Hufschmied rettet vernachlässigtes Pferd
Viel zu lange Hufe – Kaltblutstute kann kaum mehr stehen
- Angel schwebt. Allerdings nicht leichtfüßig über eine saftige grüne Wiese, wie man es der Schimmeldame wünschen möchte. Nein. Sie hängt, von fünf Gurten gehalten, an einem Schwebelift im Hufzentrum von Fabian Kaiser. Das Tier ist aus schlechter Haltung befreit worden. Im Deggenhausertal hat sie bei ihren Rettern ein neues Zuhause gefunden.
Welches Leid die junge Kaltblutstute in ihrem kurzen Leben bereits erdulden musste, ist sehr schwer in Worte zu fassen. Nur so viel: Das Horn an ihren Hufen rollte sich bereits nach oben, da es über Jahre nicht oder nur mäßig gekürzt wurde. Hinzu kommt eine schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, eine sogenannte Hufrehe, die – dermaßen fortgeschritten – einem Todesurteil gleichkommt.
In Angel aber steckt eine Kämpferin. „Sie hat unsere Seele berührt und ist so dankbar für alles Gute, was wir ihr entgegenbringen.“Ergriffen spricht Melanie Kaiser von der Stute, deren geschundener Körper im Augenblick nicht so recht zu ihrem eindrucksvollen Hals und ihrem kräftigen Hinterteil passen will.
Sollten ihr Mann Fabian und all diejenigen Erfolg haben, die sich an Angels Rettung beteiligen, kann sich die junge Schimmeldame in eine imposante Kaltblutstute verwandeln. Doch das ist ein langer Weg. „Unser Tierarzt bestärkt mich. Er glaubt, dass wir eine Chance haben, das Pferd zu retten“, sagt Fabian Kaiser.
Bereits seit einigen Jahren arbeiten er und Tierarzt Dr. Carsten Holtschmidt
Hand in Hand, wenn es um Hufprobleme bei Pferden geht. „Einen Fall wie diesen habe ich allerdings noch nie erlebt“, berichtet der 37-jährige Hufschmied. In einem Bearbeitungs-Marathon von drei Stunden hat er gut sechs Kilogramm Horn von Angels Füßen geschnitten.
Obwohl sie der sanftmütigen Stute Schmerzmittel gegeben und sie zur Behandlung in einen Schwebelift gehängt haben, sei sie kaum in der Lage gewesen, den Huf aufzuheben. „Sie hatte dermaßen Schmerzen und konnte das Gleichgewicht kaum halten. Es mussten zwei Personen auf einer Seite gegen das Pferd drücken, um sie auf den Beinen zu halten“, berichtet Kaiser. Seither sind zwei Wochen vergangen, und Angel hängt tapfer in den Gurten. Sie zeigt inzwischen deutlich, welche Erleichterung der Eingriff ihr verschafft hat.
Bereits einen Tag nach dem Bearbeitungs-Marathon bewegte sich die 1,71 Meter große Stute freiwillig im Lifter. „Sie genießt ihr neues Lebensgefühl und das inzwischen ganz ohne Schmerzmittel“, erzählt Fabian Kaiser. „In kleinen Schritten geht es bergauf.“
Der Schwebelift entlastet die Pferdebeine um 20 Prozent des körpereigenen Gewichts. „Sobald der Reheschub vorbei ist, darf sie wieder komplett auf ihren eigenen Hufen stehen“, erklärt Kaiser, der 2019 sein Hufzentrum in Wahlweiler eröffnet hat. Er schätzt allerdings, dass das noch vier bis sechs Wochen dauern wird. „Dann können wir uns hoffentlich der Regeneration des Bewegungsapparats und dem Muskelaufbau widmen.“Unterstützung bekommt er dabei von der Pferde-Osteopathin und Physiotherapeutin
Silke Ziebarth. Es wird einige Zeit brauchen, bis im besten Fall aus der gepeinigten Stute eine rassetypisch schwere und stolze Schimmeldame wird. Denn das Tier hat, so berichtet es Fabian Kaiser, in seinen jungen Jahren bereits mehr Leid erlebt, als andere in einem ganzen Pferdeleben. „Sie kommt, so hat man mir erzählt, von Menschen, die es im Grunde nicht schlecht mit ihr meinten.“
Allerdings hätten Alkohol und psychische Probleme dazu geführt, dass die ehemaligen Besitzer ihr Tier dermaßen vernachlässigten. Seit Jahren hat das Pferd keinen Hufschmied gesehen. Doch im Gegensatz zu ihren wilden Vorfahren, die viele Kilometer am Tag zurücklegten, läuft sich das überschüssige Horn nicht von alleine ab.
Vor Schmerzen hat die Stute wohl viele Stunden am Tag liegend im Schuppen verbracht, erzählt Kaiser. „Wäre die örtliche Tierärztin nicht eingeschritten und hätte darauf eingewirkt, dass die das Pferd abgeben, dann wäre das ihr Todesurteil gewesen.“Tierärztin Martina Bernauer hat dafür gesorgt, dass Angel mit der Tierrettung Oberschwaben ins Deggenhausertal kam und dort ein neues Leben beginnen darf.
„Es ist toll, wie viele Menschen hier an einem Strang ziehen, um dieser arme Seele ein neues Leben zu schenken“, fasst Melanie Kaiser ihre Gefühle in Worte. „Und wir geben sie auch nicht mehr her. Angel hat bei uns einen Platz auf Lebenszeit – egal, ob wir sie eines Tages vielleicht sogar reiten können oder ob sie ,nur’ ein glückliches Koppelpferd wird. Das hat sie einfach verdient.“