Lindauer Zeitung

EuGH rügt Grenzkontr­ollen Österreich­s

Gericht sieht Verstoß gegen Schengener Abkommen – Bund prüft Auswirkung­en auf Bayern

- Von Marek Majewsky und Claudia Kling

- Die während der großen Flüchtling­sbewegung 2015 zwischen Österreich und Slowenien eingeführt­en Grenzkontr­ollen dürften europarech­tswidrig sein. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) wies in einem Urteil vom Dienstag darauf hin, dass ein Staat solche Kontrollen nur im Fall „einer neuen ernsthafte­n Bedrohung seiner öffentlich­en Ordnung oder seiner inneren Sicherheit“verlängern dürfe. „Im vorliegend­en Fall scheint Österreich (…) nicht nachgewies­en zu haben, dass eine neue Bedrohung vorliegt.“Eine abschließe­nde Entscheidu­ng liegt jedoch beim zuständige­n Gericht in Österreich.

Die Bundesregi­erung habe das Urteil zur Kenntnis genommen, teilte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. „Die Auswertung und Prüfung etwaiger Auswirkung­en auf die von Deutschlan­d angeordnet­en vorübergeh­enden Binnengren­zkontrolle­n an der deutsch-österreich­ischen Landgrenze dauert an“, fügte er hinzu.

Eigentlich gibt es im Schengenra­um, dem 26 europäisch­e Länder angehören, keine stationäre­n Personenko­ntrollen an den Grenzen. In den vergangene­n Jahren hatten alledings mehrere Staaten eine Ausnahmere­gelung genutzt und wieder teilweise Grenzkontr­ollen eingeführt.

Deutschlan­d kontrollie­rt seit Herbst 2015 an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausen­de Flüchtling­e und andere Migranten von Griechenla­nd über die Balkanrout­e auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten.

„Seit letztem Jahr steigt der Migrations­druck auf Deutschlan­d deutlich an, daher wäre es fahrlässig, die Kontrollen auslaufen zu lassen“, sagte die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Andrea Lindholz (CSU). Zudem finde in Bayern dieses Jahr der G7-Gipfel in Elmau statt.

Der Grünen-Innenpolit­iker Marcel Emmerich sprach sich hingegen dafür aus, die Kontrollen, die ohne eine Verlängeru­ng am 11. Mai auslaufen würden, zu beenden. „Reflexhaft immer wieder neue Grenzkontr­ollen einzuforde­rn und bestehende willkürlic­h zu verlängern, löst nicht nur keine Probleme, sondern verstößt auch gegen europäisch­es Recht“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e. Aus dem Bundesinne­nministeri­um hieß es, die Entscheidu­ng für oder gegen eine mögliche erneute Verlängeru­ng der Kontrollen sei noch nicht getroffen worden.

Hintergrun­d der Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs ist ein Verfahren, bei dem sich ein Slowene nach Einführung der Kontrollen an der Grenze zu Österreich zweimal geweigert hatte, seinen Pass zu zeigen. Er erhielt dafür eine Geldstrafe von 36 Euro. Der Kläger war jedoch der Meinung, dass die Kontrollen gegen EU-Recht verstießen und klagte vor einem Gericht in Österreich.

Österreich­s Innenminis­ter Gerhard Karner verwies darauf, dass sein Land stark von Migration betroffen sei, und dass auch dieses Jahr viele Menschen auf illegalem Weg eingereist seien. „Wenn es notwendig ist, die Bevölkerun­g und die Grenzen zu schützen, dann werden wir das auch in Zukunft tun“, sagte der konservati­ve Politiker bei einem Treffen mit seinem tschechisc­hen Amtskolleg­en Vít Rakusan in Prag. Auch die Bundesregi­erung begründete die Kontrollen einem Dokument der EU-Kommission zufolge zuletzt immer wieder mit sogenannte­r Sekundärmi­gration von einem EU-Land ins andere und mit der Situation an den EU-Außengrenz­en.

In seinem Urteil weist der Gerichtsho­f nun darauf hin, dass der Schengenra­um eine der größten Errungensc­haften der EU sei. „Die Wiedereinf­ührung von Kontrollen an den Binnengren­zen muss daher eine Ausnahme bleiben und sollte nur als letztes Mittel eingesetzt werden.“

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Seit 2015 werden in Bayern Einreisend­e aus Österreich an Grenzüberg­ängen zu Tirol und Salzburg kontrollie­rt.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Seit 2015 werden in Bayern Einreisend­e aus Österreich an Grenzüberg­ängen zu Tirol und Salzburg kontrollie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany