Böller unterm Auto wird zum teuren Denkzettel
Wangener Gewerbetreibender steht wegen „vorsätzlich herbeigeführter Sprengstoffexplosion“vor Gericht
- Weil er eine „Sprengstoffexplosion vorsätzlich herbeigeführt“hat, so der Vorwurf im Juristendeutsch, sah sich ein Wangener Gewerbetreibender unlängst reumütig auf der Anklagebank. Er gestand, Mitte November 2020 einen Böller unter einen VW Polo platziert und die Lunte gezündet zu haben, nachdem er sich nicht das erste Mal über eine zugeparkte Hofausfahrt gegenüber seines Betriebs geärgert hatte. Die Folge: Die Explosion demolierte die Beifahrertür des Autos. Explodiert sind vor Gericht auch die Vorstellungen über deren Kosten. Menschen sind bei dem Vorfall damals nicht zu Schaden gekommen.
Eine Parkbucht gegenüber seinem Wangener Gewerbebetrieb werde permanent zum Abstellen von Fahrzeugen genutzt, so der Angeklagte vor dem Wangener Schöffengericht. In der Bucht zu parken ist gleichwohl erlaubt, es gibt kein Halteverbot. Allerdings soll der PoloBesitzer sein Auto in der Einfahrt platziert haben, obwohl eine Kette und ein Schild das verhindern wollen. Über das Fahrzeugabstellen in der Einfahrt wollte der Angeklagte dem damals dort Parkenden einen „Denkzettel“verpassen. Er kramte aus seinem Fundus einen alten Böller hervor, platzierte ihn unter dem Polo, zündete dessen Lunte und erlebte, dass der Böller eine von ihm unerwartete Wucht entwickelte und ein Loch in die Beifahrertür riss.
Für den Schaden überwies der Angeklagte dem Autobesitzer – den
TRAUERANZEIGEN er nicht kannte – zunächst 880 Euro und später noch einmal 300 Euro, obwohl die Tür nur 600 Euro koste, wie sein Verteidiger bemerkte. Er hatte sich erkundigt. „Wir haben den Schaden großzügig gut gemacht“, betonte er, obwohl die Tür bereits vorher kaputt gewesen sei. Doch der Geschädigte wollte über 4000 Euro, eine „Totalrenovierung“des Fahrzeugs, Baujahr 2002, Kilometerstand über 200 000 und einst für 2500 Euro gekauft, wie der Verteidiger erinnerte. Mit der Bemerkung, der Geschädigte wolle das Vierfache des Zeitwerts. Ein Auto mit seinen Daten werde derzeit mit lediglich 790 Euro gehandelt.
Ein Kripo-Beamter nannte im Zeugenstand die verwendete Art Böller nicht unüblich, zeigte sich aber ebenfalls überrascht von der Wucht und der hervorgerufenen Beschädigung. Der Autobesitzer berichtete dann von der Situation, als er berufsmäßig mit seinem Lkw in Liechtenstein unterwegs war, als ihn die Polizei aus Wangen angerufen und mit den Worten informierte: „Ihr Auto ist weggesprengt.“Er parke seinen Polo immer in diesem Bereich, allerdings nicht am gleichen Platz, berichtete er. Dort bestehe kein Halteverbot, er sei deshalb berechtigt, dort zu parken. Die Autotür sei auch innen kaputt gewesen, nicht nur außen, wie die Gegenseite behaupte. Er habe eine gebrauchte Tür besorgt, die schon 600 Euro gekostet habe. Eine Woche lang habe er den Polo nicht benutzen können. Als „Quatsch“bezeichnete Verteidiger Thomas Böhm den „Kostenvoranschlag“von über 4000 Euro, einschließlich Volllackierung und Anwaltskosten. „Ihr Schaden ist ersetzt worden“, beschied er dem Fahrzeughalter. Der Angeklagte habe sich der Sprengstoffexplosion in vorsätzlicher Weise schuldig gemacht, sah der Vertreter der Anklage in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten für tat- und schuldangemessen an, attestierte ihm aber einen minderschweren Fall. Die Strafe sollte für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, außerdem der Angeklagte eine Geldauflage von 3500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen. Positiv wertete er dessen Geständnis. Die Verteidigung sah keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr Mandant den Schaden billigend in Kauf genommen habe. Die vom Staatsanwalt geforderte Geldstrafe sei zu hoch. Richter Seemann und seine Schöffinnen sahen die Anklagepunkte bestätigt und verurteilten den Täter zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, und zu eine Geldauflage von 3000 Euro, zu entrichten an den Tierschutzverein Wangen, nachdem Tiere durch Pyrotechnik häufig beschädigt würden, wie der Vorsitzende bemerkte. Er zeigte Verständnis für die unguten Situationen, wenn regelmäßig Einfahrten zugeparkt werden, „aber so geht’s halt nicht“, wie sich der Angeklagte gewehrt habe. Der habe einen „Denkzettel“verpassen wollen, hätte aber andere Wege wie Abschleppen finden müssen. Dem bisher unbescholtenen Angeklagten stellte der Richter eine positive Sozialprognose aus.