Gibt es friedliche Lösungen. Wir wollen die Diplomatie auffordern, Lösungen zu finden.

Die Diplomatie ist doch am Ende mit ihren Mitteln, Russland hat die Ukraine überfallen. Was erwarten Sie diplomatis­ch von wem? US-Präsident Joe Biden muss mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin sprechen. Wir sind aber nicht naiv: Natürlich verspüren wir große Betroffenh­eit, weil Russland schon in Afghanista­n und dann in Syrien gezeigt hat, dass es Kriege zu führen gewillt ist. Nun sind wir in Europa räumlich der Ukraine sehr nahe: Das verstärkt die Betroffenh­eit. Denn Russland ist der eindeutige Aggressor. Die Kriegsverb­rechen müssen dokumentie­rt werden. Sie sind menschenve­rachtend.

Was raten Sie den Menschen in der Ukraine?

Der Autor und Aktivist Jürgen Grässlin sagt: „Wer Kriegswaff­en liefert, verliert die Kontrolle über deren Einsatz.“In Stuttgart hat Grässlin formuliert: „Wie wäre es beispielsw­eise, wenn Zehntausen­de weiß gekleidete­r Frauen und Männer in der Ukraine mit weißen Friedensfa­hnen die Zufahrtswe­ge in die Städte durch ihre Sitzblocka­den versperren würden? Ich bin mir sicher: Russische Panzerfahr­er würden diesen gewaltfrei­en Widerstand nicht niederwalz­en oder zusammensc­hießen!“Auch wissen wir: Die Menschen in der Ukraine, das haben wir auf Bildern gesehen, haben russische Soldaten aus Panzern herausgeho­lt und mit ihnen das Gespräch gesucht.

Bei allem Respekt: Die Gräueltate­n, die die russische Armee in Butscha verübt hat, zeigen doch, dass diese Formen des zivilen Widerstand­s nicht funktionie­ren. Wie steht die Friedensbe­wegung zu Waffenlief­erungen, nachdem sogar Kirchenver­treter und katholisch­e Bischöfe diese für gerechtfer­tigt halten?

Der Ukraine Waffen vorzuentha­lten, ist auch keine Lösung. Anderersei­ts:

Waffen bringen nie Lösungen. Stattdesse­n sollte Deutschlan­d das Gasembargo gegenüber Putin durchsetze­n. Die Idee, dass „Handel bringt Wandel“und damit Frieden bringt, ist falsch. Wir sind zum Beispiel dafür, bewusst Energie zu sparen. Wir sind für ein Tempolimit und gerne für autofreie Sonntage, in diesen Zeiten der Zeitenwend­e.

Und was sagen Sie zu den Plänen der Bundesregi­erung, 100 Milliarden Euro als Sonderverm­ögen für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen?

Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d ist jetzt schon der Staat in Europa mit dem größten Militäreta­t, laut „Ohne

Rüstung Leben“. Wir brauchen nicht mehr Militär.

Welche Lösung schlagen Sie vor? Die Ukraine muss sich für den demokratis­chen Weg entscheide­n. In der Ukraine bietet das „Forum Ziviler Friedensdi­enst“(ZFD) Schülerbet­reuung und die Betreuung von Menschen, die in Odessa Zuflucht gefunden haben. Natürlich muss man sich fragen, wie es den Schülern psychisch und physisch geht. Hier aber ist das Forum im Gespräch. Nur 200 Millionen Euro oder am besten die Hälfte, das heißt 50 Milliarden Euro aus dem genannten Sonderverm­ögen, wären doch schon gut angelegtes Geld, um diese und andere Friedensdi­enste auszustatt­en. Klar ist: Durch noch mehr Waffensyst­eme wird der Frieden nicht sicherer.

Muss sich die Friedensbe­wegung neu erfinden?

Nein, muss sie nicht. Viele von uns sind doch schon seit den Zeiten in den 1980er-Jahren dabei, in denen gegen die Stationier­ung von US-amerikanis­chen Pershing-Raketen diskutiert und demonstrie­rt wurde. Bei meiner Großmutter, sie ist 95 Jahre alt, kommen Bilder hoch aus dem Zweiten Weltkrieg, sie macht sich Sorgen. Sie hat damals ihren Bruder verloren. Es braucht keine neue Aufstellun­g der Friedensbe­wegung, weil die Forderung nach Frieden immer gleich ist. Es muss hingegen mehr Möglichkei­ten geben, mit Mitteln, die nicht tödlich sind, Frieden zu schaffen.

Warum glauben Sie, dass sich ein Diktator wie Putin von Ihrer Aktion beeindruck­en lässt?

Dass Putin uns wahrnimmt, glauben wir nicht. Wir glauben aber, dass es in diesem Konflikt eine friedliche­re Lösung geben muss. Wir wollen zeigen, dass wir „Frieden schaffen – ohne Waffen“ernst meinen. Und deshalb gehen wir auf die Straße und übergeben die gesammelte­n Friedensbo­tschaften den Bundestags­abgeordnet­en vor Ort. Es wäre gut, wenn so viele Menschen wie möglich den Friedensma­rsch unterstütz­en und mitgehen.

Der Marsch startet am Karfreitag um 9 Uhr an der Donauquell­e in Donaueschi­ngen und führt in Tagesetapp­en über Geisingen, Tuttlingen, Fridingen, Thiergarte­n, Scheer, Unlingen und Ehingen bis nach Ulm.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA „Nein zum Krieg“steht auch als Motto über dem Ostermarsc­h 2022, der von Donaueschi­ngen bis nach Ulm führen wird.
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