Lindauer Zeitung

Der König der Motorsägen

Unternehme­r Hans Stihl feierte am Ostermonta­g seinen 90. Geburtstag

- Von Christian Böhmer

(dpa) - Er machte aus einem schwäbisch­en Maschinenb­auer einen Motorsägen-Hersteller mit Weltrang. Auch im hohen Alter ist Hans Peter Stihl häufig im Betrieb in Waiblingen vor den Toren Stuttgarts anzutreffe­n. In der nüchtern gestaltete­n Kantine hat der Firmenpatr­iarch, der die Unternehme­nsleitung längst abgegeben hat, einen Stammplatz. Am Ostermonta­g feierte der einst mächtige Chef des Wirtschaft­sverbands DIHT seinen 90. Geburtstag.

Bodenständ­ig, präzise, bisweilen streng und stets aufs Geschäft bedacht: Stihl verkörpert für viele den erfolgreic­hen Familienun­ternehmer schlechthi­n. „Mein hauptsächl­iches Hobby ist natürlich die Firma“, bekannte der studierte Ingenieur einmal.

Als Stihl vor über 60 Jahren in das väterliche Unternehme­n einstieg, ging es dort bescheiden zu. Er zog in das Büro seiner Schwester Eva, weil es keinen anderen Platz gab. Diese aus der Not geborene Bürogemein­schaft hielt dann über Jahrzehnte. Eva Mayr-Stihl, die lange wichtige Aufgaben wie die Finanzen und das Controllin­g innehatte, starb am 9. April dieses Jahres im Alter von 87 Jahren. Das Tagesgesch­äft hat die Familie schon vor zwanzig Jahren an Manager übergeben. Beirat und Aufsichtsr­at werden jedoch von Stihls Sohn Nikolas geführt.

Das Kernproduk­t der Firma, die Motorsäge, stinkt und knattert – und ist laut. „Die Säge muss zum Baum – und nicht umgekehrt“, lautete ein Leitsatz von Stihls Vater Andreas, der den Maschinenb­auer vor fast einem Jahrhunder­t gründete.

Hans Peter Stihl internatio­nalisierte das Unternehme­n, machte es zum Weltmarktf­ührer mit Werken in Europa, Asien und Südamerika. 2020 setzte die Gruppe rund 4,6 Milliarden Euro um und beschäftig­te circa 18 200 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r – Zahlen für das vergangene Jahr gibt es noch nicht. Zum Gewinn schweigt man sich ohnehin aus – da ist der Hersteller ganz schwäbisch­er Mittelstän­dler.

Auch mit nun 90 Jahren ist der Firmenpatr­iarch im Waiblinger Familienun­ternehmen weiterhin präsent; er verfolgt die weltweite Geschäftse­ntwicklung

und die Entwicklun­g neuer Produkte. Keine alljährlic­he Waldexkurs­ion der Entwicklun­gsabteilun­g findet ohne Stihl statt, der neue Produkte auch weiterhin selbst prüft, wie es heißt.

„Motorsägen sind ja kein Allerwelts­produkt“, sagte Stihl einmal. Im Vergleich zur Automobil- und Chemiebran­che gebe es Mengen, die für Großkonzer­ne kaum interessan­t seien. „Aber für kleinere Firmen, die keine Angst davor haben, sich weltweit aufzustell­en, geben sie trotzdem interessan­te Stückzahle­n her“, lautete sein Fazit.

In den 80er-Jahren wagte der Unternehme­r den Sprung auf die wirtschaft­spolitisch­e Bühne, war von 1980 bis 1988 Verhandlun­gsführer der Arbeitgebe­r im regionalen Verband der Metallindu­strie. Zwischen 1988 und 2001 stand er dann dem Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) vor – dem heutigen Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag

(DIHK). In der turbulente­n Zeit der deutschen Wiedervere­inigung trat Stihl als Marktwirts­chaftler klassische­r Prägung auf, forderte Subvention­sabbau und den Stopp der Staatsvers­chuldung. Politisch interessie­rt ist der Sägenpioni­er bis heute: So nahm er in diesem Jahr an der Bundesvers­ammlung im Berliner Paul-Löbe-Haus zur Wahl des Bundespräs­identen teil.

Als Stihl noch vor dem Fall der Berliner Mauer an die DIHT-Spitze rückte, gab es auch Gegenwind. So wurde in der „Tageszeitu­ng“(taz) die Frage debattiert, wie viel Verantwort­ung der Sägenfabri­kant für die Rodung des Urwaldes trage. 2016 reagierte die Firma Stihl auf Vorwürfe der Organisati­on „Rettet den Regenwald“, wonach Tochterunt­ernehmen eines Stihl-Importeurs in Malaysia illegalen Holzeinsch­lag betrieben. Stihl verurteile ungesetzli­chen Holzeinsch­lag im geschützte­n Regenwald und großflächi­ge Brandrodun­gen,

hieß es damals in einer Erklärung.

In Waiblingen stehen die Zeichen nicht auf Veränderun­g. Der Hersteller soll weiter in Familienha­nd bleiben. „Die Firma Stihl hat heute in unserer Branche das Alleinstel­lungsmerkm­al, dass sie seit ihrer Gründung vor 96 Jahren voll im Eigentum unserer Familie geblieben ist“, sagt Hans Peter Stihl. Er ist bis heute persönlich haftender Gesellscha­fter und lässt auch deshalb die Zügel nicht gänzlich aus der Hand.

Eine private Feier im Kreis der Familie, ein Abendessen mit Führungskr­äften der Firma und Weggefährt­en – einen großen Bahnhof werde es anlässlich des runden Geburtstag­s des Unternehme­rs nicht geben, hieß es im Vorfeld. Noch vor zehn Jahren wurde anlässlich seines 80. Geburtstag­s zu einer offizielle­n Veranstalt­ung geladen. Diese habe, wie Stihl einmal trocken bemerkte, die „gebotene Kürze“gehabt.

 ?? FOTO: THOMAS NIEDERMÜLL­ER/DPA ?? Hans Peter Stihl mit einer Stihl-Motorsäge in der Hand auf einem Foto von 2012: Der Firmenpatr­iatch feierte am Ostermonta­g seinen 90. Geburtstag. Bis heute ist er in seinem schwäbisch­en Weltkonzer­n tätig.
FOTO: THOMAS NIEDERMÜLL­ER/DPA Hans Peter Stihl mit einer Stihl-Motorsäge in der Hand auf einem Foto von 2012: Der Firmenpatr­iatch feierte am Ostermonta­g seinen 90. Geburtstag. Bis heute ist er in seinem schwäbisch­en Weltkonzer­n tätig.

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