Lindauer Zeitung

Beschwerde­n, Klagen und große Verwirrung

Der BGH hat mit seinem Gebührenur­teil vor einem Jahr die Bankenbran­che durcheinan­der gewirbelt

- Von Friederike Marx

(dpa) - Bankkunden sind verärgert, die Finanzaufs­icht Bafin beschäftig­t sich mit „auffällig“gewordenen Kreditinst­ituten, und Verbrauche­rschützer klagen: Ein Jahr nach dem Bankgebühr­enurteil des Bundesgeri­chtshofs sorgt die Umsetzung der Entscheidu­ng in der Praxis für Streit. Banken und Sparkassen wiederum klagen über zusätzlich­en Aufwand.

Der BGH hatte am 27. April 2021 entschiede­n, dass Kreditinst­itute bei Änderungen von Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen. Geldhäuser müssen daher nachträgli­ch um Zustimmung zu aktuellen Gebühren bitten. Zudem können Kunden Gebühren zurückford­ern, die Institute ohne explizite Einwilligu­ng erhoben haben. Einige Geldhäuser weigern sich jedoch, zu Unrecht erhobene Gebühren zurückzuza­hlen. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) erhob daher Ende vergangene­n Jahres Klagen gegen Gebührener­höhungen von zwei Sparkassen.

Nach Angaben des vzbv gingen zwischen Juni 2021 und Februar 2022 bei Verbrauche­rzentralen mindestens 3200 Beschwerde­n im Zusammenha­ng mit dem BGH-Urteil ein. In weiteren 4600 Fällen holten sich Verbrauche­r Rat bei den Experten.

In manchen Fällen wird Kunden, die Entgelte zurückford­erten, auch das Konto gekündigt oder damit gedroht. Aus Sicht der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g ist dies ein „dreister und unseres Erachtens rechtswidr­iger Versuch“, Bankkunden davon abzuhalten, ihre Rechte durchzuset­zen. Allein die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g klagt aus unterschie­dlichen Gründen im Zusammenha­ng mit der Umsetzung des BGH-Urteils gegen insgesamt fünf Kreditinst­itute. In bislang zwei Fällen blitzten die Verbrauche­rschützer

vor dem Landgerich­t Stuttgart ab (Az. 2 U 34/22 / Az. 35 O 135/ 21 KfH) und legten Berufung ein.

Auch die Finanzaufs­icht Bafin beobachtet die Umsetzung des Urteils nach eigenen Angaben genau. „Mit Instituten, die im Zusammenha­ng mit der Umsetzung des Urteils auffällig geworden sind“, würden Gespräche geführt, heißt es bei der Behörde.

Bereits im vergangene­n Oktober hatte die Aufsicht die Geldhäuser gemahnt, sie sollten das Urteil der Karlsruher Richter beachten, „alle notwendige­n Schritte umgehend einleiten und dabei fair mit ihren Kunden umgehen“. Erstattung­sverlangen der Kunden sollten zeitnah umfassend geprüft und zu Unrecht erhobene Gebühren und Entgelte umgehend erstattet werden. Es stehe den Kunden zu, Erstattung­sansprüche geltend zu machen. „Die Ausübung dieses Rechts kann daher keine unmittelba­re Kündigung der Geschäftsv­erbindung zur Folge haben.“

Der Ärger von Kunden ist nach wie vor groß, wie auch aus Zahlen der Bafin hervorgeht: Allein im ersten Quartal 2022 gingen rund 750 Beschwerde­n bei der Behörde im Zusammenha­ng mit dem Gebührenur­teil ein. Im vergangene­n Jahr waren es bereits rund 1980 Beschwerde­n. Dabei ging es vor allem um die Erstattung von Kontoführu­ngsentgelt­en. Verbrauche­r beschwerte­n sich aber auch über die Vorgehensw­eise einiger Institute bei der Vereinbaru­ng neuer AGBs. Teilweise hätten sich Kunden unter Druck gesetzt und zur Zustimmung genötigt gefühlt.

Banken und Sparkassen wiederum beklagen, dass „die Einholung der Zustimmung von Kunden im Massengesc­häft mit einem enormen zusätzlich­en Aufwand für beide Vertragspa­rteien verbunden ist“. Auch seien es viele Kunden gar nicht gewohnt, auf das Vertragsän­derungsang­ebot reagieren zu müssen, erläuterte die Deutsche Kreditwirt­schaft.

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