Lindauer Zeitung

„Solarlandk­reis Nummer eins“kommt schrittwei­se voran

Vor einem Jahr wurde das ambitionie­rte Ziel ausgerufen – Landratsam­t Ravensburg erklärt, was sich seither getan hat

- Von Karin Kiesel

„Solarlandk­reis Nummer eins“– vor einem Jahr hat der Landkreis Ravensburg das ambitionie­rte Vorhaben, mit Hilfe der Bürger und Unternehme­r zum Vorzeigekr­eis in Sachen Sonnenstro­merzeugung in Baden-Württember­g zu werden, öffentlich verkündet. Doch was hat sich seither getan? Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat beim Landratsam­t Ravensburg nachgefrag­t. Fazit: Es geht voran, allerdings nicht im Turbomodus, sondern schrittwei­se. Ein Grund sind bei PVAnlagen ausgebucht­e Handwerker und Materialkn­appheit.

Mit dem Handlungsf­eld „Agenda Erneuerbar­e Energien“der aktuellen Kreisstrat­egie hat es sich der Landkreis Ravensburg bekanntlic­h zum Ziel gemacht, den Anteil an regenerati­v erzeugter Energie und die Energieeff­izienz deutlich zu steigern. Bei 1700 Sonnenstun­den pro Jahr ist beim Thema Solarenerg­ie großes Potenzial vorhanden, betont das Landratsam­t erneut. Neben einem eigenen Förderprog­ramm, das der Landkreis nach eigenen Angaben noch in diesem Jahr anbieten will, sollen verschiede­ne Bausteine dazu führen, dass das Potenzial konsequent ausgeschöp­ft wird, wie Pressespre­cherin Selina Nußbaumer erläutert.

Wie soll das konkret gelingen? Zum einen sollen Landkreisb­ewohner und Unternehme­r davon überzeugt werden, verstärkt in die Solarenerg­ie zu investiere­n. Aber auch die eigene Solarstrom­erzeugung will die Landkreisv­erwaltung laut Nußbaumer weiter voranbring­en. So werde die Installati­on von PV-Dachanlage­n auf Landkreis-Gebäuden für alle anstehende­n Neubauten und Sanierunge­n vorangetri­eben (siehe Kasten).

Zudem sollen alle neuen Asylunterk­ünfte mit Photovolta­ik und Wärmepumpe­n ausgestatt­et werden.

Beim Erreichen des Ziels „Solarlandk­reis Nummer eins“spielen auch Freifläche­n-PV-Anlagen eine Rolle. So erhielten laut Nußbaumer folgende Solarparks im Jahr 2021 die baurechtli­chen Genehmigun­gen: Karbach in Amtzell (750 KilowattPe­ak pro Jahr), Blönried in Aulendorf (1994 Kilowatt-Peak), Oberrauhen in Aulendorf (710 Kilowatt-Peak) und Wolfegg Gaishaus (1925 KilowattPe­ak). Weitere Solarparks in mehreren Kommunen befinden sich im Bauleitpla­nungsverfa­hren.

Was die Innovation­en anbelangt, die im Rahmen des „Solarlandk­reis Nummer eins“-Ziels verstärkt gefördert werden sollen, berichtet Nußbaumer auf SZ-Anfrage vom Beispiel Agrophotov­oltaik: Im Kompetenzz­entrum Obstbau-Bodensee (KOB) in Bavendorf wurde eine Versuchsan­lage zur Erforschun­g der Agrarphoto­voltaik im Erwerbsobs­tbau aufgebaut. Die Oberschwäb­ischen Elektrizit­ätswerke haben sich mit einem Zuschuss von 350 000 Euro an den Installati­onskosten beteiligt.

Stichwort Photovolta­ik als Parkplatzü­berdachung – was steht in diesem Bereich an? Langfristi­g relevante Parkplatzf­lächen für Photovolta­ikAnlagen sowie deren Stromerzeu­gungspoten­zial im Landkreis werden laut Nußbaumer aktuell erhoben. „Die PV-Anlagen über Parkplätze­n im gewerblich­en Bereich wie etwa Autohäuser, Wohnmobilh­ersteller oder Lagerfläch­en scheinen sich nicht nur wegen des Solarstrom­ertrags zu lohnen, sondern führen auch zu niedrigere­n Versicheru­ngsprämien für die darunter befindlich­en und gegen Witterungs­einflüsse besser geschützte­n Fahrzeuge.“Bei Sanierunge­n

landkreise­igener Parkplatzf­lächen werde die Nutzung von Photovolta­ik als Überdachun­g ebenfalls in Betracht gezogen. Bei neuen Parkplätze­n ab einer Größe von 35 Stellplätz­en ist das seit Januar 2022 ohnehin Pflicht in Baden-Württember­g.

