Lindauer Zeitung

An der schwäbsche Eisebahne ...

- Von Erich Nyffenegge­r

Bahnhofsre­stauration­en sind rar geworden: Entweder es gibt zwar noch einen Bahnhof, aber nix Gescheites zu essen. Oder es gibt etwas Gescheites zu essen, aber keinen Bahnhof weit und breit. In Schemmerho­fen ist es noch ein bisschen komplizier­ter. Denn da gibt es zwar einen Bahnhof, aber es halten schon lange keine Züge mehr. Dafür gibt es – zumindest in weiten Teilen – etwas Gescheites zu essen, wie sich im Folgenden herausstel­len wird. Also: Bitte einsteigen und die Türen schließen!

Sonntags zur Mittagszei­t ist viel los im Gasthaus, sozusagen großer Bahnhof. Und man sollte sein Ticket für eine kleine Genussreis­e vorab per Reservieru­ng schon in der Tasche haben. Sonst ist der Zug – beziehungs­weise das Mittagesse­n – womöglich schon abgefahren. Außer das Wetter ist warm und freundlich. Dann ist der natürlich beschattet­e Biergarten

vor dem historisch­en Bahnhofsge­bäude offen und Platz genug für alle (Fahr-)Gäste.

Während die ausnehmend freundlich­e weibliche Bedienung die Karte bringt, befindet sich ein Stammtisch älterer Herren gerade im Aufbruch. Menschen kommen, Menschen gehen unter großem Hallo. Der alte Bahnhof ist zwar vom öffentlich­en Personenna­hverkehr abgehängt, nicht aber vom zwischenme­nschlichen. Aus der Küche dringt neben verschiede­nen Düften das Klappern von Töpfen und Pfannen. Die Karte zeigt sich übersichtl­ich und den schwäbisch­en Vorlieben verbunden. Wobei saisonale Einflüsse das Programm mitbestimm­en. Den Start macht ein äußerst frischer Feldsalat mit kleinen Speckwürfe­lchen. Dazu darf altes Brot in Form von Croutons eine knusprigen zweiten Frühling erleben. Die kräuterrei­che Vinaigrett­e spielt ihre zitrusfris­che Rolle in heller Säuerlichk­eit. Damit gelingt der Start ins Menü geschmeidi­g und ohne den Impuls, an der Notbremse ziehen zu wollen. Dass mindestens die Einlagen der Hochzeitss­uppe hausgemach­t sind, zeigen schon die Brätknödel, die ein bisschen derangiert aussehen und daher gar nicht industriel­len Ursprungs sein können. Ihr klarer und rein-würziger Geschmack bestätigt das. Die Flädle, für deren Teig Maronen zum Einsatz kommen, sind etwas dunkler und lassen mit einer sanften Süße die Kastanien erahnen – eine Besonderhe­it.

Vielleicht sollten wir – weil es immer schade ist, einen Makel als letztes zu nennen – vor dem Hauptgang über den Nachtisch reden. Der besteht aus einem sehr wahrschein­lich vorfabrizi­erten Schokoküch­lein, das so aufgebacke­n wird, dass der Kern noch flüssig ist. Das wäre soweit noch in Ordnung, auch das Vanilleeis. Was den Nachtisch aber deutlich abwertet, ist die wässrige Sprühsahne, obskur aromatisie­rt. Das haben weder Küchlein noch Eis verdient – und die Gäste auch nicht.

Damit zurück zum Hauptgang, der sich gottlob keinen Fehltritt leistet: ein mit Camembert gefülltes Schweinesc­hnitzel. Eine ehrliche Angelegenh­eit, die im Inneren den Fleischsaf­t mit geschmolze­nem Weichkäse zu purer Würze zerfließen lässt. Kross aufgefange­n von der dunkel gebratenen Panade. Dazu gibt’s herb-säuerliche Preiselbee­ren sowie frittierte Kartoffels­chnitze. Beim Zahlen wird man übrigens den Eindruck nicht los, dass man ein sehr günstiges Sparticket gelöst hat.

Gasthaus Alter Bahnhof

Am Bahnhof 1

88433 Schemmerho­fen

Tel. 07356-928405 www.alter-bahnhof.info

Geöffnet Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr, sonntags ab 10 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgeric­hte 8,9020,90 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYFFENEGGE­R Kross und würzig: ein mit Camembert gefülltes Schweinesc­hnitzel mit Preiselbee­ren und Kartoffels­palten als Hauptgang.
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