An der schwäbsche Eisebahne ...
Bahnhofsrestaurationen sind rar geworden: Entweder es gibt zwar noch einen Bahnhof, aber nix Gescheites zu essen. Oder es gibt etwas Gescheites zu essen, aber keinen Bahnhof weit und breit. In Schemmerhofen ist es noch ein bisschen komplizierter. Denn da gibt es zwar einen Bahnhof, aber es halten schon lange keine Züge mehr. Dafür gibt es – zumindest in weiten Teilen – etwas Gescheites zu essen, wie sich im Folgenden herausstellen wird. Also: Bitte einsteigen und die Türen schließen!
Sonntags zur Mittagszeit ist viel los im Gasthaus, sozusagen großer Bahnhof. Und man sollte sein Ticket für eine kleine Genussreise vorab per Reservierung schon in der Tasche haben. Sonst ist der Zug – beziehungsweise das Mittagessen – womöglich schon abgefahren. Außer das Wetter ist warm und freundlich. Dann ist der natürlich beschattete Biergarten
vor dem historischen Bahnhofsgebäude offen und Platz genug für alle (Fahr-)Gäste.
Während die ausnehmend freundliche weibliche Bedienung die Karte bringt, befindet sich ein Stammtisch älterer Herren gerade im Aufbruch. Menschen kommen, Menschen gehen unter großem Hallo. Der alte Bahnhof ist zwar vom öffentlichen Personennahverkehr abgehängt, nicht aber vom zwischenmenschlichen. Aus der Küche dringt neben verschiedenen Düften das Klappern von Töpfen und Pfannen. Die Karte zeigt sich übersichtlich und den schwäbischen Vorlieben verbunden. Wobei saisonale Einflüsse das Programm mitbestimmen. Den Start macht ein äußerst frischer Feldsalat mit kleinen Speckwürfelchen. Dazu darf altes Brot in Form von Croutons eine knusprigen zweiten Frühling erleben. Die kräuterreiche Vinaigrette spielt ihre zitrusfrische Rolle in heller Säuerlichkeit. Damit gelingt der Start ins Menü geschmeidig und ohne den Impuls, an der Notbremse ziehen zu wollen. Dass mindestens die Einlagen der Hochzeitssuppe hausgemacht sind, zeigen schon die Brätknödel, die ein bisschen derangiert aussehen und daher gar nicht industriellen Ursprungs sein können. Ihr klarer und rein-würziger Geschmack bestätigt das. Die Flädle, für deren Teig Maronen zum Einsatz kommen, sind etwas dunkler und lassen mit einer sanften Süße die Kastanien erahnen – eine Besonderheit.
Vielleicht sollten wir – weil es immer schade ist, einen Makel als letztes zu nennen – vor dem Hauptgang über den Nachtisch reden. Der besteht aus einem sehr wahrscheinlich vorfabrizierten Schokoküchlein, das so aufgebacken wird, dass der Kern noch flüssig ist. Das wäre soweit noch in Ordnung, auch das Vanilleeis. Was den Nachtisch aber deutlich abwertet, ist die wässrige Sprühsahne, obskur aromatisiert. Das haben weder Küchlein noch Eis verdient – und die Gäste auch nicht.
Damit zurück zum Hauptgang, der sich gottlob keinen Fehltritt leistet: ein mit Camembert gefülltes Schweineschnitzel. Eine ehrliche Angelegenheit, die im Inneren den Fleischsaft mit geschmolzenem Weichkäse zu purer Würze zerfließen lässt. Kross aufgefangen von der dunkel gebratenen Panade. Dazu gibt’s herb-säuerliche Preiselbeeren sowie frittierte Kartoffelschnitze. Beim Zahlen wird man übrigens den Eindruck nicht los, dass man ein sehr günstiges Sparticket gelöst hat.
Gasthaus Alter Bahnhof
Am Bahnhof 1
88433 Schemmerhofen
Tel. 07356-928405 www.alter-bahnhof.info
Geöffnet Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr, sonntags ab 10 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgerichte 8,9020,90 Euro.
Weitere „Aufgegabelt“-Folgen: www.schwäbische.de/aufgegabelt