Ukraine meldet russische Großoffensive
Tote bei Raketenangriff auf Lwiw – Präsident Selenskyi warnt Europa vor Zurückhaltung
(dpa) - In der Ukraine haben die russischen Truppen nach Angaben aus Kiew mit dem erwarteten Großangriff im Osten begonnen. Der Generalstab der ukrainischen Armee berichtete am Montagabend von „Anzeichen des Beginns der Offensive“, insbesondere in den Gebieten um die Großstädte Charkiw und Donezk.
Besonders umkämpft war weiter die bereits schwer zerstörte Hafenstadt Mariupol. Dort ließen die Ukrainer am Wochenende ein Ultimatum zur Kapitulation verstreichen. Ziel der Angriffe ist aber auch der Westen: In der Stadt Lwiw gab es nach Angaben der Behörden erstmals Todesopfer durch russische Raketen – mindestens sechs.
Mit einer Offensive im Osten wurde nach inzwischen mehr als sieben
Wochen Krieg bereits seit Tagen gerechnet. Dafür hatten sich die russischen Truppen nach Moskaus Darstellung aus dem Großraum Kiew zurückgezogen. Von russischer Seite gab es für den Beginn der Offensive zunächst keine Bestätigung.
Der ukrainische Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete, dass die Kontrolle über die Kleinstadt Kreminna bereits verloren gegangen sei. Es gebe Straßenkämpfe, eine Evakuierung sei nicht mehr möglich.
In der EU und in Deutschland wird weiter über Waffenlieferungen in die Ukraine debattiert.EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die EU-Staaten, der Ukraine schnell Waffen zur Verfügung zu stellen. „Für alle Mitgliedstaaten
gilt, wer kann, sollte schnell liefern, denn nur dann kann die Ukraine in ihrem akuten Abwehrkampf gegen Russland bestehen“, sagte sie. In Deutschland forderten Politiker aus der Union, aber auch von Grünen und FDP Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut zum Handeln auf.
Deutschland hat bisher unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen, Maschinengewehre, aber auch Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzausrüstung geliefert. Die Ukraine fordert aber auch die Lieferung schwerer Waffen. Darunter fallen etwa Kampfpanzer, Artilleriegeschütze oder auch Kampfhubschrauber.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi warnte auf dem Hintergrund der russischen Offensivkraft
vor Zurückhaltung. „Diejenigen, die von uns benötigte Waffen und Munition haben und ihre Hilfe zurückhalten, müssen wissen, dass das Schicksal dieser Schlacht auch von ihnen abhängt. Das Schicksal von Menschen, die gerettet werden können“, sagte er in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag.
Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“bewertete der ehemalige US-General und CIA-Direktor David Petraeus das brutale Vorgehen der russischen Armee gegen Zivilisten als „ sehr, sehr töricht. Die Taten verstärken den Hass der Ukrainer auf die Russen und tragen dazu bei, dass sich ein starker ukrainischer Nationalismus und eine Ablehnung Russlands ausbreiten.“