„Solarlandkreis Nummer eins“kommt schrittweise voran
Vor einem Jahr wurde das ambitionierte Ziel ausgerufen – Landratsamt Ravensburg erklärt, was sich seither getan hat
„Solarlandkreis Nummer eins“– vor einem Jahr hat der Landkreis Ravensburg das ambitionierte Vorhaben, mit Hilfe der Bürger und Unternehmer zum Vorzeigekreis in Sachen Sonnenstromerzeugung in Baden-Württemberg zu werden, öffentlich verkündet. Doch was hat sich seither getan? Die „Schwäbische Zeitung“hat beim Landratsamt Ravensburg nachgefragt. Fazit: Es geht voran, allerdings nicht im Turbomodus, sondern schrittweise. Ein Grund sind bei PVAnlagen ausgebuchte Handwerker und Materialknappheit.
Mit dem Handlungsfeld „Agenda Erneuerbare Energien“der aktuellen Kreisstrategie hat es sich der Landkreis Ravensburg bekanntlich zum Ziel gemacht, den Anteil an regenerativ erzeugter Energie und die Energieeffizienz deutlich zu steigern. Bei 1700 Sonnenstunden pro Jahr ist beim Thema Solarenergie großes Potenzial vorhanden, betont das Landratsamt erneut. Neben einem eigenen Förderprogramm, das der Landkreis nach eigenen Angaben noch in diesem Jahr anbieten will, sollen verschiedene Bausteine dazu führen, dass das Potenzial konsequent ausgeschöpft wird, wie Pressesprecherin Selina Nußbaumer erläutert.
Wie soll das konkret gelingen? Zum einen sollen Landkreisbewohner und Unternehmer davon überzeugt werden, verstärkt in die Solarenergie zu investieren. Aber auch die eigene Solarstromerzeugung will die Landkreisverwaltung laut Nußbaumer weiter voranbringen. So werde die Installation von PV-Dachanlagen auf Landkreis-Gebäuden für alle anstehenden Neubauten und Sanierungen vorangetrieben (siehe Kasten).
Zudem sollen alle neuen Asylunterkünfte mit Photovoltaik und Wärmepumpen ausgestattet werden.
Beim Erreichen des Ziels „Solarlandkreis Nummer eins“spielen auch Freiflächen-PV-Anlagen eine Rolle. So erhielten laut Nußbaumer folgende Solarparks im Jahr 2021 die baurechtlichen Genehmigungen: Karbach in Amtzell (750 KilowattPeak pro Jahr), Blönried in Aulendorf (1994 Kilowatt-Peak), Oberrauhen in Aulendorf (710 Kilowatt-Peak) und Wolfegg Gaishaus (1925 KilowattPeak). Weitere Solarparks in mehreren Kommunen befinden sich im Bauleitplanungsverfahren.
Was die Innovationen anbelangt, die im Rahmen des „Solarlandkreis Nummer eins“-Ziels verstärkt gefördert werden sollen, berichtet Nußbaumer auf SZ-Anfrage vom Beispiel Agrophotovoltaik: Im Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee (KOB) in Bavendorf wurde eine Versuchsanlage zur Erforschung der Agrarphotovoltaik im Erwerbsobstbau aufgebaut. Die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke haben sich mit einem Zuschuss von 350 000 Euro an den Installationskosten beteiligt.
Stichwort Photovoltaik als Parkplatzüberdachung – was steht in diesem Bereich an? Langfristig relevante Parkplatzflächen für PhotovoltaikAnlagen sowie deren Stromerzeugungspotenzial im Landkreis werden laut Nußbaumer aktuell erhoben. „Die PV-Anlagen über Parkplätzen im gewerblichen Bereich wie etwa Autohäuser, Wohnmobilhersteller oder Lagerflächen scheinen sich nicht nur wegen des Solarstromertrags zu lohnen, sondern führen auch zu niedrigeren Versicherungsprämien für die darunter befindlichen und gegen Witterungseinflüsse besser geschützten Fahrzeuge.“Bei Sanierungen
landkreiseigener Parkplatzflächen werde die Nutzung von Photovoltaik als Überdachung ebenfalls in Betracht gezogen. Bei neuen Parkplätzen ab einer Größe von 35 Stellplätzen ist das seit Januar 2022 ohnehin Pflicht in Baden-Württemberg.
