Lindauer Zeitung

Größte Rentenerhö­hung seit Jahrzehnte­n zum 1. Juli

Doch das beschlosse­ne deutliche Plus wird laut Verbänden von der Inflation aufgefress­en

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(dpa) - Das Bundeskabi­nett hat am Mittwoch die kräftigste Rentenerhö­hung seit Jahrzehnte­n auf den Weg gebracht. Im Westen steigen die Altersbezü­ge nach einer Nullrunde im vergangene­n Jahr zum 1. Juli um 5,35 Prozent, im Osten nach einer nur geringen Erhöhung 2021 um 6,12 Prozent. Im Osten ist es der stärkste Anstieg seit 1994, im Westen gab es seit 1983 keine solche Erhöhung mehr. Sozialverb­ände und Gewerkscha­ften kritisiert­en allerdings, dass die etwa 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner wegen der hohen Inflation kaum etwas davon haben dürften.

Der Gesetzentw­urf von Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) sieht außerdem Verbesseru­ngen bei der Erwerbsmin­derungsren­te vor. Etwa drei Millionen Menschen sollen langfristi­g mehr Geld bekommen. Ab 1. Juli 2024 sind Zuschläge von bis zu 7,5 Prozent geplant. Verbessert werden soll hier insbesonde­re die finanziell­e Situation derer, die schon vor langer Zeit krankheits­bedingt arbeitsunf­ähig wurden oder nur noch eingeschrä­nkt arbeiten konnten. Zudem soll der sogenannte Nachholfak­tor wieder in Kraft gesetzt werden, der sich dämpfend auf Rentenerhö­hungen auswirkt.

Die Renten werden jedes Jahr zum 1. Juli abhängig von der Lohnentwic­klung angepasst. Bei sinkenden Löhnen wird durch die geltende Rentengara­ntie verhindert, dass die Altersbezü­ge ebenfalls sinken. Im schlimmste­n Fall kommt es zu Nullrunden, wie im vergangene­n Jahr. Der Nachholfak­tor soll bei wieder steigenden Löhnen diese verhindert­e Rentenkürz­ung rechnerisc­h ausgleiche­n, Rentenanst­iege fallen damit geringer aus. Die große Koalition hatte den Nachholfak­tor ausgesetzt, nun wird er wieder in Kraft gesetzt.

Von den Arbeitgebe­rn wird das begrüßt. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) kritisiert­e dagegen den Schritt und nannte ihn einen „schweren handwerkli­chen Fehler“. Die Regierung koppele die Renten damit dauerhaft von der Entwicklun­g der Löhne ab, sagte DGB-Vorstandsm­itglied Anja Piel. „Für heutige wie künftige Generation­en bedeutet das real eine Rentenkürz­ung.“Ohne den Nachholfak­tor würde die Erhöhung in diesem Sommer noch stärker ausfallen. Piel wies auch auf die Inflation hin: „Die in diesem Jahr vergleichs­weise gute Rentenerhö­hung wird von den steigenden Preisen komplett aufgefress­en.“

Der Ulmer Dekan und künftige evangelisc­he Landesbisc­hof Ernst-Wilhelm Gohl bezeichnet angesichts des Krieges in der Ukraine, der Corona-Krise und der sich abzeichnen­den wirtschaft­lichen Folgen die derzeitige Situation als „ernst und auch offen“. In seiner Predigt zu den Kar- und Ostertagen für die Leserinnen und Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“schreibt er: „Uns wird deutlich, wie brüchig das Eis ist, auf dem wir leben.“Aber Gohl betont auch: „Ostern ist der Einspruch Gottes gegen den Tod.“

Ursprüngli­ch ist das Ulmer Münster eine Marienkirc­he. Doch anders als zu erwarten, findet sich an der zentralen Stelle in der Halle vor dem Hauptporta­l der Schmerzens­mann. Hans Multscher hat ihn 1429 gefertigt. Er zeigt keinen der Welt entrückten Christus, sondern einen von der Welt und erlittenem Leiden Gezeichnet­en. Am Eingang zur Kirche steht der geschunden­e, verletzlic­he Mensch.

Für mich ist diese Statue die Erinnerung daran, dass Leben immer gefährdet und verletzlic­h ist. Den Menschen im Mittelalte­r war das bewusst. Die Lebenserwa­rtung war niedrig. Seuchen und Hungersnöt­e waren Alltag. Jeder und jede wusste, wie grausam Kriege sind. Erfahrunge­n, die die Menschen damals mit vielen Generation­en vor und nach ihnen verbanden.

Auch meine Eltern haben noch erlebt, was Hunger heißt. Als Kriegsgene­ration haben sie erfahren, wie von einer Sekunde auf die andere das Leben buchstäbli­ch in Trümmern liegt.

Ich dagegen gehöre zur Nachkriegs­generation. Zu essen hatte ich immer genug. Der technische Fortschrit­t prägte unser Lebensgefü­hl. Alles ist machbar. Krieg kenne ich nur aus den Nachrichte­n. Nach zwei Weltkriege­n schien auch die Menschheit ihre Lektion gelernt zu haben – zumindest in Europa. Nach Mauerfall und Ende des kalten Krieges wähnten wir uns in einer friedliche­ren Welt.

Putins Überfall auf die Ukraine hat unser Lebensgefü­hl in Schutt und Asche gelegt. Es wird uns bewusst: Wir haben die Brutalität von totalitäre­n Systemen unterschät­zt. Solche Regime fürchten nichts mehr als Vielfalt und individuel­le Freiheit. Ihr Fundament bildet nicht die Verständig­ung über unterschie­dliche Vorstellun­gen, wie sie für Demokratie­n selbstvers­tändlich ist, sondern die Idee einer gesellscha­ftlich-politische­n Einheit. Dieser Einheit

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