Durchstarthilfe
Unternehmen stützen über einen Verein den Flughafen Friedrichshafen – Airport soll Innovationsträger werden
- Der Vorwurf geht an die Unternehmen der Region Bodensee-Oberschwaben – und er ist seit Jahren der gleiche: Wenn die Wirtschaft im Bodenseekreis, aber auch in den benachbarten Kreisen Ravensburg, Lindau und Sigmaringen den Flughafen Friedrichshafen so sehr braucht, wie sie und die Politik behauptet, dann soll sie ihn gefälligst auch nutzen. Martin Buck hat sich diesen Vorwurf im vergangenen Jahr zu Herzen genommen. Der Chef des Tettnanger Sensorenherstellers ifm und Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) BodenseeOberschwaben hat gemeinsam mit einigen Mitstreiter den Förderverein Flughafen Friedrichshafen gegründet und auch den Vorsitz übernommen. „Der Verein soll das Interesse der Region und der Wirtschaft am Flughafen widerspiegeln“, sagt Buck im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Neue Mitglieder sind uns dafür sehr willkommen.“
Acht aktive Mitglieder hat der Verein inzwischen. Neben den sieben Gründungsmitgliedern – dem Unternehmen ifm aus Tettnang, dem Biberacher Mischkonzern Liebherr, dem Ravensburger Pharma-Spezialist Vetter, dem Spülmaschinenhersteller Winterhalter aus Meckenbeuren, dem Spieleverlag Ravensburger, der Spedition Grieshaber aus Weingarten und dem Baumaschinen-Händler Kiesel aus Baienfurt – ist das der Kunststoffverpackungshersteller Rose
Plastic aus Hergensweiler bei Lindau. Dazu kommen sieben Fördermitglieder, unter anderem der Aulendorfer Wohnmobilbauer Carthago, die Friedrichshafener Filiale der BW-Bank und der DrehtechnikSpezialist Schunk aus Mengen.
Dass bislang nur ein Vollmitglied und sieben Fördermitglieder zu den Pionieren, die sich der Initiative zur Stabilisierung des Flughafens angeschlossen haben, dazugestoßen sind, liegt an der Tatsache, dass die Kommission der Europäischen Union erst vor wenigen Wochen dem Plan zur Rettung des insolventen Airports zugestimmt hat. „Wir haben mit der weiteren Akquise gewartet, bis das Insolvenzverfahren so weit in geregelten Bahnen war“, erläutert Buck.
Der Flughafen war vor gut einem Jahr mit rund 34 Millionen Euro Verbindlichkeiten „rechnerisch überschuldet“. Zahlreiche Airline-Pleiten (unter anderem Germania und Intersky) und der Schuldendienst, der auch auf ein zu großes Terminal zurückgeht, waren die Hauptgründe. Die Corona-Krise hat den Airport endgültig ins Trudeln gebracht. Im Jahr 2020 wurden nur knapp 120 000 Passagiere gezählt. Zentraler Punkt zur finanziellen Umstrukturierung des Flughafens war der Verkauf des rund 160 Hektar großen Flughafengrundstücks. Im Juli werden die Verträge zur Gründung einer Besitzgesellschaft unterzeichnet, an der sich der Bodenseekreis mit 40 Prozent beteiligt. 60 Prozent übernimmt die Luftschiffbau Zeppelin GmbH im
Auftrag der Stadt Friedrichshafen. Der Erlös aus dem Grundstücksverkauf ist der Eigenbetrag des Flughafens zu seiner Sanierung, den die EU genehmigen musste. Zudem müssen die Gesellschafter des Flughafens ihren Anteil beitragen.
Auch der Förderverein, der 1,58 Prozent der Flughafen-Anteile der IHK Bodensee-Oberschwaben übernommen hat, wird sich damit an der Rettung finanziell beteiligen. „Erster wichtiger Schritt des Vereins war der Kauf der IHK-Anteile, die Mitgliedsbeiträge sind von allen Mitgliedern bereits voll einbezahlt, der Sanierungsbeitrag kann daraus vollumfänglich bestritten werden. Es gibt nun einen Zahlungsplan dafür, der über fünf Jahre läuft“, erläutert Buck. Gezahlt hat der Verein für die Anteile einen Euro. „Wir haben die Anteile der IHK für einen symbolischen Preis von einem Euro gekauft, aber mit dem Kauf haben wir ja auch die Verpflichtungen für die Sanierung übernommen“, sagte Buck weiter.
