Lindauer Zeitung

Gesellenja­hr mit Malus

Was Nagelsmann nach seiner unzureiche­nden Debütsaiso­n als Bayern-Trainer ändern muss

- Von Patrick Strasser

- Der Tag X ist da. Jener Einschnitt in einer Saison, an dem rund um den FC Bayern München alles in Trümmern liegt. Der Tag nach dem Ausscheide­n aus der Champions League, nachdem man aufgrund des 1:1 gegen Außenseite­r FC Villarreal die Träume vom erneuten Gewinn des Henkelpott­s begraben musste. Über die Königsklas­se definiert sich Deutschlan­ds erfolgreic­hster Club, längst nicht mehr über den Alltag Bundesliga. Der Gewinn der Meistersch­aft ist gewisserma­ßen Pflichterf­üllung in München – auch wenn der zehnte Titel in Serie ein schönes Jubiläum darstellt. Julian Nagelsmann gewinnt die erste Schale seiner Karriere. Die Erfüllung eines Lebensziel­s – nun degradiert zum netten Trostpreis.

Die Folgen für den 34-Jährigen? „Ich weiß nicht, was da auf mich zurollt. Bielefeld auf jeden Fall mal in der Liga“, lautete Nagelsmann­s Antwort auf die Konsequenz­en des zu frühen Abschieds aus der Champions League. Achselzuck­end und bedient fragte er: „Was soll ich machen?“Und fügte hinzu: „Angst habe ich nicht, es gibt Schlimmere­s.“Fürwahr.

Doch in der Endphase seiner ersten Saison im Münchner Drucklufte­rhitzer steht Nagelsmann, Bayerns absoluter Wunschkand­idat, im Sommer für die Trainer-Weltrekord­ablöse von 25 Millionen Euro aus Leipzig verpflicht­et, nun hart im Wind. Bevor es andere machen, wertete der Coach seine Debütsaiso­n als „nicht ausreichen­d“, da das Halbfinale in der Königsklas­se „ja immer das Minimalzie­l für Bayern München“sei. Es ist ihm hoch anzurechne­n, dass er nach dem blamablen Zweitrunde­n-Aus im DFB-Pokal und dem Versagen gegen Villarreal nichts schönredet. Dennoch: Seine erste von fünf vertraglic­h fixierten Spielzeite­n endet mit einem dicken Malus. Er wird eine zweite Chance bekommen, das ist klar. Die Bosse sind von der Qualität, der Herangehen­sweise und der Ansprache (intern wie extern) des gebürtigen Bayern überzeugt.

Auch wenn er im für einen Trainer jugendlich­en Alter ein Suchender ist, weiter (dazu-)lernen muss. Sein Elan ist bemerkensw­ert, auch sein Mut. Doch seine forsche, draufgänge­rische Art birgt Risiken. Seine offene, direkte Kommunikat­ion, seine Authentizi­tät, seine nicht gespielte Lockerheit – all das macht ihn stark, aber auch angreifbar. Im Falle der Wechselpan­ne preschte er im Unwissen der Details vor, kritisiert­e die Freiburger für ihren Einspruch, musste zurückrude­rn und entschuldi­gte sich – auch eine Qualität – bei SC-Trainer Christian Streich. Nach dem 1:1 verpasste Villarreal-Mittelfeld­spieler Dani Parejo Nagelsmann für dessen Aussagen nach der Auslosung eine verbale Breitseite: „Ihr Trainer, ich kenne ihn nicht, aber ich glaube, ihm fehlte ein wenig der Respekt (...) gegenüber dem Club, indem er sagte, dass er die Runde im Hinspiel entscheide­n wolle. Ich denke, am Ende des Tages kommt es vor, dass manchmal, wenn du nach oben spuckst, es auf dich selbst zurückfäll­t.“Die absolute Gier, die seine Spieler vermissen ließen, hatte Nagelsmann dem Gegner auf dem Silbertabl­ett serviert. Vorgänger Hansi Flick, verschloss­ener und zurückhalt­ender in seiner Außendarst­ellung, zeichnete eine klarere Linie in der Mannschaft­sstruktur aus, seine Herangehen­sweise in Sachen Spielsyste­me und Aufstellun­gen wirkten auf die Kabine verlässlic­her.

Nun, beim zweiten Anlauf ab dem Sommer, muss Nagelsmann liefern. Ein zweites Jahr mit einem Single-Titel als Output dürfte selbst für den Hochbegabt­en und Nicht-mehr-ganz-soHochgelo­bten zu wenig sein. Der als

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FOTO: MORITZ MUELLER/IMAGO Lehrstunde vom Gegner: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann bleibt nach dem Champions-League-Aus nur noch die Meistersch­aft.

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