Schwarzes Gold aus Oberschwaben
Jahrzehntelang wurden im Südwesten Erdöl und Erdgas gefördert – Werden die noch vorhandenen Reserven angesichts der Energiekrise wieder interessant?
sogenannte Pferdekopf einen Kolben in das Bohrloch, der mit einem Pumpmechanismus das Erdöl aus dem Speichergestein in Richtung Oberfläche presst.
In der Hochzeit förderte die Kasseler Aktiengesellschaft Wintershall Dea mit 18 solcher Pumpen und unter Einsatz von etwa 35 Beschäftigten täglich bis zu 200 Tonnen Öl aus dem Mönchsroter Erdölfeld. Zwischen den beiden Teilorten Ellwangen und Mönchsrot der Gemeinde Rot an der Rot hatte das Unternehmen – zum damaligen Zeitpunkt noch ein Tochterunternehmen der BASF – zwischen 1958 bis 1995 insgesamt knapp eineinhalb Millionen Tonnen Öl aus dem 1600 Meter tief gelegenen Karbonsandstein geholt.
Vor etwa sieben Jahren hatte Wintershall Dea, die seit über 100 Jahren in Deutschland Erdöl und -gas fördert, untersucht, ob mit neuen Technologien die stillgelegte Lagerstätte wieder reaktiviert werden könnte. Denn ganz versiegt war die Quelle zum Zeitpunkt der Stilllegung nicht. Noch immer ist in den Gesteinsschichten rund um Steinhausen an der Rottum, Rot an der Rot und Hauerz Erdöl eingeschlossen. Aus diesem Grund hat Wintershall 2015 im Landkreis Biberach und Ravenburg seismische Messungen in Auftrag gegeben, um einen Überblick über die noch verfügbare Erdölmenge zu erhalten.
Für die Förderung von Restvorkommen oder Gas aus besonders dichten Gesteinen müsste in Deutschland jedoch unter Umständen auf Fracking zurückgegriffen werden. Vor allem dann, wenn der Druck, den die Pferdekopfpumpe erzeugt, nicht mehr ausreicht.
Beim Fracking wird eine Flüssigkeit unter hohem Druck in die erdölführenden Gesteinsschichten gespritzt, so dass kleine Risse entstehen und das darin gespeicherte Öl oder Gas durch eine Bohrleitung an die Oberfläche gelangt – allerdings mit Risiken für das Grundwasser.
Die Flüssigkeit enthält neben Wasser auch Chemikalien, die als umweltschädlich eingestuft werden. Das Verfahren ist daher in Deutschland nur unter strengen Auflagen erlaubt, in sensiblen Regionen nahe Wasserschutzgebieten, Heilquellen oder an Seen ist es komplett verboten.
In Deutschland wurde dieses Förderverfahren laut Umweltbundesamt bisher im Norddeutschen Becken rund um Hannover, Horstberg und Groß-Schönebeck, sowie im Oberrheingraben bei Landau und Insheim angewandt.
Neue Fracking-Vorhaben sind derzeit nicht geplant – auch nicht zugunsten einer schnellen Energieunabhängigkeit von Russland. „Ich glaube, dass das nicht der Weg ist, den wir gehen sollten“, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Statt nach kurzfristigen Förderalternativen zu suchen, wolle die Bundesregierung eher in erneuerbare Energien und Wasserstoff investieren: „Es würde helfen, die Produktion kurzfristig zu steigern – mit der Konsequenz, dass man am Ende früher aussteigt. Unsere Probleme können wir dadurch aber nicht lösen.“Denn wie in Baden-Württemberg seien auch sonst in Deutschland die konventionellen Förderfelder weitgehend ausgeschöpft, so Habeck.
Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hatte sich dagegen grundsätzlich für Fracking in Deutschland ausgesprochen. In Bayern werden derzeit jährlich etwa 40 000 Tonnen Erdöl gefördert. Das Öl stammt aus Förderstätten in der Nähe von Großaitingen südlich von Augsburg, aus Hebertshausen bei Dachau sowie aus Schwabmünchen. Hinzu kommen Hunderte Tonnen aus Testbohrungen.
Wintershall hat sich letzten Endes gegen eine Reaktivierung der Mönchsroter Förderstätte entschieden. Sechs Jahre nach den Untersuchungen, im Februar 2021, verkaufte das Unternehmen seine Konzession, das Nutzungsrecht für das Ölfeld zwischen Ellwangen und Mönchsrot, an die Firma Oneo aus Hannover, die sich auf umweltverträgliche Verfahren der Erdöl- und Gasförderung spezialisisert hat. Den Verkauf begründete Wintershall damit, sich künftig stärker auf seine Förderstätten in Norddeutschland konzentrieren zu wollen.
Wenig vielversprechend sind auch die Einschätzungen für die Erdölkonzession Markdorf-Saulgau. Aus den zwei Erdölfeldern „Markdorf“und „Fronhofen-Illmensee“hat die Deutsche Schachtbau- und Tiefbohrgesellschaft bis 1997 über 32 Jahre hinweg etwa 480 000 Tonnen Erdöl sowie 1,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert. In einem Gebiet, das sich – wie der Name des Erdölfeldes schon andeutet – von Illmensee bis Fronhofen erstreckt hat, lagerten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die größten Erdöl- und Erdgasvorkommen Baden-Württembergs. „Die Produktion wurde in den 1990er-Jahren eingestellt, da sie nicht mehr wirtschaftlich war“, nennt Sandra Arendt, Pressesprecherin des Nachfolgeunternehmens Neptune Energy, als Grund für die Stilllegung. Eine Wiederaufnahme des Betriebes zur Förderung des verbliebenen Öls schließt der Energiekonzern aus Hannover gegenwärtig deshalb aus.
Das ehemalige Feld „FronhofenIllmensee“in der Nähe von Wilhelmsdorf wird heutzutage von dem Berliner Unternehmen Storengy als unterirdischer Speicher betrieben. Mit dem hier gelagerten Erdgas werden nach Angaben von Storengy die Landeshauptstadt Stuttgart versorgt sowie Energieengpässe ausgeglichen. Auf zehn Millionen Kubikmeter Erdgas, das entspricht dem Arbeitsvolumen des Speichers, könne jährlich zurückgegriffen werden. Umgerechnet sind das 100 Millionen Kilowattstunden oder der Stromverbrauch von 20000 Vier-PersonenHaushalten.
Wenn also auch im Untergrund Oberschwabens bis heute letzte Reserven des sprichwörtlich „schwarzen Goldes“lagern: Zu einem Klein-Dallas wird die Region deshalb in absehbarer Zukunft aber trotzdem nicht.