Alternativmodell Teilwarmmiete
- Die nächste Heizkostenabrechnung könnte für viele Menschen in Deutschland zum Debakel werden. Die Preise für Öl und Gas steigen rasant, ein Ende dieser Entwicklung ist wegen des Krieges in der Ukraine nicht abzusehen. Obendrauf kommen die zusätzlichen Kosten für neu eingeführte zusätzliche Abgaben für den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2). Ab kommendem Jahr soll der CO2-Preis zwischen Vermieter und Mieter nach einem Stufenmodell aufgeteilt werden. Hier die wichtigsten Informationen dazu im Überblick.
Wie funktioniert das Stufenmodell, das die Ampel-Koalition ersonnen hat?
Der Idee dahinter ist, dass von 2023 an nicht mehr die Mieter allein – so wie derzeit – für die CO2-Abgabe aufkommen müssen. Im vergangenen Jahr war eine 50:50-Regelung am Widerspruch der Union gescheitert, künftig werden die Vermieter in zehn Stufen an den Kosten beteiligt. Und das geht so: Je weniger das Gebäude gedämmt ist, desto höher ist der Anteil des Eigentümers – von 90 Prozent bei Wohnungen mit einer besonders schlechten Energiebilanz (mehr als 52 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter im Jahr) bis null Prozent (bei weniger als zwölf Kilogramm CO2). Wenn ein Gebäude also mindestens dem Standard Effizienzhaus 55 entspricht, zahlt nur der Mieter die Abgabe. Zwischen diesen beiden Polen liegen acht Stufen der prozentualen Verteilung zwischen Vermietern und Mietern.
Was will die Bundesregierung mit diesem Vorhaben erreichen? Sie will einerseits die Mieter bei der CO2-Abgabe entlasten. Seit 2021 kostet eine Tonne Kohlenstoffdioxid, die beim Verbrennen von fossilen Energieträgern entsteht, 30 Euro. Dieser Preis wird bis 2025 auf 55 Euro steigen. Doch entscheidend für die Reduzierung von CO2 ist es, dass die Vermieter in die energetische Sanierung ihrer Gebäude investieren. 30 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland entstehen im Gebäudesektor. Die im Stufenmodell vorgesehene Verteilung der Kosten soll die Eigentümer zur Dämmung motivieren – und die Mieter zum sparsamen Energieverbrauch.
Auf welche Ersparnis können Mieter in schlecht sanierten Häusern hoffen?
Die Einsparung ist nach Modellrechnungen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen überschaubar. Ein Beispiel dazu: In einer 70 Quadratmeter großen, schlecht gedämmten Wohnung, in der 180 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr für die Heizung und das Warmwasser
verbraucht werden, fallen im kommenden Jahr 98,69 Euro CO2Kosten an, denn es werden umgerechnet 40,3 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und Jahr verursacht. Das entspricht der Stufe sieben im Modell der Koalition. Der Vermieter trägt also 60 Prozent der Klimaabgabe und der Mieter 40 Prozent – er spart 59,21 Euro im Jahr.
Profitieren auch Mieter von dem Modell, deren Häuser und Wohnungen nicht mit Gas und Öl beheizt werden?
Wie der CO2-Preis zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden soll 0 % 100 %
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Das hängt davon ab, wie sie heizen. Für Pelletheizungen beispielsweise wird bislang keine Klimaabgabe erhoben, „weil sie als relativ umweltfreundlich gelten“, sagt Christian Handwerk von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Was nicht bezahlt wird, kann natürlich auch nicht aufgeteilt werden. Auch der Energieträger Strom ist ausgenommen, weil die CO2-Kosten bereits Bestandteil des Preises sind. Ob und wie das Stufenmodell bei einer auf Fernwärme basierenden Heizung angewendet wird, bedarf
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90 wohl noch der Regelung. In dem Papier, das Bundeswirtschaftsministerium, Bauministerium und Justizministerium Anfang April präsentiert haben, taucht das Wort Fernwärme nicht auf.
Wie soll das Modell in der Praxis funktionieren?
Angeblich einfach – vor allem für die Mieter. „Die Festlegung der von den Parteien pro Wohneinheit zu tragenden CO2-Kosten erfolgt über die Heizkostenabrechnung“, heißt es in dem Kompromiss der Ministerien.
Das Stufenmodell, auf das sich die Ampel-Koalitionäre geeinigt haben, soll „für alle Wohngebäude einschließlich Wohn-, Alten- und Pflegeheime und Gebäude mit gemischter Nutzung“gelten, in denen mit Öl und Gas geheizt wird. Doch der Spruch, keine Regel ohne Ausnahme, gilt auch in diesem Fall – etwa für Vermieter von denkmalgeschützten Gebäuden oder Wohnungen in Milieuschutzgebieten,
Die Vermieter brauchen allerdings zusätzliche Daten, um die Höhe der Klimaabgabe und die Aufteilung zwischen ihnen und ihren Mietern berechnen zu können. Laut „Süddeutscher Zeitung“sollen die Brennstofflieferanten unter anderem dazu verpflichtet werden, neben der Menge des gelieferten Brennstoffes die Menge der damit verbundenen CO2-Emissionen auszuweisen. Wenn ein Mieter überprüfen will, ob sein Vermieter alles richtig gemacht hat, braucht auch er die Information, wie viel CO2Ausstoß ihm in der Heizkostenabrechnung zugeschrieben wurde. Diesen Wert muss er mit der Quadratmeterzahl seiner Wohnung multiplizieren.
