575 Euro für 70 Quadratmeter – kann das sein?
Betrüger zocken Wohnungssuchende im Allgäu ab - Polizei mahnt zur Vorsicht
- Die 27-jährige Christina Schuster konnte ihr Glück kaum fassen: eine günstige Wohnung in zentraler Lage in Kempten. Und das trotz des schwierigen Wohnungsmarktes. Doch schon vor der Besichtigung wollte die angebliche Vermieterin eine vierstellige Summe von ihr. „Der Preis war nicht lächerlich und die Wohnung schön. Ich habe ernsthaft überlegt, das Geld zu überweisen“, sagt sie. Wie Schuster geht es zahlreichen Menschen in Kempten und anderen Teilen des Allgäus, die eine Wohnung suchen. Doch die 27-Jährige erkannte den Betrug, bevor es zu spät war: „Es gab ein paar Punkte, die mich stutzig gemacht haben. Es war fast zu gut, um wahr zu sein.“
Auf der Wohnungsplattform „Immoscout24“entdeckte die Kemptenerin das Inserat. Zwei Fotos einer 70 Quadratmeter-Wohnung für monatlich 575 Euro waren darin zu sehen. Sie schrieb die Vermieterin über das Portal an, eine Antwort bekam sie aber per Mail. „Eigentlich hätte ich da schon zweifeln müssen“, sagt Schuster. Doch sie trat mit der angeblichen Vermieterin in Kontakt. Schnell ging es um Geld. Der Grund: Die Vermieterin halte sich für unbestimmte Zeit im Ausland auf und wolle die Schlüssel an die potenzielle Mieterin per Post schicken. Weil sie damit in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe, wolle sie dafür eine Kaution in Höhe von 2000 Euro – als Sicherheit für beide Seiten.
„Wenn marktuntypisch schon vor der Besichtigung eine Kaution oder erste Miete verlangt wird, weist alles auf eine Betrugsmasche hin“, sagt Dominic Geißler, Sprecher der Polizei Schwaben Süd/West. Die Beamten hätten im Allgäu regelmäßig mit solchen Fällen zu tun. Pro Landkreis liege die Zahl solcher Taten jährlich im zweistelligen Bereich. „Doch wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“
Häufig würden Betrüger die Wohnungsinteressenten auffordern, eine Kaution auf ein ausländisches Konto zu überweisen. In Schusters Fall war es anders. Die Betrüger gaben vor, dass das Geld über das Ferienwohnungsportal „Airbnb“hinterlegt werden könne, ohne direkt auf einem Konto zu landen. So ein Verfahren gebe es laut einer Sprecherin von „Airbnb“aber gar nicht.
Außerdem rät die Sprecherin dazu, Buchungen generell ausschließlich über die Originalseite zu tätigen. Betrüger würden die Website oft täuschend echt nachbauen. Lediglich eine kleine Veränderung in der Internetadresse – beispielsweise ein Zahlendreher – lässt den Schwindel erkennen. Auch in anderen Bundesländern treten solche Fälle immer wieder auf. Unter anderem das Landeskriminalamt Niedersachsen ermittelt bezüglich einer Masche nach diesem Muster.
Auch der 29-jährige Michael Schiegg und seine Partnerin wären bei ihrer Wohnungssuche in Kempten beinahe Opfer eines Betrugs geworden. „Wir hatten es eilig und es gab kaum passende Angebote“, erzählt Schiegg. Die Zahlung per „Airbnb“sei für sie untypisch, aber nicht alarmierend gewesen. „Wir dachten uns: Super, dann haben wir schon die erste Miete bezahlt und können schnell einziehen.“Trotzdem habe Schiegg ein ungutes Gefühl gehabt. Er fuhr zu der angegebenen Adresse, doch dort war kein Wohn-, sondern ein Geschäftsgebäude. „Damit war für uns klar, dass es sich um einen Fake handelt.“Das Paar habe kein Geld überwiesen und sich nicht weiter mit dem Vorfall beschäftigt.
Polizeisprecher Geißler rät Betroffenen dazu, Betrugsversuche auch zur Anzeige zu bringen, wenn keine Überweisung getätigt wurde: „Dies hilft der Polizei, Tatzusammenhänge herzustellen und den Betrügern das Handwerk zu legen.“Außerdem sollten die Inserate beim jeweiligen Wohnungsportal gemeldet werden.
„Oftmals nutzen Betrüger außerdem gefälschte oder rechtswidrig erlangte Ausweisdokumente, um ihre angebliche Identität zu bestätigen“, sagt Geißler. So war es auch bei Christina Schuster. Die Betrüger schickten ihr das Foto eines Ausweises, der einer 53-jährigen Frau aus Hessen gehört. Diese gibt auf Anfrage unserer Zeitung an, den Identitätsdiebstahl bereits bei der zuständigen Polizeiinspektion gemeldet zu haben. Doch die Betrüger machen weiter.