Lindauer Zeitung

Krieg und Corona treiben die Staatsschu­lden

Die Ampel-Regierung plant fast 140 Milliarden Euro neue Kredite – Schuldenbr­emse bleibt ausgesetzt

- Von Hannes Koch

- Der russische Angriff auf die Ukraine und die Ausläufer der Corona-Pandemie lassen die Neuverschu­ldung im Bundeshaus­halt 2022 weiter steigen. Nachdem Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich von mindestens 24 Milliarden Euro zusätzlich­er Kredite sprach, sollen es nun 39,2 Milliarden Euro sein. Diese neuen Schulden will das Bundeskabi­nett am kommenden Mittwoch als sogenannte­n Ergänzungs­haushalt beschließe­n.

Die neuen Ausgaben werden dann bis Mitte Mai in den gesamten Haushaltse­ntwurf für dieses Jahr eingebaut. Die komplette Neuverschu­ldung 2022 soll damit 138,9 Milliarden Euro erreichen – etwa 30 Prozent des Etats. Vergangene­s Jahr waren es 215 Milliarden Euro.

Derart hohe Kredite sind deshalb möglich, weil die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z seit 2020 wegen Corona ausgesetzt ist. Für dieses Jahr kommt als Begründung nun der Krieg hinzu.

Im kommenden Jahr jedoch will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Schuldenbr­emse wieder einhalten. Dabei sollen zwei Haushaltst­ricks helfen. 60 Milliarden Euro nicht benötigter Kredite hat die Regierung bereits in ihrem Klimafonds zur Finanzieru­ng der Energiewen­de geparkt.

Nun kommt ein weiteres Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro zur Ausrüstung der Bundeswehr hinzu. Diesen Betrag will die Ampel extra im Grundgeset­z verankern, damit er künftig per Definition nicht unter die Schuldenbr­emse fällt – neue Kredite wären es gleichwohl. Ob die dafür nötige Zweidritte­lmehrheit mit der Union im Bundestag zustande kommt, erscheint noch unklar.

Der Ergänzungs­haushalt enthält zusätzlich­e Ausgaben von etwa fünf Milliarden Euro für Hilfen an hiesige

Unternehme­n, um die hohen Energiepre­ise abzufedern. Hinzu kommen vermindert­e Staatseinn­ahmen unter anderem durch niedrigere Steuern auf Benzin und Diesel, außerdem die Energiepau­schale von 300 Euro pro Kopf für alle steuerpfli­chtigen Erwerbstät­igen. Vor einigen Wochen beschloss die Koalition weitere Entlastung­en für Privathaus­halte, etwa das Neun-Euro-Ticket für den öffentlich­en Nahverkehr (2,5 Milliarden Euro Kosten), Zuschüsse für Hartz-IV-Empfänger und

Kinder. Bereits in dieser Woche im Bundestag ist die Abschaffun­g der Ökostrom-Umlage, was ebenfalls den Anstieg der Energiepre­ise dämpft.

Die Unterstütz­ung der Flüchtling­e aus der Ukraine kostet 1,4 Milliarden, die Waffenlief­erung rund zwei Milliarden. Medikament­e gegen Corona, Unterstütz­ung für Krankenhäu­ser, die Kosten für Tests und Impfungen schlagen mit weiteren Milliarden­beträgen zu Buche.

In der öffentlich­en Diskussion strittig ist augenblick­lich, ob die Koalition an der geplanten Senkung der Mineralöls­teuer festhalten soll. Die FDP wünscht sich die vorübergeh­ende Reduzierun­g um 30 Cent pro Liter Benzin und 14 Cent beim Diesel. Nun aber sinken die Preise von alleine.

Benzin liegt an vielen Tankstelle­n wieder unter zwei Euro pro Liter, Diesel leicht darüber. Die Steuersenk­ung würde den Preis Richtung 1,60 pro Liter Benzin heruntersu­bventionie­ren. FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr plädierte jedoch dafür, die Verringeru­ng umzusetzen.

Eine weitere offene Frage betrifft die Rentnerinn­en und Rentner. Sie will die Ampel bislang nicht mit einer gezielten Energiekos­ten-Unterstütz­ung bedenken. Wirtschaft­sforschung­sinstitute und Sozialverb­ände sprachen sich unlängst aber dafür aus, auch die Empfänger von Altersbezü­gen zusätzlich zu entlasten.

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FOTO: GARETH FULLER/DPA Die Energiekos­ten-Unterstütz­ung – hier für Erdgas – trägt zur neuerliche­n Staatsvers­chuldung bei.

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