Wie sieht es mit schwimmenden PV-Anlagen aus, die als Stichworte zum Erreichen des Gesamtziels bereits genannt wurden? Hierfür kommen laut Nußbaumer geflutete Tagebauflächen, Kiesgruben und teilweise Stauseen in Betracht. „Gerade bei Kieswerken liegt der Vorteil darin, dass der Strom tagsüber benötigt und zum Großteil direkt verbraucht wird. Zudem ist dort die notwendige Infrastruktur vorhanden und es gibt keine Konkurrenz zu anderen Nutzungszwecken.“Allerdings mangelt es an konkreten Umsetzungen. „Im Landkreis Ravensburg sind geeignete Flächen begrenzt und Interessenten bisher nicht vorhanden.“
Ein weiterer Baustein der Solaroffensive des Landkreises ist der
Bereich Bildung und Beratung. Hier seien PV-Webinare angeboten worden – 180 Bürger und Unternehmer haben laut Nußbaumer bislang teilgenommen. Auch die Veranstaltung „Agrophotovoltaik – eine Chance für die Landwirtschaft?“sei gut angekommen. Außerdem werde das Thema Solarenergie bei Infoveranstaltungen verstärkt in die Städte und Gemeinden getragen, beispielsweise bei Treffen von Bauämtern. In landkreiseigenen Schulen werde es über das Projekt „Energieversorgung Schul- und Verwaltungsquartier Ravensburg“in den Unterricht einbezogen.
Neu im Bereich Bildung und Beratung sind Schulungen zum PV-Scout, die vom Energiebündnis Bad Wurzach/Bad Waldsee, der Energieagentur Ravensburg und dem Landkreis bereits angeboten worden seien. PVScouts sind Bürger, die Erfahrungen mit der Nutzung der Sonnenenergie haben. „Sie arbeiten ehrenamtlich, beraten Interessenten über die
Eignung ihres Daches und können Tipps zur Nutzung des Sonnenstroms für den Eigenverbrauch oder für das E-Auto und auch über Solarspeicher vermitteln.“
Für Landrat Harald Sievers ist indes klar, dass zum Erreichen des Ziels nicht nur „der Landkreis eigene Gebäude mit Solaranlagen bestücken“, sondern jeder einen Beitrag dazu leisten könne – Bürger, Unternehmen, Schulen oder Landwirtschaft. „Wichtig ist die Information und Aufklärung, aber auch Hürden abbauen, auf Förderprogramme aufmerksam machen, unterstützen und motivieren.“
Jedoch machen es aktuelle Erschwernisse derzeit nicht leicht, eine PV-Anlage zu installieren. Das bestätigt auch das Landratsamt. So seien die Auftragsbücher der Handwerker voll und die Materialkosten extrem angestiegen. „Knapp sind nicht die Interessenten, sondern die Ressourcen zur Realisierung durch das Handwerk“, berichtet Nußbaumer.
Auf folgenden landkreiseigenen Gebäuden sind Installationen von PV-Dachanlagen laut Landratsamt in Planung:
Ravensburg: Sanierung Kreishaus II: 82,55 Kilowatt-Peak, geplante Inbetriebnahme 2022.
Wangen: Neubau Sporthalle Berufliches Schulzentrum: 99 Kilowatt-Peak, geplante Inbetriebnahme 2023.
Ravensburg: Neubau Parkhaus an der Oberschwabenklinik: Kilowatt-Peak noch offen, geplante Inbetriebnahme 2023.
Ravensburg: „Energieversorgung Schul- und Verwaltungsquartier Ravensburg“, Kilowatt-Peak noch offen, Inbetriebnahme 2022.
Folgende Dächer/Gebäude werden in den kommenden zehn Jahren saniert oder neu gebaut und stehen dann für PV-Anlagen zur Verfügung:
Ravensburg: Neubau Kreishaus, geplante Inbetriebnahme 2026.
Ravensburg: Neubau EdithStein-Schule, geplante Inbetriebnahme 2027.
Ravensburg: verschiedene Neubauten/Modernisierungen im Rahmen des Schulbauprogrammes.
Weingarten: Sanierung Gebäude Jobcenter.
Wangen: Sanierung ehemaliges Personalwohngebäude an der Oberschwabenklinik.
Leutkirch: Sanierung verschiedener Dächer GeschwisterScholl-Schule. (sz)