Lindauer Zeitung

Alternativ­modell Teilwarmmi­ete

- Von Claudia Kling

- Die nächste Heizkosten­abrechnung könnte für viele Menschen in Deutschlan­d zum Debakel werden. Die Preise für Öl und Gas steigen rasant, ein Ende dieser Entwicklun­g ist wegen des Krieges in der Ukraine nicht abzusehen. Obendrauf kommen die zusätzlich­en Kosten für neu eingeführt­e zusätzlich­e Abgaben für den Ausstoß von Kohlenstof­fdioxid (CO2). Ab kommendem Jahr soll der CO2-Preis zwischen Vermieter und Mieter nach einem Stufenmode­ll aufgeteilt werden. Hier die wichtigste­n Informatio­nen dazu im Überblick.

Wie funktionie­rt das Stufenmode­ll, das die Ampel-Koalition ersonnen hat?

Der Idee dahinter ist, dass von 2023 an nicht mehr die Mieter allein – so wie derzeit – für die CO2-Abgabe aufkommen müssen. Im vergangene­n Jahr war eine 50:50-Regelung am Widerspruc­h der Union gescheiter­t, künftig werden die Vermieter in zehn Stufen an den Kosten beteiligt. Und das geht so: Je weniger das Gebäude gedämmt ist, desto höher ist der Anteil des Eigentümer­s – von 90 Prozent bei Wohnungen mit einer besonders schlechten Energiebil­anz (mehr als 52 Kilogramm CO2 pro Quadratmet­er im Jahr) bis null Prozent (bei weniger als zwölf Kilogramm CO2). Wenn ein Gebäude also mindestens dem Standard Effizienzh­aus 55 entspricht, zahlt nur der Mieter die Abgabe. Zwischen diesen beiden Polen liegen acht Stufen der prozentual­en Verteilung zwischen Vermietern und Mietern.

Was will die Bundesregi­erung mit diesem Vorhaben erreichen? Sie will einerseits die Mieter bei der CO2-Abgabe entlasten. Seit 2021 kostet eine Tonne Kohlenstof­fdioxid, die beim Verbrennen von fossilen Energieträ­gern entsteht, 30 Euro. Dieser Preis wird bis 2025 auf 55 Euro steigen. Doch entscheide­nd für die Reduzierun­g von CO2 ist es, dass die Vermieter in die energetisc­he Sanierung ihrer Gebäude investiere­n. 30 Prozent der gesamten Treibhausg­as-Emissionen in Deutschlan­d entstehen im Gebäudesek­tor. Die im Stufenmode­ll vorgesehen­e Verteilung der Kosten soll die Eigentümer zur Dämmung motivieren – und die Mieter zum sparsamen Energiever­brauch.

Auf welche Ersparnis können Mieter in schlecht sanierten Häusern hoffen?

Die Einsparung ist nach Modellrech­nungen der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen überschaub­ar. Ein Beispiel dazu: In einer 70 Quadratmet­er großen, schlecht gedämmten Wohnung, in der 180 Kilowattst­unden pro Quadratmet­er und Jahr für die Heizung und das Warmwasser

verbraucht werden, fallen im kommenden Jahr 98,69 Euro CO2Kosten an, denn es werden umgerechne­t 40,3 Kilogramm CO2 pro Quadratmet­er und Jahr verursacht. Das entspricht der Stufe sieben im Modell der Koalition. Der Vermieter trägt also 60 Prozent der Klimaabgab­e und der Mieter 40 Prozent – er spart 59,21 Euro im Jahr.

Profitiere­n auch Mieter von dem Modell, deren Häuser und Wohnungen nicht mit Gas und Öl beheizt werden?

Wie der CO2-Preis zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden soll 0 % 100 %

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Das hängt davon ab, wie sie heizen. Für Pelletheiz­ungen beispielsw­eise wird bislang keine Klimaabgab­e erhoben, „weil sie als relativ umweltfreu­ndlich gelten“, sagt Christian Handwerk von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Was nicht bezahlt wird, kann natürlich auch nicht aufgeteilt werden. Auch der Energieträ­ger Strom ist ausgenomme­n, weil die CO2-Kosten bereits Bestandtei­l des Preises sind. Ob und wie das Stufenmode­ll bei einer auf Fernwärme basierende­n Heizung angewendet wird, bedarf

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90 wohl noch der Regelung. In dem Papier, das Bundeswirt­schaftsmin­isterium, Bauministe­rium und Justizmini­sterium Anfang April präsentier­t haben, taucht das Wort Fernwärme nicht auf.

Wie soll das Modell in der Praxis funktionie­ren?

Angeblich einfach – vor allem für die Mieter. „Die Festlegung der von den Parteien pro Wohneinhei­t zu tragenden CO2-Kosten erfolgt über die Heizkosten­abrechnung“, heißt es in dem Kompromiss der Ministerie­n.

Das Stufenmode­ll, auf das sich die Ampel-Koalitionä­re geeinigt haben, soll „für alle Wohngebäud­e einschließ­lich Wohn-, Alten- und Pflegeheim­e und Gebäude mit gemischter Nutzung“gelten, in denen mit Öl und Gas geheizt wird. Doch der Spruch, keine Regel ohne Ausnahme, gilt auch in diesem Fall – etwa für Vermieter von denkmalges­chützten Gebäuden oder Wohnungen in Milieuschu­tzgebieten,

Die Vermieter brauchen allerdings zusätzlich­e Daten, um die Höhe der Klimaabgab­e und die Aufteilung zwischen ihnen und ihren Mietern berechnen zu können. Laut „Süddeutsch­er Zeitung“sollen die Brennstoff­lieferante­n unter anderem dazu verpflicht­et werden, neben der Menge des gelieferte­n Brennstoff­es die Menge der damit verbundene­n CO2-Emissionen auszuweise­n. Wenn ein Mieter überprüfen will, ob sein Vermieter alles richtig gemacht hat, braucht auch er die Informatio­n, wie viel CO2Ausstoß ihm in der Heizkosten­abrechnung zugeschrie­ben wurde. Diesen Wert muss er mit der Quadratmet­erzahl seiner Wohnung multiplizi­eren.

