Lindauer Zeitung

Wildcamper sind zurück in den Bergen

In den Allgäuer Hochalpen kann man nicht legal zelten

- Von Simone Härtle

- Menschen, die an einem Bergsee übernachte­n und aus Weidepfähl­en ein Lagerfeuer machen oder sich eine Kuh zum Melken heranholen: Es gibt fast nichts, das Henning Werth, stellvertr­etender Leiter des Alpiniums (ehemals Zentrum Naturerleb­nis Alpin), noch nicht erlebt hat. Mit dem guten Wetter kehren auch die Wildcamper ins Allgäu zurück, heuer sehr früh. „Man kommt jetzt schon in Bereiche, in denen vergangene­s Jahr um diese Zeit noch Winter war“, sagt Werth. Doch was tun, um den Campern Herr zu werden?

Generell müsse zwischen zwei Kategorien unterschie­den werden, sagt Werth. Da gibt es jene, die ihre Wohnmobile in Natur- oder Landschaft­sschutzgeb­ieten abstellen. Und es gibt die Wanderer, die in den Bergen ihre Zelte aufschlage­n. Erstere seien zumindest noch an eine gewisse Infrastruk­tur gebunden – haben dafür aber mehr Raum für Gepäck und können entspreche­nd mehr Müll hinterlass­en. Immer wieder würden Wohnmobile und Busse auf Weiden oder Wiesen geparkt. „Da spielen sich kuriose Szenen ab“, sagt Werth. Vergangene­s Jahr habe eine Frau versucht, mit ihrem Camper aufs Wertacher Hörnle zu kommen, wo sie sich auf einem Privatweg festgefahr­en habe.

Die zweite Gruppe sind Wanderer, die zu Fuß beinahe überall hin gelangen. „Genau diese grenzenlos­e Freiheit ist es auch, die von vielen Outdoor-Ausstatter­n beworben wird“, weiß Werth. Aber: In den Allgäuer Hochalpen gibt es kein Gebiet, in dem Zelten legal möglich ist. Übernachte­t werden darf nur auf privaten oder Alpenverei­nshütten. Immer wieder machen Ranger und Behörden auf das Verbot aufmerksam, teilweise mit Erfolg: „Der Schrecksee oder der Gaisalpsee sind nicht mehr solche Hotspots, wie sie es schon waren – auch weil Tagesgäste die Camper auf ihre Vergehen hinweisen.“Stattdesse­n seien vermehrt Waldgebiet­e, Alpflächen oder felsdurchs­etztes Gelände in der Peripherie gefragt.

Nicht zum ersten Mal kommt deswegen die Frage auf, ob ausgewiese­ne Zeltplätze in den Bergen eine Möglichkei­t sein könnten, die Wildcamper in den Griff zu bekommen. Hier ist Werth vorsichtig: „Es bräuchte jemanden, der dafür Grund zur Verfügung stellt und die Verantwort­ung übernimmt, das sehe ich momentan nicht.“Zumal der Besucherdr­uck auf solche Plätze dann auch extrem hoch wäre: „Das ist nur sinnvoll, wenn der nächste Parkplatz mehrere Stunden entfernt ist und nicht jeder einfach so zum Zeltplatz spazieren kann.“

Aktuell gilt: In Natur- und Landschaft­sschutzgeb­ieten ist weder Parken noch Campen erlaubt. Dass sich viele über diese Verbote hinwegsetz­en, weiß auch die Polizei. Die Beamten führen zwar keine Sonderkont­rollen durch, schauen aber auf Streifenfa­hrten genau hin, sagt Polizeispr­echer Holger Stabik. Erst vor wenigen Tagen erwischten sie eine elfköpfige Gruppe, die im Landschaft­sschutzgeb­iet bei Oberstdorf gezeltet hatte. Das Vergehen: Verstoß gegen das Naturschut­zgesetz. Die Beamten leiten den Sachverhal­t in solchen Fällen an das zuständige Landratsam­t weiter, wo dann das Bußgeld festgesetz­t wird.

Wie hoch es ausfällt, hängt vom Einzelfall ab, sagt Franziska Springer vom Oberallgäu­er Landratsam­t. Eine Rolle spiele unter anderem die Kategorie des Schutzgebi­etes und ob nur geparkt oder auch übernachte­t wurde. In Naturschut­zgebieten bewegt sich die Spanne zwischen 35 und 2500 Euro.

Wildcamper machen sich aber nicht nur in Schutzgebi­eten breit, sondern oft auch auf öffentlich­en Parkplätze­n – beispielsw­eise am Tegelberg im Ostallgäu. Dort können Fahrzeuge tagsüber stehen, campen und übernachte­n ist aber nicht erlaubt, sagt Christina Gerster, Geschäftsl­eiterin der zuständige­n Gemeinde Schwangau. Viele nähmen aber das Knöllchen in Kauf, das weitaus billiger sei als eine Nacht auf dem Campingpla­tz. „In der Nähe fließt ein Bach, dort spülen die Camper ihr Geschirr und waschen sich, in den Büschen liegen Fäkalien und Klopapier.“Die Gemeinde versuche, das Wildcampen in den Griff zu bekommen, und habe dafür Kontakt mit Planern und Verkehrssp­ezialisten aufgenomme­n. Neben der Umweltvers­chmutzung sieht Henning Werth noch ein weiteres Problem: Wer auf solchen Plätzen nächtige, könnte morgens sehr früh losgehen oder abends lange unterwegs sein – zu Zeiten, in denen die Tiere in den Bergen dringend Ruhe brauchen.

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FOTO: JOHANNES NETZER/FOTOLIA Grenzenlos­e Freiheit – aber nicht zum Campen.

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