Weitere Gesellschafter des Airports sind die Stadt Friedrichshafen und der Bodenseekreis mit jeweils 39,38 Prozent, das Land Baden-Württemberg mit 5,74 Prozent, der Automobilzulieferer ZF mit 4,32 Prozent, die Technischen Werke Friedrichshafen mit 4,11 Prozent, die LuftschiffBau Zeppelin GmbH mit 3,54 Prozent, der Satellitenbauer Airbus aus Immenstaad mit 0,98 Prozent und der Friedrichshafener Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems mit seiner Marke MTU mit 0,98 Prozent.
Im vergangenen Sommer bezifferte der Flughafen den Finanzierungsbedarf bis zum Jahr 2025 auf rund 43,8 Millionen Euro – darin enthalten die finanziellen Hilfen wegen des Lockdowns während der Corona-Pandemie, Mittel für notwendige Investitionen und weitere Finanzierungskosten. Nach Angaben von Flughafensprecher Bernd Behrend steuert der Airport etwas mehr als die Hälfte des Bedarfs aus dem Betrag bei, den der Flughafen mit dem Verkauf der Grundstücke eingenommen hat. Die öffentlichen Zuschüsse von Stadt Friedrichshafen, Bodenseekreis und Land Baden-Württemberg liegen bei 17,5 Millionen Euro. Damit muss der Förderverein bis 2025 finanzielle Hilfen für den Airport in Höhe von rund 325 000 Euro stemmen.
Der Flughafen investiert das Geld unter anderem in den Bau einer neuen Ringleitung zur Verlegung von Strom- und Glasfaserkabeln, damit alle technische Systeme besser gegen Ausfälle geschützt werden können. Zudem erneuert der Flughafen die Trafostation, kauft neue Schleppfahrzeuge für die Flugzeuge und tauscht die Lichter aus, die die Flugzeuge beim Anflug zur Startbahn leiten. Notwendig ist nach Angaben des Airports auch die Modernisierung des Flughafen-Shops und der Umbau der Einreisekontrolle für Reisende aus dem Nicht-Schengen-Raum.
Wie der Flughafen-Tower modernisiert wird, ist noch offen. Zur Debatte steht entweder der Neubau der
Aussichtskanzel, von dem die Vorgänge auf der Start- und Landebahn kontrolliert werden, oder eine sogenannte Remote-Lösung. In diesem Fall nehmen Kameras die Vorgänge auf dem Flugfeld auf und die Kontrolle übernimmt Personal an einem völlig anderen Ort über verschiedene Bildschirme. Diese Maßnahmen müssen allerdings nicht die Gesellschafter finanzieren, sondern die Kosten trägt die Deutsche Flugsicherung.
Bei solchen Fragen will die Wirtschaft über den Förderverein künftig mitreden. „Nun geht es darum zu klären, was der Verein machen kann. Er soll sich aktiv in die Entwicklung des Flughafens einbringen und sichtbar sein“, sagt der Vereinsvorsitzende Buck. „Live getroffen haben wir uns zwar noch nicht, aber mehrere virtuelle Sitzungen gehabt mit Protokoll und Schriftführer – es fühlt sich schon an wie ein richtiger Verein.“
Das Ziel, das IHK-Präsident Martin Buck als Vertreter des Fördervereins verfolgt, ist ein Großes. „Uns geht es darum, den Flughafen als Innovationsträger in der Region zu behalten, schließlich entwickelt sich auch die Luftfahrt weiter, es wird an CO2-freien Antrieben geforscht. Wenn da neue Lösungen entwickelt werden, wollen wir daran teilhaben“, sagt Buck. Natürlich sei der Weg zum umweltfreundlichen Fliegen noch weit, „aber im Hinblick auf unsere Infrastruktur und die Anbindung mit Zug und Straße sind wir auch schon in der Gegenwart auf den Flughafen angewiesen“.