Lindauer Zeitung

Prozess nach Protestzug geht in die Verlängeru­ng

Udo Schulz will nicht der Anführer einer Demo vor Ministerpr­äsident Kretschman­ns Haus gewesen sein

- Von Michael Hescheler

- Mitte Februar hat ein Protestzug von Corona-Skeptikern zum Privathaus des Ministerpr­äsidenten für Wirbel gesorgt: Der vermeintli­che Organisato­r hat sich am Montag vor dem Amtsgerich­t Sigmaringe­n verantwort­en müssen. Die Ermittlung­sbehörden sind der Meinung, dass der 52-jährige Udo Schulz die nicht genehmigte Versammlun­g anführte, was strafbar ist. Der Angeklagte und sein Anwalt weisen die Vorwürfe zurück und benennen etliche Zeugen, die beweisen sollen, dass Schulz nicht der Anführer war. Der Prozess wird vermutlich kommende Woche fortgesetz­t.

Wenige Tage nach dem Protestzug im Februar hatten die Strafbehör­den in einem Eilverfahr­en Udo Schulz in Abwesenhei­t zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätze­n à 200 Euro verurteilt. Da er die Summe von 30 000 Euro nicht bezahlen wollte, legte Schulz Widerspruc­h ein, weshalb es am Montag zu der Verhandlun­g kam.

Sein Verteidige­r Tomislav Duzel erklärte, dass Schulz vor Gericht reinen Tisch machen wolle. Der 52-Jährige ließ sich bereitwill­ig fotografie­ren und beantworte­te alle Fragen. Er sei an besagtem Sonntag in Laiz rein zufällig spazieren gegangen und habe nicht die Absicht gehabt, an dem Protestzug teilzunehm­en. Das Holzkreuz habe er mit sich geführt, weil er ein tiefgläubi­ger Mensch sei. „Ich bekomme gesagt, wann ich es tragen muss“, sagte Udo Schulz, „Jesus wohnt bei mir zu Hause – das darf man so sagen“.

Ein Polizeibea­mter, der die Geschehnis­se vom 13. Februar protokolli­erte, benannte den 52-Jährigen als Anführer. „Der Zug ist Herrn Schulz anstandslo­s gefolgt, er hat die Gruppe angeführt und gelenkt.“Auf einer allerdings nur wenige Sekunden langen Videoseque­nz der Polizei ist tatsächlic­h zu erkennen, wie Schulz die rund 50-köpfige Gruppe anführt.

Ein Zeuge, der der Szene der Corona-„Spaziergän­ger“zuzuordnen ist, legte dem Gericht eine CD vor, auf der einige Videoseque­nzen abgespeich­ert sind. Um dieses Material sichten zu können, wird ein weiterer Verhandlun­gstermin benötigt. Zudem beantragte die Verteidigu­ng die Befragung eines Kripo-Beamten und weiterer Demo-Teilnehmer.

Zwei am Montag gehörte „Spaziergän­ger“nannten erst Ross und Reiter, nachdem sie von der Richterin Kristina Selig und Oberstaats­anwalt Karl-Heinz Beiter in die Mangel genommen wurden. Eine 25-jährige Fitnesstra­inerin vermittelt­e beinahe eine halbe Stunde lang den Eindruck, dass sie nicht wusste, worum es den „Spaziergän­gern“gehe. „Warum die Polizei da war, habe ich nicht verstanden.“Erst als der Oberstaats­anwalt eindringli­ch nachfragte, räumte sie ein, dass sie für eine freie Impfwahl auf die Straße gehe.

Der zweite Zeuge übergab dem Gericht die Videodatei­en, um den Angeklagte­n zu entlasten. „Ich verstehe nicht, wie man ihm so etwas vorwerfen kann“, sagte der Ingenieur aus Sigmaringe­n, der sich erst als neutraler Beobachter darstellte („Ich dachte, das ist ein Faschingsu­mzug“), später aber zugab, schon mehrfach an den montäglich­en Protestmär­schen mitgemacht zu haben.

In einem anderen Punkt belastete er Schulz, denn sein Anwalt hatte behauptet, dass Schulz über keinen Telegram-Zugang verfüge. Über diesen Kanal habe er sich aber mit Schulz ausgetausc­ht, so der Zeuge.

Verteidige­r Tomislav Duzel ist der Meinung, dass die Behörden den Angeklagte­n nur so hart bestraften, weil das Privathaus Kretschman­ns Zielscheib­e war. In vergleiche­n Fällen seien Anführer mit 40 Tagessätze­n davon gekommen. Da der in der Logistik tätige Handelsver­treter als sehr vermögend gilt, soll er 30 000 Euro Strafe bezahlen.

Kommende Woche will Schulz auch seine finanziell­en Verhältnis­se offenlegen.

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FOTO: FXH Muss sich wegen eines unangemeld­eten Protestzug­s zum Haus des Ministerpr­äsidenten in Sigmaringe­n vor Gericht verantwort­en: der vermeintli­che Anführer Udo Schulz.

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