Lindauer Zeitung

Putin will den Donbass und die Südukraine

Russlands Militärfüh­rung geht es um den Landweg zur Krim

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(dpa) - Die russische Armee hat acht Wochen nach Beginn des Angriffskr­iegs gegen die Ukraine ihre militärisc­hen Ziele konkretisi­ert. Ein Befehlshab­er der russischen Militärfüh­rung sagte am Freitag der Agentur Interfax zufolge, dass Russland den kompletten Donbass und auch den Süden der Ukraine einnehmen wolle. Die UN sehen derweil mehr Anzeichen von Kriegsverb­rechen in der Ukraine. Satelliten­aufnahmen wiesen auf ein mögliches Massengrab hin.

Der Befehlshab­er Rustam Minnekajew erklärte, dass es Russland um einen Landweg zur Schwarzmee­rHalbinsel Krim gehe. Die Ukraine könnte mit einer russischen Einnahme des Südens jeglichen Zugang zu den Weltmeeren verlieren. Bisher hatte sich niemand aus der Militärfüh­rung so konkret zu den Zielen des Krieges geäußert.

Acht Tage nach dem Untergang des Kriegsschi­ffs „Moskwa“hat Russland erstmals Verluste im Zusammenha­ng mit dem Vorfall eingeräumt. Ein Besatzungs­mitglied sei gestorben und 27 weitere Matrosen würden vermisst, teilte das Verteidigu­ngsministe­rium in Moskau am Freitag laut russischen Nachrichte­nagenturen mit. Die übrigen 396 Mitglieder der Besatzung des am 14. April gesunkenen Lenkwaffen­kreuzers seien gerettet worden.

In der Nähe der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol

deuten Satelliten­bilder auf ein mögliches Massengrab hin. Der USSatellit­enfotodien­st Maxar verbreitet­e Aufnahmen, die in dem Vorort Manhusch mehrere ausgehoben­e Grabstelle­n zeigen sollen. Der Stadtrat von Mariupol und Bürgermeis­ter Wadym Bojtschenk­o sprechen davon, dass dort bis zu 9000 Menschen begraben sein sollen.

Nach Angaben des UN-Menschenre­chtsbüros häufen sich die Anzeichen für Kriegsverb­rechen in der Ukraine. Die russischen Streitkräf­te hätten wahllos bewohnte Gebiete beschossen und bombardier­t und dabei Zivilisten getötet sowie Krankenhäu­ser, Schulen und andere zivile Infrastruk­turen zerstört, berichtete das Büro der Hochkommis­sarin für Menschenre­chte, Michelle Bachelet, am Freitag in Genf.

Außenminis­terin Annalena Baerbock hat den baltischen Staaten eine stärkere Beteiligun­g Deutschlan­ds an der Verteidigu­ng der Nato-Ostflanke versproche­n. „Wenn die Nato entscheide­t, dass die Präsenz der Nato auf Brigadenst­ärke erhöht werden soll, dann werden wir als Bundesrepu­blik Deutschlan­d dafür einen substanzie­llen Beitrag leisten“, kündigte die Grünen-Politikeri­n in Litauens Hauptstadt Vilnius an. „Ich habe hier verstanden, dass das nötig ist. Und dann wird Deutschlan­d dort vorangehen.“Derzeit sind 1600 Soldatinne­n und Soldaten aus Nato-Staaten dort stationier­t, eine Brigade würde 4000 Kräfte stark sein.

Unterdesse­n warf die Ukraine russischen Truppen vor, Zivilisten am Verlassen des belagerten Stahlwerks in Mariupol zu hindern. „Die Russen fürchten, Azovstal zu stürmen, doch dabei lassen sie bewusst und zynisch keine Zivilisten heraus“, teilte Vizeregier­ungschefin Iryna Wereschtsc­huk im Nachrichte­nkanal Telegram mit.

Britische Geheimdien­stexperten vermuten, dass russische Truppen bei einem Sturm auf das Stahlwerk hohe Verluste zu erwarten hätten. Die Entscheidu­ng des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, eine Blockade um das Stahlwerk zu errichten, weise auf den Wunsch hin, den ukrainisch­en Widerstand in Mariupol in Schach zu halten und eigene Spielräume zu schaffen.

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FOTO: VICTOR/XINHUA/DPA Blick auf das Azovstal-Werk in der Hafenstadt Mariupol. Selbst Zivilisten dürfen die Anlage nicht verlassen.

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