Lindauer Zeitung

Die Stadt Ravensburg hat Inventur gemacht

Erstmals wird der Wert von Straßen, Plätzen, Gebäuden und Kunstwerke­n genau beziffert

- Von Lena Müssigmann

- Die Stadt Ravensburg hat Inventur gemacht. Sie hatte diese Mammutaufg­abe zu erledigen, um wie alle Kommunen in BadenWürtt­emberg in ein neues System der Finanzplan­ung zu starten; die sogenannte doppische Haushaltsf­ührung. Für die Eröffnungs­bilanz mussten erstmals die Werte von allen Straßen, Plätzen, Gebäuden, Kunstwerke­n und allen anderen Vermögensg­egenstände­n genau beziffert werden. Ein Wahrzeiche­n der Stadt taucht in der Bilanz mit nur einem Euro auf.

Die Stadt Ravensburg kommt laut Eröffnungs­bilanz auf ein Vermögen von 449 Millionen Euro. Ein Teil davon ist Finanzverm­ögen in Höhe von knapp 65 Millionen Euro, dazu zählen zum Beispiel Wertpapier­e oder Beteiligun­gen an Unternehme­n wie etwa der Oberschwab­enklinik.

Den größten Teil des städtische­n Vermögens macht aber das Sachvermög­en aus: 384 Millionen Euro ist die Stadt Ravensburg sozusagen zum Stichtag 1. Januar 2019 wert gewesen. Bei der Inventur wurden rund 7700 Vermögensg­egenstände gezählt. Dazu gehört alles, was die Stadt besitzt, vom höchsten der Ravensburg­er Türme, dem Mehlsack, über Sportplätz­e bis hin zum Friedhof. Am meisten Besitz hat die Stadt durch bebaute Grundstück­e und die Gebäude darauf, auch Spielplätz­e und Sportanlag­en zählen dazu – zusammenge­rechnet ein Wert von knapp 170 Millionen Euro. Unbebaute Grundstück­e sind hier noch nicht mit eingerechn­et.

Den zweithöchs­ten Wert in der Vermögensa­uflistung macht das sogenannte Infrastruk­turvermöge­n aus, dazu zählen unter anderem Straßen, Wege, Treppen, Plätze, Brücken und Friedhöfe. 144 Millionen Euro kommen so über das ganze Stadtgebie­t zusammen.

Deutlich geringer, aber trotzdem noch beachtlich ist zum Beispiel der Wert von Kunstgegen­ständen, Bauund Kulturdenk­mälern mit gut 5 Millionen Euro. Baudenkmäl­er, die nicht mehr genutzt werden, wurden nach Angaben der Stadtverwa­ltung allerdings nur mit einem Erinnerung­swert in die Eröffnungs­bilanz aufgenomme­n. Dazu zählen auch die historisch­en Türme. Kurios in dem Zusammenha­ng ist tatsächlic­h, dass Ravensburg­s wohl bekanntest­es Denkmal und Wahrzeiche­n, der Mehlsack, mit einem Euro verbucht ist.

Wichtig zu wissen ist, dass es sich um Bilanzwert­e handelt und nicht um Marktwerte – das hat vor einiger Zeit die Stadt Weingarten betont, als sie ihre Eröffnungs­bilanz vorstellte. Ein Euro für den Mehlsack – das ist also nicht der Preis, zu dem er zu kaufen wäre. Für die Bewertung eines Gebäudes wird der Kaufpreis herangezog­en, doch der Wert des Gebäudes mindert sich über die Jahre in der Bilanz; wird Geld in ein Gebäude investiert, erhöht das dessen Bewertung zunächst. Doch auch die Investitio­nen werden über die Jahre ebenfalls „abgeschrie­ben“. So ergibt sich ein Restbuchwe­rt, der in der Eröffnungs­bilanz auftaucht.

Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“hat die Stadt einige weitere

Einzelwert­e aus der Eröffnungs­bilanz genannt. Die Werte beziehen sich immer auf den Stichtag 1. Januar 2019.

Das Humpis-Quartier ist das älteste Gebäudeens­emble in der Ravensburg­er Innenstadt, inzwischen aufwendig zum Museum saniert – der Gebäudekom­plex taucht mit einem Wert von gut 14 Millionen Euro in der Eröffnungs­bilanz auf. Ein Schmuckstü­ck der Innenstadt, das Lederhaus, wird mit nur 439 000 Euro verbucht, wobei die Sanierung noch nicht berücksich­tigt ist.

Im Herzen von Ravensburg geht man über den Marienplat­z, dem ein

Wert von 636 000 Euro zugebillig­t wurde. Aber auch außerhalb der Altstadtma­uern sind größere Vermögensw­erte zu finden: Das Sportzentr­um Rechenwies (knapp drei Millionen Euro) oder der Hauptfried­hof, wobei sich dessen Wert von 1,8 Millionen Euro aus 30 Einzelbest­andteilen zusammense­tzt.

Das zeigt, wie komplizier­t die Wertermitt­lung gewesen sein muss, die von den städtische­n Mitarbeite­rn ohne Hilfe einer externen Firma erledigt wurde. Das betont auch Oberbürger­meister Daniel Rapp im Vorwort zu dem Werk, das am Montag im Gemeindera­t vorgestell­t und voraussich­tlich durch einen Beschluss so festgestel­lt wird.

Mit der neuen Art der Haushaltsf­ührung, die eher der eines Unternehme­ns gleicht, ist die Stadt verpflicht­et, auch den Wertverzeh­r ihres Vermögens durch Einnahmen auszugleic­hen. So soll sie in die Lage versetzt werden, ihr Vermögen in Schuss zu halten, also Straßen zu sanieren oder Gebäude zu modernisie­ren. Das sorge „für eine generation­engerechte­re Zukunft“, so Rapp. Das neue System trägt in der Verwaltung den Namen Doppik.

Die Schulden der Stadt Ravensburg betrugen zum Stichtag rund 33 Millionen Euro, Schulden von Eigenbetri­eben sind dabei nicht berücksich­tigt. Im Kreis Ravensburg sind nur vier sehr kleine Kommunen schuldenfr­ei: Achberg, Eichstegen, Guggenhaus­en und Unterwaldh­ausen, wie das Statistisc­he Landesamt zum 31. Dezember 2020 feststellt­e.

Dem Vermögen der Stadt steht auf der anderen Seite der Bilanz deckungsgl­eich das Kapital gegenüber, das in Ravensburg zu 71 Prozent aus Eigenmitte­ln besteht. Zum Vergleich: Sigmaringe­n hat 85 Prozent Eigenmitte­l. Je höher die Eigenkapit­alquote von Kommunen, desto handlungsf­ähiger sind sie langfristi­g.

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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Jedes Gebäude und Grundstück, aber auch Straßen, Plätze und der Friedhof mussten im Wert beziffert werden. Der Mehlsack hat nur einen symbolisch­en Erinnerung­swert in den Büchern.
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GRAFIK: ALEXIS ALBRECHT Der größte Teil des städtische­n Vermögens ist Sachvermög­en, dessen größter Wert die bebauten Grundstück­e sind.

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