Die Rückkehr der Löwen lohnt sich
In Ruanda wurde wieder ein Rudel der Raubkatzen angesiedelt – Das Symboltier Afrikas kurbelt nicht nur den Tourismus an, sondern stabilisiert auch das Ökosystem
800 000 Menschen ums Leben kamen, lokal ausgerottet wurden. Flüchtlinge besetzten damals einen Teil des Akagera-Nationalparks im Nordosten des Landes und nutzten ihn als Weideland. Um ihr Vieh zu schützen, jagten und vergifteten sie die verbleibenden Löwen.
Sieben Jahre nach der Umsiedlung der ersten Raubkatzen zeigt das Umsiedlungsprojekt bereits großen Erfolg. Etwa drei Autostunden von Ruandas Hauptstadt Kigali entfernt leben heute 43 Löwen in dem 1100 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet, zusammen mit Nashörnern, Büffeln, Elefanten, Zebras, Giraffen, Leoparden, Hyänen, Flusspferden und Antilopen. Bantlins Team, das von der Tierschutzorganisation African Parks unterstützt wird und das Umsiedlungsprojekt in Akagera leitet, überwacht das Rudel eng mit digitalen Ortungsgeräten. Die
Ranger beobachten das Sozial-, Jagdund Paarungsverhalten der Tiere, halten ein wachsames Auge auf ihren Gesundheitszustand und Nachwuchs, und schützen die Löwen vor Wilderern.
Seit der Rückkehr der Löwen ist Akagera zu einem wichtigen Tourismusziel in Ruanda geworden. Zuvor seien die Besucher lediglich für die Berggorillas gekommen, die im Virunga-Park weiter im Westen an der Grenze zu Uganda und der Demokratischen Republik Kongo leben, und anschließend sofort wieder abgereist, erklärt Jean-Paul Karinganire, Sprecher des Akagera-Nationalparks. „Die Löwen haben dem Park neuen Status verliehen“, erzählt er. Die jährliche Besucherzahl sei von 15 000 im Jahr 2010 auf heute 50 000 gestiegen. Die Einnahmen des Parks hätten sich im gleichen Zeitraum mehr als verzehnfacht. Die Gelder hätten Arbeitsplätze geschaffen und seien in den Naturschutz geflossen, so Karinganire.
„Der Löwe ist das erste Tier, das einem in den Sinn kommt, wenn man an Afrika denkt. Jeder Safari-Tourist will als Erstes einen Löwen sehen“, sagt Charli Pretorius, die Ökologin des südafrikanischen Phinda-Naturreservats, das fünf der ersten Löwen an Ruanda spendete. Das habe auch mit dem positiven Bild zu tun, das die Filmindustrie in Hollywood durch Filme wie „Der König der Löwen“geschaffen habe, meint Pretorius.
In Akagera hat die Rückkehr der Löwen wesentlich mehr erreicht als bessere Einnahmen. Die Raubtiere helfen, das nach dem Genozid über viele Jahre vernachlässigte Ökosystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sagt Karinganire. Die Präsenz der Löwen, die ganz oben in der Nahrungskette stehen, habe sich positiv auf viele andere Arten ausgewirkt, erklärt er. Beispielsweise gebe es nun wieder mehr Hyänen und andere Aasfresser im Park, unter anderem den als „kritisch gefährdet“eingestuften Wollkopfgeier. „Wir haben von Anfang an gespürt, dass es etwas Besonderes sein wird, Löwen zurück nach Ruanda zu bringen. Doch das Ausmaß der positiven Veränderungen für das Land und die Menschen hätten wir uns nicht erträumen können“, erklärt auch Pretorius.
Was Ruanda durch die Umsiedlung gespürt hat, ist inzwischen von Wissenschaftlern belegt worden: Der Löwe ist laut einer Studie der ökologischen Forschungsfirma Equilibrium Research eine Schlüsselart mit außerordentlichem Stellenwert für den Arten- und Naturschutz. Die Raubkatzen seien nicht nur für den Tourismus und die Wirtschaft wichtig. Sie seien hervorragende Indikatoren für die Gesundheit des gesamten Ökosystems und für eine nachhaltige Entwicklung.
„Wo in den Schutz der Lebensräume der Löwen investiert wird, profitiert das gesamte Ökosystem“, heißt es in der Studie. Das touristische Potenzial der Rudeltiere sei einzigartig. Löwen brächten jährlich Milliarden Euro ein, was afrikanische Länder motiviere, verstärkt in Natur- und Tierschutz zu investieren.
Bantlin und sein Team denken bereits darüber nach, in naher Zukunft Löwen aus Ruanda in andere Länder umzusiedeln, in denen Bestände ebenfalls drastisch zurückgegangen sind. Eine Möglichkeit sei das benachbarte Uganda, wo derzeit weniger als 500 Löwen leben und die Bestände rapide abnehmen, erklärt Bantlin. Denn das Ziel sei es, sicherzustellen, dass der König der Tiere ganz Afrika erhalten bleibe.