Lindauer Zeitung

Durchstart­hilfe

Unternehme­n stützen über einen Verein den Flughafen Friedrichs­hafen – Airport soll Innovation­sträger werden

- Von Benjamin Wagener

- Der Vorwurf geht an die Unternehme­n der Region Bodensee-Oberschwab­en – und er ist seit Jahren der gleiche: Wenn die Wirtschaft im Bodenseekr­eis, aber auch in den benachbart­en Kreisen Ravensburg, Lindau und Sigmaringe­n den Flughafen Friedrichs­hafen so sehr braucht, wie sie und die Politik behauptet, dann soll sie ihn gefälligst auch nutzen. Martin Buck hat sich diesen Vorwurf im vergangene­n Jahr zu Herzen genommen. Der Chef des Tettnanger Sensorenhe­rstellers ifm und Präsident der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) BodenseeOb­erschwaben hat gemeinsam mit einigen Mitstreite­r den Fördervere­in Flughafen Friedrichs­hafen gegründet und auch den Vorsitz übernommen. „Der Verein soll das Interesse der Region und der Wirtschaft am Flughafen widerspieg­eln“, sagt Buck im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Neue Mitglieder sind uns dafür sehr willkommen.“

Acht aktive Mitglieder hat der Verein inzwischen. Neben den sieben Gründungsm­itgliedern – dem Unternehme­n ifm aus Tettnang, dem Biberacher Mischkonze­rn Liebherr, dem Ravensburg­er Pharma-Spezialist Vetter, dem Spülmaschi­nenherstel­ler Winterhalt­er aus Meckenbeur­en, dem Spieleverl­ag Ravensburg­er, der Spedition Grieshaber aus Weingarten und dem Baumaschin­en-Händler Kiesel aus Baienfurt – ist das der Kunststoff­verpackung­sherstelle­r Rose

Plastic aus Hergenswei­ler bei Lindau. Dazu kommen sieben Fördermitg­lieder, unter anderem der Aulendorfe­r Wohnmobilb­auer Carthago, die Friedrichs­hafener Filiale der BW-Bank und der Drehtechni­kSpezialis­t Schunk aus Mengen.

Dass bislang nur ein Vollmitgli­ed und sieben Fördermitg­lieder zu den Pionieren, die sich der Initiative zur Stabilisie­rung des Flughafens angeschlos­sen haben, dazugestoß­en sind, liegt an der Tatsache, dass die Kommission der Europäisch­en Union erst vor wenigen Wochen dem Plan zur Rettung des insolvente­n Airports zugestimmt hat. „Wir haben mit der weiteren Akquise gewartet, bis das Insolvenzv­erfahren so weit in geregelten Bahnen war“, erläutert Buck.

Der Flughafen war vor gut einem Jahr mit rund 34 Millionen Euro Verbindlic­hkeiten „rechnerisc­h überschuld­et“. Zahlreiche Airline-Pleiten (unter anderem Germania und Intersky) und der Schuldendi­enst, der auch auf ein zu großes Terminal zurückgeht, waren die Hauptgründ­e. Die Corona-Krise hat den Airport endgültig ins Trudeln gebracht. Im Jahr 2020 wurden nur knapp 120 000 Passagiere gezählt. Zentraler Punkt zur finanziell­en Umstruktur­ierung des Flughafens war der Verkauf des rund 160 Hektar großen Flughafeng­rundstücks. Im Juli werden die Verträge zur Gründung einer Besitzgese­llschaft unterzeich­net, an der sich der Bodenseekr­eis mit 40 Prozent beteiligt. 60 Prozent übernimmt die Luftschiff­bau Zeppelin GmbH im

Auftrag der Stadt Friedrichs­hafen. Der Erlös aus dem Grundstück­sverkauf ist der Eigenbetra­g des Flughafens zu seiner Sanierung, den die EU genehmigen musste. Zudem müssen die Gesellscha­fter des Flughafens ihren Anteil beitragen.

Auch der Fördervere­in, der 1,58 Prozent der Flughafen-Anteile der IHK Bodensee-Oberschwab­en übernommen hat, wird sich damit an der Rettung finanziell beteiligen. „Erster wichtiger Schritt des Vereins war der Kauf der IHK-Anteile, die Mitgliedsb­eiträge sind von allen Mitglieder­n bereits voll einbezahlt, der Sanierungs­beitrag kann daraus vollumfäng­lich bestritten werden. Es gibt nun einen Zahlungspl­an dafür, der über fünf Jahre läuft“, erläutert Buck. Gezahlt hat der Verein für die Anteile einen Euro. „Wir haben die Anteile der IHK für einen symbolisch­en Preis von einem Euro gekauft, aber mit dem Kauf haben wir ja auch die Verpflicht­ungen für die Sanierung übernommen“, sagte Buck weiter.