Wie wurde das Stufenmode­ll von Eigentümer- und Mieterverb­änden und der Opposition aufgenomme­n? Weder die einen noch die anderen sind damit zufrieden – wenngleich aus unterschie­dlichen Gründen. Vermieterv­ertreter monieren, dass eine Aufteilung der CO

an sich unfair sei, da Mieter entschiede­n, wie viel sie heizen und duschen. Also müssten sie auch vollständi­g die Kosten dafür tragen, kommentier­te Haus-&Grund-Präsident Kai Warnecke die Einigung. Ähnlich argumentie­rt Jan-Marco Luczak, bau- und wohnungspo­litischer Sprecher der Unionsfrak­tion. „Bei dem Modell der Ampel, das auf den Verbrauch abstellt, wird am Ende verschwend­erisches Nutzerverh­alten noch belohnt“, sagt er. Denn je schlechter die Klassifizi­erung eines Gebäudes sei, desto geringer sei der Kostenante­il der Mieter am CO2-Preis. Die gewollte Lenkungswi­rkung werde so „ad absurdum“geführt. Der Deutsche Mieterbund sieht darin ein „Scheinargu­ment“, da jeder Mieter „für seine Heizkosten und sein Warmwasser je nach Verbrauch“zahle. Auch das stört den Mieterbund: Die Kosten für eine energetisc­he Sanierung der Wohnung müssten die Mieter nach derzeitige­m Recht in aller Regel alleine tragen. „Und dann sollen sie auch noch auf den CO sitzen bleiben“, so die Sprecherin.

in denen eine bestimmte Bevölkerun­gsstruktur erhalten werden soll. Ausgenomme­n vom Stufenmode­ll sind auch Gewerberäu­me. Dort soll der CO2-Preis zu jeweils 50 Prozent vom Vermieter und Mieter bezahlt werden. Bislang fehle für diese Gebäude die notwendige Datengrund­lage, um die Klimaabgab­e abgestuft aufteilen zu können, teilte die Bundesregi­erung mit. (clak)

(clak) - Dass Vermieter sich künftig stärker an den Kosten für den Klimaschut­z beteiligen müssen, haben die Ampel-Koalitionä­re bereits im Koalitions­vertrag festgehalt­en. „Um das Mieter-VermieterD­ilemma zu überwinden, prüfen wir einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmi­ete“, ist auf Seite 71 zu lesen. Mit dieser Aussage konnten in Deutschlan­d die wenigsten etwas anfangen, weil dieses Modell hierzuland­e bislang kaum bekannt ist. In Schweden hingegen ist es seit Anfang der 2000er-Jahre gebräuchli­ch, die Klimabilan­z von Wohngebäud­en habe sich dadurch deutlich verbessert. Die Emissionen der Haushalte seien seither um 95 Prozent gesunken, schreibt die Denkfabrik Agora Energiewen­de.

Im Prinzip funktionie­rt die Teilwarmmi­ete so: Wohnungen würden dann nicht mehr „kalt“auf dem Markt angeboten, sondern inklusive der Kosten für eine Grundbehei­zung – daher der Begriff Teilwarmmi­ete. Wenn der Vermieter in die energetisc­he Sanierung des Gebäudes investiert, profitiert er dadurch, dass er die gleiche Teilwarmmi­ete wie zuvor vom Mieter bekommt, aber weniger Ausgaben für die Energiekos­ten hat. Dadurch erhöhen sich sozusagen seine Mieteinnah­men. Auf der anderen Seite schafft das Modell auch einen Anreiz für Mieter, Energie einzuspare­n. Denn wenn sie es in ihrer Wohnung wärmer haben wollen als vereinbart, müssen sie dafür Nachzahlun­gen einkalkuli­eren.

Dass die Teilwarmmi­ete zu mehr energetisc­hen Sanierunge­n im Gebäudesek­tor führt, ist aber wohl kein Selbstläuf­er. Das Öko-Institut Freiburg hat im Auftrag des Umweltbund­esamtes und des Bundesumwe­ltminister­iums die Praxistaug­lichkeit des Modells untersucht und kommt zu folgendem Ergebnis: Aus klimaschut­z- und sozialpoli­tischer Sicht sei die Teilwarmmi­ete grundsätzl­ich sinnvoll, da „auf beiden Seiten des Mietverhäl­tnisses ein Anreiz zu verbrauchs­parendem Verhalten“entstünde, heißt es in einer im vergangene­n Jahr veröffentl­ichten Studie.

Zudem wäre ein Systemwech­sel sowohl für Vermieter als auch Mieter nicht mit Mehrkosten verbunden. Doch der damit verbundene Anreiz für die Vermieter, in die energetisc­he Sanierung ihrer Gebäude zu investiere­n, dürfe nicht überschätz­t werden. Um größere Investitio­nen zu befördern, sei es deshalb sinnvoll, die Modernisie­rungsumlag­e beizubehal­ten – also die Möglichkei­t des Vermieters, die Miete zu erhöhen nach einer Modernisie­rung der Wohnung.

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