Gegen die Vergangenheit, für die Zukunft
VfB Stuttgart möchte gegen Hertha BSC wichtigen Schritt Richtung Klassenerhalt machen
- Die Nettigkeiten an den VfB Stuttgart gingen Felix Magath und Fredi Bobic leicht über die Lippen – doch dann schalteten der Trainer und der Sportchef von Hertha BSC schnell in den Angriffsmodus. „Ich wünsche ihnen wirklich alles Gute – nach unserem Spiel“, sagte Bobic vor dem wichtigen Abstiegsduell mit seinem Ex-Club aus Schwaben am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN).
Auch Magath, der Stuttgarts „junge Wilde“von 2001 bis 2004 trainierte und dort die „nicht nur sportlich, auch privat schönste Phase“gehabt hatte, will die Vergangenheit ausblenden. „Das ist sonnenklar. Von Rücksichtnahme kann keine Rede sein. Die Punkte aus Augsburg zählen erst richtig, wenn wir gegen Stuttgart wieder punkten“, meinte der Coach vor dem Duell des Tabellen-15. gegen den 16.
Stuttgart ist Vergangenheit, Hertha die Gegenwart. Und in dieser geht es für den Hauptstadtclub ebenso wie für den VfB erbarmungslos gegen den Abstieg in die 2. Bundesliga. Für die Berliner kommt diese Krisensituation jedoch deutlich überraschender als für die Schwaben, die sich nach ihrem Aufstieg 2020 im zweiten Jahr im Oberhaus früh auf eine schwierige Saison eingestellt hatten. Bei Hertha waren die Ambitionen ganz andere, Investor Lars Windhorst pumpte kolportierte 300 Millionen Euro in den Verein, um aus diesem einen „Big-City-Club“mit regelmäßigen Auftritten auf europäischem Parkett zu machen. Herausgekommen ist ein Team „das keine Mannschaft ist“(Zitat Magath) und ein Chaos-Club, der von ganz Fußball-Deutschland mit Spott überschüttet wird.
Der Verein stecke „letztlich in einem Teufelskreis aus hohen Erwartungen, öffentlichen Störgeräuschen, sportlich enttäuschten Hoffnungen und vielen personellen Wechseln“, sagte Sportdirektor Bobic im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“– verschwieg dabei aber, dass auch er an dieser Situation nicht unschuldig ist. Immerhin hat der 50-Jährige, nachdem er im Sommer mit großen Visionen von Eintracht Frankfurt zur Hertha gewechselt ist, die Führungsebene weitgehend ausgetauscht und in Magath bereits den dritten Trainer in dieser Saison auf die Bank geholt. „Die Tonalität und die Lautstärke, die hier bisweilen rund um den Club herrschen, sind sicher nicht förderlich für eine Leistungskultur, das muss sich dringend ändern. Aber ich begreife das als ständige Herausforderung.“
Ein wenig erinnert die Situation in Berlin an den VfB früherer Zeiten. Einen, den Bobic (Spieler von 1994 bis 1999 und Manager von 2010 bis 2014) nur zu gut kennt. Einen, der unter Druck in Aktionismus und Chaos verfällt. Einen, dessen Rückkehr die aktuellen Verantwortlichen in Stuttgart auch in der größten Abstiegsgefahr offenbar mit aller Macht verhindern wollen. So beschrieb Sportdirektor Sven Mislintat seinen Gefühlszustand in einem „Kicker“-Interview
als „unnervös“. Und Trainer Matarazzo betonte, dass man auch vor dem so richtungsweisenden Spiel in der Hauptstadt nicht in Panik verfalle: „Wir haben keine Angst, sondern Respekt. Angst nimmt Energie, Respekt gibt Energie.“Das gesamte Team freue sich auf „die Riesenchance, mit einem Sieg den Relegationsplatz zu verlassen“.
Dass am Sonntagabend im Olympiastadion eine Menge auf dem Spiel steht, ist zwar auch Matarazzo bewusst, dennoch ist der USAmerikaner darum bemüht, den Druck von seinen Spielern zu nehmen. Das Abstiegsduell gegen Berlin sei sehr wichtig, „weil es die Richtung für die kommenden Wochen vorgibt“, aber „kein Endspiel, weil wir danach noch drei Spiele haben“. Und in diesen geht es wie für die
Pellegrino Matarazzo
Hertha nur um den Klassenerhalt. „Das ist nicht die schönste Aufgabe“, sagte Matarazzo, „aber ich lebe für diese Aufgabe.“Er sei „24 Stunden online“für den Verein und träume sogar vom VfB. „Das ist natürlich nicht nur gewinnbringend. Eigentlich bräuchte man schon etwas Abstand für eine gewisse Frische.“
Diese erwartet Matarazzo am Sonntag von seinen Spielern, schließlich gilt es bei der „aggressiven Spielweise“der Hertha unter Magath dagegenzuhalten. „Es ist wichtig, sich nicht einschüchtern zu lassen.“Das gilt auch in Bezug auf die großen Namen der beiden Ex-Stuttgarter auf der Gegenseite. Auch wenn diese, offenbar kein Problem damit haben, ihren ExClub in den Abgrund zu schicken. „Sie müssen sich auf einen harten Kampf einstellen“, schickte Magath eine Ansage Richtung Süden. „Wir werden mit allen Mitteln versuchen, drei Punkte hierzubehalten.“Was der einstige Erfolgstrainer damit meint, ist in Schwaben wohlbekannt.