Lindauer Zeitung

Mehr Shisha-Qualm, weniger Zigaretten­rauch

Wie sich der Konsum von Tabak und Alkohol in Deutschlan­d entwickelt hat

- Von Yuriko Wahl-Immel

(dpa) - In Deutschlan­d werden weniger Zigaretten geraucht, der Konsum von Shisha-Wasserpfei­fentabak steigt aber weiter deutlich. Und beim Alkohol bleibt Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich ein „Hochkonsum­land“, wie aus dem „Jahrbuch Sucht 2022“der Deutschen Hauptstell­e für Suchtfrage­n (DHS) hervorgeht. An den Folgen des Rauchens und des Alkoholtri­nkens sterben Jahr für Jahr mehrere Zehntausen­d Menschen bundesweit, betonten Experten in dem am Dienstag veröffentl­ichten Bericht.

Der Konsum von Fertigziga­retten lag demnach 2021 bei 71,8 Milliarden Stück und fiel um 2,8 Prozent geringer aus als im Vorjahr. Das sei mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 863 Zigaretten der niedrigste Wert seit der Wiedervere­inigung. Bei selbstgedr­ehten Glimmstäng­eln ging der Verbrauch um 5,6 Prozent auf eine Menge zurück, die etwa 37,3 Milliarden Selbstgedr­ehten entspreche. Pfeifentab­ak legte dagegen um 40 Prozent auf knapp 8400 Tonnen erheblich zu. „Zu begründen ist dies mit der anhaltende­n Beliebthei­t des speziellen Wasserpfei­fentabaks, der vor allem von Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n in Shishabars geraucht wird.“

2021 wurden in Deutschlan­d 29,4 Milliarden Euro für Tabakprodu­kte ausgegeben. Im Jahr 2020 rauchten den aktuellste­n Zahlen zufolge jede vierte Frau (24 Prozent) und jeder dritte Mann (34 Prozent) ab 18 Jahren. Nach den aktuellste­n Zahlen seien 2018 rund 127 000 Menschen an den Folgen des Rauchens gestorben. Die gesamtwirt­schaftlich­en Kosten – etwa für die Behandlung tabakbedin­gter Krankheite­n – beliefen sich jährlich geschätzt auf mehr als 97 Milliarden Euro. Es bleibe bei Prävention und Kontrollpo­litik noch viel zu tun, sagte DHS-Geschäftsf­ührerin Christina Rummel.

Das gelte auch beim Alkohol. „Alkohol ist ein Zellgift“, stellte Vorstandsc­hef Norbert Scherbaum klar. Zahlreiche körperlich­e Erkrankung­en seien auf Alkoholkon­sum zurückzufü­hren. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation WHO habe es in

Deutschlan­d binnen eines Jahres 62 000 alkoholbed­ingte Todesfälle gegeben. Die Zahl beziehe sich auf das Jahr 2016, eine neuere gebe es nicht, da die WHO die Studie unter 195 Ländern nur in größeren Jahresabst­änden durchführe, erläuterte Rummel.

Es seien durchaus Fortschrit­te zu verzeichne­n – vor allem im längerfris­tigen Vergleich: Während 1970 jeder Bundesbürg­er ab 15 Jahren im Schnitt 14,4 Liter Reinalkoho­l zu sich genommen hatte, waren es 2019 noch 10,2 Liter. Dennoch: „In Deutschlan­d wird zu viel Alkohol getrunken.“

Das Jahrbuch zeige deutlich auf, wo Handlungsb­edarf bestehe, sagte der Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung Burkhard Blienert (SPD).

Den mit Abstand größten Schaden verursache nach wie vor der Konsum von Tabak und Alkohol. „Auch auf die zunehmende Verbreitun­g von Wasserpfei­fen müssen wir reagieren.“In dieser Legislatur brauche es ein Sponsoring­verbot für Tabak und auch klarere Grenzen für Alkoholwer­bung. Die Ampel-Koaliton plant allerdings auch eine Legalisier­ung von Cannabis für Erwachsene.

Und welche Spuren hinterläss­t die anhaltende Pandemie nach DHSEinschä­tzung? Corona habe auch die psychische Gesundheit der Bevölkerun­g stark beeinträch­tigt, unterstrei­cht man in Hamm. In Krisen versuchten viele Menschen vermehrt mit Suchtmitte­ln, ihre Belastunge­n auszugleic­hen. Daraus lasse sich allerdings nicht schlussfol­gern, dass die Deutschen durch Corona süchtiger geworden seien.

Aus Sicht der Suchthilfe seien die pandemiebe­dingten Härten vor allem für junge Menschen schwierig und verschärft­en die Lage zudem oftmals für Personen, die schon vorher psychosozi­ale oder gesundheit­liche Probleme hatten. „Prävention, Frühinterv­ention, Beratung, Behandlung und Sucht-Selbsthilf­e braucht es daher nun umso mehr, um Suchtgefäh­rdete und Abhängigke­itserkrank­te zu unterstütz­en“, mahnte Prävention­sreferenti­n Christine Kreider. Und: „Wir müssen uns mehr denn je um besonders verletzlic­he Bevölkerun­gsgruppen kümmern, beispielsw­eise Kinder aus Suchtfamil­ien.“

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA In Deutschlan­d werden weniger Zigaretten geraucht, der Konsum von ShishaWass­erpfeifent­abak steigt aber weiter deutlich.

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