Der Wolf sorgt im Allgäu für Unruhe
Schwabens Bauern-Obmann fordert speziell ausgebildete Jäger für den Abschuss
- Ein Wolf hat ein Hirschkalb bei Görisried getötet. Eine DNAAnalyse des Landesamts für Umwelt (LfU) bestätigte jetzt diesen Verdacht. Der Vorfall im Ostallgäu beunruhigt Allgäuer Landwirte und Alphirten, die um ihre Tiere auf den Weiden fürchten. Forderungen nach einem Abschuss von Wölfen werden wieder laut. Doch das widerspricht meist dem Schutzstatus des Raubtiers. Im aktuellen Fall solle es sich um einen einzelnen, durchziehenden Wolf handeln, sagt Dr. Stephan Bea. Er ist Görisrieder Bürgermeister sowie Chef der Jägervereinigung Marktoberdorf. Bea sagt: „Niemand braucht Angst zu haben.“Er verweist auf das seiner Meinung nach funktionierende „Wolfsmanagement“in Bayern.
Das gibt es seit März 2019 unter dem Titel „Aktionsplan Wolf“. Es beschreibt auf 60 Seiten den Umgang mit den Raubtieren. Allein auf zehn Seiten geht es um das Thema „Nutztierhaltung“– konkret um Schadensausgleiche bei gerissenen Tieren und um Schutzmaßnahmen für Rinder, Ziegen und Schafe. „Die Halter, deren Nutztieren nachweislich von einem Wolf gerissen wurden, erhalten eine Ausgleichszahlung“, heißt es beim LfU. Voraussetzungen sind eine Dokumentation des Fundes und der Begleitumstände durch ein Mitglied
des „Netzwerks Große Beutegreifer“sowie eine Untersuchung des Tierkörpers durch einen Veterinär.
Wenn der Freistaat Geld zum Schutz von Nutztieren gibt, will er damit bei deren Haltern die Akzeptanz von Wölfen steigern. Gefördert werden zum Beispiel Elektrozäune, mobile Ställe sowie Herdenschutzhunde. Bisher wurden über fünf Millionen Euro ausbezahlt.
Keinen Sinn in diesen Maßnahmen sieht Alfred Enderle
(Foto: Ralf Lienert), der schwäbische Bezirksobmann des Bauernverbands. Gerade das südliche Allgäu mit seinen Bergregionen sei dafür ungeeignet. „Aber der Staat kann sagen, dass er etwas anbietet“, ärgert sich Enderle und sieht nach mehreren Wolfsrissen in der Region die hiesige Nutztierhaltung in Gefahr. Zumal der Wolf Rinder und Schafe in Panik versetze und diese in den Bergen abstürzen könnten. Aktuell hält Enderle die Gefahr im Allgäu durch einen Wolf zwar für gering. Problematisch werde es aber, wenn sich die Tiere stärker ausbreiteten und Nachwuchs bekämen: „Dann brauchen sie mehr Futter.“Um weitere Vorfälle zu verhindern, fordert Enderle auch den Abschuss von Wölfen.
Der wird im Aktionsplan thematisiert. Diese sogenannte „Entnahme“ist grundsätzlich möglich. Voraussetzung
ist aber, dass jeder Fall einzeln entschieden und zuvor nach Alternativen gesucht wird. Ein Abschuss kommt etwa in Frage, wenn ein Wolf „sachgerecht geschützte Nutztiere“verletzt oder getötet hat. Möglich ist dies auch, wenn Nutztiere in „nicht schützbaren Weidegebieten“gefährdet sind – also in Bergregionen. „Dafür brauchen wir speziell ausgebildete Jäger, die schnell eingreifen können“, fordert Enderle. Darauf sei man in Bayern jedoch nicht gut vorbereitet. Kritik kommt auch von Barbara Oswald. Die Jägerin und Landwirtin ist Wolfsbeauftragte des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu. Sie spricht sich für einen Abschuss des Wolfs „in Siedlungsnähe“aus.
Der Görisrieder Bürgermeister Bea plädiert indes für einen respektvollen, aber auch pragmatischen Umgang mit dem Raubtier. Dabei dürfe langfristig auch ein gezielter Abschuss kein Tabu sein – wenn etwa ganze Schafsherden bedroht seien. „Aber so weit sind wir hier längst noch nicht.“Im vergangenen Jahr wurden in Bayern 53 Nutztiere nachweislich von Wölfen getötet; keines davon im Allgäu, sagt das LfU. Seit dem erneuten Vorkommen von Wölfen in Deutschland vor knapp 25 Jahren habe es keinen Angriff auf Menschen gegeben, heißt es beim Landesamt für Umwelt.