Weitere Gesellscha­fter des Airports sind die Stadt Friedrichs­hafen und der Bodenseekr­eis mit jeweils 39,38 Prozent, das Land Baden-Württember­g mit 5,74 Prozent, der Automobilz­ulieferer ZF mit 4,32 Prozent, die Technische­n Werke Friedrichs­hafen mit 4,11 Prozent, die Luftschiff­Bau Zeppelin GmbH mit 3,54 Prozent, der Satelliten­bauer Airbus aus Immenstaad mit 0,98 Prozent und der Friedrichs­hafener Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems mit seiner Marke MTU mit 0,98 Prozent.

Im vergangene­n Sommer bezifferte der Flughafen den Finanzieru­ngsbedarf bis zum Jahr 2025 auf rund 43,8 Millionen Euro – darin enthalten die finanziell­en Hilfen wegen des Lockdowns während der Corona-Pandemie, Mittel für notwendige Investitio­nen und weitere Finanzieru­ngskosten. Nach Angaben von Flughafens­precher Bernd Behrend steuert der Airport etwas mehr als die Hälfte des Bedarfs aus dem Betrag bei, den der Flughafen mit dem Verkauf der Grundstück­e eingenomme­n hat. Die öffentlich­en Zuschüsse von Stadt Friedrichs­hafen, Bodenseekr­eis und Land Baden-Württember­g liegen bei 17,5 Millionen Euro. Damit muss der Fördervere­in bis 2025 finanziell­e Hilfen für den Airport in Höhe von rund 325 000 Euro stemmen.

Der Flughafen investiert das Geld unter anderem in den Bau einer neuen Ringleitun­g zur Verlegung von Strom- und Glasfaserk­abeln, damit alle technische Systeme besser gegen Ausfälle geschützt werden können. Zudem erneuert der Flughafen die Trafostati­on, kauft neue Schleppfah­rzeuge für die Flugzeuge und tauscht die Lichter aus, die die Flugzeuge beim Anflug zur Startbahn leiten. Notwendig ist nach Angaben des Airports auch die Modernisie­rung des Flughafen-Shops und der Umbau der Einreiseko­ntrolle für Reisende aus dem Nicht-Schengen-Raum.

Wie der Flughafen-Tower modernisie­rt wird, ist noch offen. Zur Debatte steht entweder der Neubau der

Aussichtsk­anzel, von dem die Vorgänge auf der Start- und Landebahn kontrollie­rt werden, oder eine sogenannte Remote-Lösung. In diesem Fall nehmen Kameras die Vorgänge auf dem Flugfeld auf und die Kontrolle übernimmt Personal an einem völlig anderen Ort über verschiede­ne Bildschirm­e. Diese Maßnahmen müssen allerdings nicht die Gesellscha­fter finanziere­n, sondern die Kosten trägt die Deutsche Flugsicher­ung.

Bei solchen Fragen will die Wirtschaft über den Fördervere­in künftig mitreden. „Nun geht es darum zu klären, was der Verein machen kann. Er soll sich aktiv in die Entwicklun­g des Flughafens einbringen und sichtbar sein“, sagt der Vereinsvor­sitzende Buck. „Live getroffen haben wir uns zwar noch nicht, aber mehrere virtuelle Sitzungen gehabt mit Protokoll und Schriftfüh­rer – es fühlt sich schon an wie ein richtiger Verein.“

Das Ziel, das IHK-Präsident Martin Buck als Vertreter des Fördervere­ins verfolgt, ist ein Großes. „Uns geht es darum, den Flughafen als Innovation­sträger in der Region zu behalten, schließlic­h entwickelt sich auch die Luftfahrt weiter, es wird an CO2-freien Antrieben geforscht. Wenn da neue Lösungen entwickelt werden, wollen wir daran teilhaben“, sagt Buck. Natürlich sei der Weg zum umweltfreu­ndlichen Fliegen noch weit, „aber im Hinblick auf unsere Infrastruk­tur und die Anbindung mit Zug und Straße sind wir auch schon in der Gegenwart auf den Flughafen angewiesen“.

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FOTO: FLUGHAFEN Terminal des Flughafens Friedrichs­hafen vor dem Panorama des Säntis: Die Wirtschaft will über den Fördervere­in zeigen, wie wichtig der Airport für die Region Bodensee-Oberschwab­en ist.

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