Wie wurde das Stufenmodell von Eigentümer- und Mieterverbänden und der Opposition aufgenommen? Weder die einen noch die anderen sind damit zufrieden – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Vermietervertreter monieren, dass eine Aufteilung der CO
an sich unfair sei, da Mieter entschieden, wie viel sie heizen und duschen. Also müssten sie auch vollständig die Kosten dafür tragen, kommentierte Haus-&Grund-Präsident Kai Warnecke die Einigung. Ähnlich argumentiert Jan-Marco Luczak, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Bei dem Modell der Ampel, das auf den Verbrauch abstellt, wird am Ende verschwenderisches Nutzerverhalten noch belohnt“, sagt er. Denn je schlechter die Klassifizierung eines Gebäudes sei, desto geringer sei der Kostenanteil der Mieter am CO2-Preis. Die gewollte Lenkungswirkung werde so „ad absurdum“geführt. Der Deutsche Mieterbund sieht darin ein „Scheinargument“, da jeder Mieter „für seine Heizkosten und sein Warmwasser je nach Verbrauch“zahle. Auch das stört den Mieterbund: Die Kosten für eine energetische Sanierung der Wohnung müssten die Mieter nach derzeitigem Recht in aller Regel alleine tragen. „Und dann sollen sie auch noch auf den CO sitzen bleiben“, so die Sprecherin.
in denen eine bestimmte Bevölkerungsstruktur erhalten werden soll. Ausgenommen vom Stufenmodell sind auch Gewerberäume. Dort soll der CO2-Preis zu jeweils 50 Prozent vom Vermieter und Mieter bezahlt werden. Bislang fehle für diese Gebäude die notwendige Datengrundlage, um die Klimaabgabe abgestuft aufteilen zu können, teilte die Bundesregierung mit. (clak)
(clak) - Dass Vermieter sich künftig stärker an den Kosten für den Klimaschutz beteiligen müssen, haben die Ampel-Koalitionäre bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. „Um das Mieter-VermieterDilemma zu überwinden, prüfen wir einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete“, ist auf Seite 71 zu lesen. Mit dieser Aussage konnten in Deutschland die wenigsten etwas anfangen, weil dieses Modell hierzulande bislang kaum bekannt ist. In Schweden hingegen ist es seit Anfang der 2000er-Jahre gebräuchlich, die Klimabilanz von Wohngebäuden habe sich dadurch deutlich verbessert. Die Emissionen der Haushalte seien seither um 95 Prozent gesunken, schreibt die Denkfabrik Agora Energiewende.
Im Prinzip funktioniert die Teilwarmmiete so: Wohnungen würden dann nicht mehr „kalt“auf dem Markt angeboten, sondern inklusive der Kosten für eine Grundbeheizung – daher der Begriff Teilwarmmiete. Wenn der Vermieter in die energetische Sanierung des Gebäudes investiert, profitiert er dadurch, dass er die gleiche Teilwarmmiete wie zuvor vom Mieter bekommt, aber weniger Ausgaben für die Energiekosten hat. Dadurch erhöhen sich sozusagen seine Mieteinnahmen. Auf der anderen Seite schafft das Modell auch einen Anreiz für Mieter, Energie einzusparen. Denn wenn sie es in ihrer Wohnung wärmer haben wollen als vereinbart, müssen sie dafür Nachzahlungen einkalkulieren.
Dass die Teilwarmmiete zu mehr energetischen Sanierungen im Gebäudesektor führt, ist aber wohl kein Selbstläufer. Das Öko-Institut Freiburg hat im Auftrag des Umweltbundesamtes und des Bundesumweltministeriums die Praxistauglichkeit des Modells untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis: Aus klimaschutz- und sozialpolitischer Sicht sei die Teilwarmmiete grundsätzlich sinnvoll, da „auf beiden Seiten des Mietverhältnisses ein Anreiz zu verbrauchsparendem Verhalten“entstünde, heißt es in einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie.
Zudem wäre ein Systemwechsel sowohl für Vermieter als auch Mieter nicht mit Mehrkosten verbunden. Doch der damit verbundene Anreiz für die Vermieter, in die energetische Sanierung ihrer Gebäude zu investieren, dürfe nicht überschätzt werden. Um größere Investitionen zu befördern, sei es deshalb sinnvoll, die Modernisierungsumlage beizubehalten – also die Möglichkeit des Vermieters, die Miete zu erhöhen nach einer Modernisierung der Wohnung.