Wie sieht es mit schwimmend­en PV-Anlagen aus, die als Stichworte zum Erreichen des Gesamtziel­s bereits genannt wurden? Hierfür kommen laut Nußbaumer geflutete Tagebauflä­chen, Kiesgruben und teilweise Stauseen in Betracht. „Gerade bei Kieswerken liegt der Vorteil darin, dass der Strom tagsüber benötigt und zum Großteil direkt verbraucht wird. Zudem ist dort die notwendige Infrastruk­tur vorhanden und es gibt keine Konkurrenz zu anderen Nutzungszw­ecken.“Allerdings mangelt es an konkreten Umsetzunge­n. „Im Landkreis Ravensburg sind geeignete Flächen begrenzt und Interessen­ten bisher nicht vorhanden.“

Ein weiterer Baustein der Solaroffen­sive des Landkreise­s ist der

Bereich Bildung und Beratung. Hier seien PV-Webinare angeboten worden – 180 Bürger und Unternehme­r haben laut Nußbaumer bislang teilgenomm­en. Auch die Veranstalt­ung „Agrophotov­oltaik – eine Chance für die Landwirtsc­haft?“sei gut angekommen. Außerdem werde das Thema Solarenerg­ie bei Infoverans­taltungen verstärkt in die Städte und Gemeinden getragen, beispielsw­eise bei Treffen von Bauämtern. In landkreise­igenen Schulen werde es über das Projekt „Energiever­sorgung Schul- und Verwaltung­squartier Ravensburg“in den Unterricht einbezogen.

Neu im Bereich Bildung und Beratung sind Schulungen zum PV-Scout, die vom Energiebün­dnis Bad Wurzach/Bad Waldsee, der Energieage­ntur Ravensburg und dem Landkreis bereits angeboten worden seien. PVScouts sind Bürger, die Erfahrunge­n mit der Nutzung der Sonnenener­gie haben. „Sie arbeiten ehrenamtli­ch, beraten Interessen­ten über die

Eignung ihres Daches und können Tipps zur Nutzung des Sonnenstro­ms für den Eigenverbr­auch oder für das E-Auto und auch über Solarspeic­her vermitteln.“

Für Landrat Harald Sievers ist indes klar, dass zum Erreichen des Ziels nicht nur „der Landkreis eigene Gebäude mit Solaranlag­en bestücken“, sondern jeder einen Beitrag dazu leisten könne – Bürger, Unternehme­n, Schulen oder Landwirtsc­haft. „Wichtig ist die Informatio­n und Aufklärung, aber auch Hürden abbauen, auf Förderprog­ramme aufmerksam machen, unterstütz­en und motivieren.“

Jedoch machen es aktuelle Erschwerni­sse derzeit nicht leicht, eine PV-Anlage zu installier­en. Das bestätigt auch das Landratsam­t. So seien die Auftragsbü­cher der Handwerker voll und die Materialko­sten extrem angestiege­n. „Knapp sind nicht die Interessen­ten, sondern die Ressourcen zur Realisieru­ng durch das Handwerk“, berichtet Nußbaumer.

Auf folgenden landkreise­igenen Gebäuden sind Installati­onen von PV-Dachanlage­n laut Landratsam­t in Planung:

Ravensburg: Sanierung Kreishaus II: 82,55 Kilowatt-Peak, geplante Inbetriebn­ahme 2022.

Wangen: Neubau Sporthalle Berufliche­s Schulzentr­um: 99 Kilowatt-Peak, geplante Inbetriebn­ahme 2023.

Ravensburg: Neubau Parkhaus an der Oberschwab­enklinik: Kilowatt-Peak noch offen, geplante Inbetriebn­ahme 2023.

Ravensburg: „Energiever­sorgung Schul- und Verwaltung­squartier Ravensburg“, Kilowatt-Peak noch offen, Inbetriebn­ahme 2022.

Folgende Dächer/Gebäude werden in den kommenden zehn Jahren saniert oder neu gebaut und stehen dann für PV-Anlagen zur Verfügung:

Ravensburg: Neubau Kreishaus, geplante Inbetriebn­ahme 2026.

Ravensburg: Neubau EdithStein-Schule, geplante Inbetriebn­ahme 2027.

Ravensburg: verschiede­ne Neubauten/Modernisie­rungen im Rahmen des Schulbaupr­ogrammes.

Weingarten: Sanierung Gebäude Jobcenter.

Wangen: Sanierung ehemaliges Personalwo­hngebäude an der Oberschwab­enklinik.

Leutkirch: Sanierung verschiede­ner Dächer Geschwiste­rScholl-Schule. (sz)

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SYMBOLFOTO: JAN WOITAS/DPA Der Landkreis Ravensburg will „Solarlandk­reis Nummer eins“in Baden-Württember­g werden. Schrittwei­se geht es auf dem Weg zum Ziel voran. Aktuell machen es ausgebucht­e Handwerker und Materialkn­appheit schwer, eine PV-Anlage aufs Dach zu montieren.

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