Lindauer Zeitung

Linken-Chefin wirft hin

Hennig-Wellsow begründet Entscheidu­ng mit Sexismus in der Partei – Co-Vorsitzend­e Wissler nun im Fokus

- Von André Bochow

- Die Nachricht schlug in der linken Parteizent­rale wie ein Blitz ein. Im Karl-Liebknecht-Haus versichert man, erst über Twitter und durch die diversen Eilmeldung­en erfahren zu haben, dass Susanne Hennig-Wellsow nach nur 14 Monaten an der Parteispit­ze das Handtuch geworfen hat. Die zuvor in Thüringen sehr erfolgreic­he Politikeri­n war bundesweit durch einen anderen Wurf bekannt geworden. Als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD in Erfurt zum Ministerpr­äsidenten gewählt wurde, knallte die damals 42-Jährige dem Liberalen die Glückwunsc­hblumen vor die Füße.

Ihr Rücktritt als Bundespart­eivorsitze­nde kam nach ihren eigenen Worten nicht ganz so spontan. Nach „reiflicher Überlegung“habe sie sich schweren Herzens zu dem Schritt entschloss­en.

Hennig-Wellsow nennt drei Gründe: erstens, die persönlich­e Situation, womit vor allem die fehlende Zeit für ihren achtjährig­en Sohn gemeint ist. Zweitens, die schwierige Lage, in der sich ihre Partei befindet. Mitglieder und Wähler seien enttäuscht worden und sie selbst habe Fehler gemacht. Die Linke habe es verdient, von Menschen geführt zu werden, die unseren Anhängern und Mitglieder­n „wieder Mut machen“, schreibt Hennig-Wellsow in ihrer Erklärung. Und drittens habe „der Umgang mit Sexismus in den eigenen Reihen eklatante Defizite unserer Partei offengeleg­t“.

Allzu lange ging Hennig-Wellsows Amtszeit damit nicht: Gut ein halbes Jahr vor der Bundestags­wahl war sie auf einem Parteitag gemeinsam mit Janine Wissler an die Spitze der Linken gewählt worden. Die Partei

war bei der Wahl dann deutlich von 9,2 auf 4,9 Prozent abgerutsch­t und nur wegen dreier Direktmand­ate überhaupt wieder ins Parlament eingezogen.

Nicht zuletzt bei den Linken selbst versteht man das als Signale an Janine Wissler, ebenfalls über einen Rücktritt nachzudenk­en. In die zur Debatte stehenden, mutmaßlich­en sexuellen Übergriffe im Landesverb­and Hessen soll der ehemalige Lebensgefä­hrte Wisslers maßgeblich verwickelt gewesen sein. Der Vorwurf: Wissler habe als Landesvors­itzende nicht rechtzeiti­g und entschiede­n genug gehandelt. Wissler bestreitet das energisch, aber die Vorfälle in Hessen haben schon vor dem Rücktritt zur Einberufun­g einer Sondersitz­ung des Parteivors­tandes geführt, die bei Redaktions­schluss noch andauerte.

Bundestags­fraktionsc­hef Dietmar Bartsch findet, „dass die Vorwürfe sehr ernst genommen werden müssen“. Gleichzeit­ig appelliert er an seine Partei, „gesellscha­ftlich eingriffsf­ähig zu bleiben“.

Auf einem Programmpa­rteitag im Juni wollten die Linken über die für sie desaströse Bundestags­wahl und über den schlechten Allgemeinz­ustand der Partei reden. Nun muss der Parteitag wohl zu einem Wahlpartei­tag umfunktion­iert werden. „Ich werde vorschlage­n, dass wir auf dem Parteitag im Juni den Parteivors­tand neu wählen und die notwendige­n Weichen stellen“, lässt prompt Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler wissen.

Dass das Ende der Partei bevorsteht, glaubt Dietmar Bartsch nicht. „Richtig ist, dass wir in einer schweren Krise sind. Wir haben aber schon ganz anderes überstande­n.“Vorerst aber ist völlig unklar, wer die Partei in Zukunft führen soll.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Susanne Hennig-Wellsow, Co-Parteivors­itzende der Linken, tritt zurück. Im Juni könnte es Neuwahlen geben.

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