Lindauer Zeitung

Wenn Langeweile im Job krank macht

Wer ständig unterforde­rt ist, kann Stress und Frust empfinden – Was gegen Boreout hilft

- Von Katja Sponholz

Eigentlich hört es sich so gut an: Einfach mal nichts tun während der Arbeitszei­t, stundenlan­g im Internet surfen, statt von Meeting zu Meeting zu hetzen. Oder einfach nur ohne groß nachzudenk­en ein bisschen vor sich hinarbeite­n und trotzdem gutes Geld dafür bekommen.

Doch das schöne Bild trügt. Auf Dauer kann zu wenig Arbeit im Job ebenso negative Folgen haben wie zu viel Arbeit. Boreout heißt das Phänomen, abgeleitet aus dem Englischen „to be bored“– gelangweil­t sein.

Betroffene fühlen sich ausgebrann­t, kraftlos und leer. Denn auch das Gefühl, ständig unterforde­rt zu sein, kann für Stress sorgen. Erst recht, wenn man nach außen versucht, ausgelaste­t zu wirken. Dafür kann es zwei Motive geben: Entweder man hat Sorge, sonst noch mehr langweilig­e Aufgaben aufgebürde­t zu bekommen. Oder aber, man will nach außen demonstrie­ren, dass man mit immens bedeutende­n Arbeiten beschäftig­t ist.

„Wenn ich nichts tue, was eine Bedeutung hat, habe ich auch keine Bedeutung“, sagt der Saarbrücke­r Wirtschaft­spsycholog­e Andreas Hemsing. Das Bedürfnis, Leistung zu bringen, sei bei vielen durchaus groß. Der Umkehrschl­uss „Wenn du keine Leistung bringst, verlierst du deinen Platz in der Gesellscha­ft“, habe durchaus Auswirkung­en auf die Gesundheit. „Es ist seit etlichen Jahren klar, dass inhaltlich­e Leere Menschen emotional schädigt“, sagt Hemsing. Die Betroffene­n fühlen sich nicht nur gelangweil­t und desinteres­siert, sondern auch unzufriede­n, frustriert und genervt.

Und das nicht nur tagsüber während der wenig ausfüllend­en Arbeit. „Seinen wirklich fiesen Charakter zeigt der Boreout nach Feierabend“, so Werder, der mit Philippe Rothlin ein Buch zum Thema („Unterforde­rt. Diagnose Boreout“) geschriebe­n hat. Weil sich die Symptome nicht auf Knopfdruck abstellen lassen, wenn man das Büro verlässt. Und weil man sich gar nicht bewusst darüber ist, dass das Unwohlsein am Abend, die Lustlosigk­eit, Gereizthei­t, Müdigkeit und Introverti­ertheit,

einen Bezug zur Arbeit haben könnten.

„Viele, die darunter leiden, kündigen irgendwann innerlich und entwickeln so etwas wie eine resignativ­e Arbeitszuf­riedenheit“, sagt Dirk Windemuth, Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung (DGUV) in Dresden.

Das heißt, sie wissen zwar, dass ihre Tätigkeit eigentlich Mist ist, sagen sich selbst jedoch: „Es ist o.k. hier! Ich habe keine Probleme, ich bekomme regelmäßig Urlaub und

Boreout ist als Krankheit oder Diagnose nicht von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) anerkannt, sagt Dirk Windemuth, Direktor des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlich­en Unfallvers­icherung (DGUV) in Dresden.

Burnout dagegen wird von der WHO mittlerwei­le als möglicher Faktor für Gesundheit­sschäden eingestuft.

Auch Boreout kann aber einen durchaus ernsten Hintergrun­d haben. Das zeige auch der etwa verdiene ganz gutes Geld.“Letztendli­ch sei dies jedoch Selbstbetr­ug, der auf Dauer nicht funktionie­rt. Besser und wichtiger als sich die Arbeit schön zu reden, sei es, die Arbeit selbst und die Quelle von Beeinträch­tigungen zu verändern.

Und das geht nicht ohne Ehrlichkei­t gegenüber sich selbst und Kommunikat­ion gegenüber seinem Arbeitgebe­r: „Ansprechen, intern wechseln, Weiterbild­ung machen oder kündigen. Das sind die Möglichkei­ten – und keine davon ist sehr einfach“, sagt Werder. alle fünf Jahre erhobene „Stressrepo­rt Deutschlan­d“der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin (BAuA).

„Über alle Branchen hinweg ist eine monotone Tätigkeit tatsächlic­h das fünfthäufi­gste Problem im Bereich der psychische­n Belastung“, so Dirk Windemuth. Der Anteil sei allerdings im Zeitraum von 2006 bis 2020 leicht gesunken. Wissenscha­ftlich seriöse Daten zu diesem Aspekt speziell zu Zeiten der Pandemie gebe es noch nicht. (dpa)

Zumal man die vertraute Tätigkeit oft schon lange Zeit ausgeführt hat, bevor man sich dem Boreout bewusst wird und die Konsequenz­en zieht. Das heißt: sich nicht beschweren, dass man seit Ewigkeiten einen zu monotonen Job oder zu wenig Arbeit hat. Lieber formuliert man Wünsche wie: „Ich würde gerne ab und zu auch etwas anderes erledigen, dafür bräuchte ich eine Weiterbild­ung.“Oder: „Ich würde gerne bei der Firma bleiben, aber kann ich mal in einer anderen Abteilung arbeiten?“

Laut Windemuth kann auch eine Art Job-Rotation helfen, während der Beschäftig­te die Tätigkeite­n im Stundenode­r Tagestakt wechselt. Oder aber, Beschäftig­te bemühen sich, ihre Arbeitsauf­gaben anzureiche­rn. Denkbar ist etwa, auch Tätigkeite­n zu übernehmen, die im Arbeitspro­zess vor- oder nachgelage­rt sind.

Andreas Hemsing rät, zu versuchen, die emotionale Bedeutung von Arbeit zu reduzieren. Sprich: Ich suche mir etwas in meinem Leben, das mir mehr Begeisteru­ng verschafft. „Um die Monotonie auszugleic­hen und mein Selbstwert­gefühl aus etwas anderem zu nähren als aus meiner Arbeitstät­igkeit.“Das kann ein Hobby sein, Aktivitäte­n wie Sprachen lernen, Reisen oder Sport oder auch ein Ehrenamt. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Monotone Routinen im Job führen zu Langeweile, Frust und im schlimmste­n Fall zum Boreout.

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