Spleenig, aber mit Plan
Warum Tesla-Chef Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter kauft
- Elon Musk müsste nicht mehr arbeiten. Der gebürtige Südafrikaner mit kanadischem und USamerikanischem Pass hat den E-Auto-Hersteller Tesla groß gemacht, mit SpaceX ein Raumfahrtunternehmen aufgebaut und versorgt die Erde aus dem All mit Internet über Satellit. Das US-Magazin Forbes schätzt Musks Nettovermögen auf 219 Milliarden Dollar (205 Milliarden Euro). Er könnte sich mit seinen 50 Jahren schon lange zur Ruhe setzen. Stattdessen kauft er für 44 Milliarden Dollar – etwas mehr als Adidas gerade wert ist – den verlustreichen Kurznachrichtendienst Twitter. Und alle Welt fragt sich, warum? Drei mögliche Antworten.
1. Hybris
Musk verdiente mit dem US-Bezahldienstleister Paypal die ersten hundert Millionen Euro. Mit Tesla hat er das E-Auto neu gedacht und eine ganze Branche revolutioniert. Er erobert mit SpaceX das All. Der Blick auf die Vermögensaufstellung allein kann einem etwas zu Kopf steigen, vor allem, wenn man ohnehin rastlos ist und sehr an seine Genialität glaubt. Der öffentliche Musk wirkt bisweilen befremdlich, etwa, wenn er auf der Baustelle des Tesla-Werks in Grünheide bei Berlin darauf angesprochen wird, dass das Wasser knapp werden könnte, und er antwortet, es gebe hier doch jede Menge Bäume und keine Wüste. Dann ist da seine Beziehung zur exaltierten kanadischen Musikerin Claire Elise Boucher, besser bekannt als Grimes. Mit ihr hat er zwei Kinder: X AE A-Xii, abgekürzt X, und Exa Dark Siderael Musk, kurz Y, Letztere geboren von einer Leihmutter. Ist Musk durchgedreht? Trotz der Extravaganzen wies bisher kaum etwas daraufhin. Seine ersten fünf Kinder heißen Damian, Griffin, Kai, Saxon und Xavier.
2. Geld spielt keine Rolle
Sein Vermögen kann Musk selbst dann nicht ausgeben, wenn er 100
Jahre alt würde. Geld dürfte also kein Problem sein. Der reichste Mann der Welt könnte Twitter also einfach kaufen, weil er es kann. Der Preis von 44 Milliarden Dollar entspricht knapp dem Abstand von Musks Vermögen zu dem des zweitreichsten Menschen der Welt, Amazon-Gründer Jeff Bezos: 48 Milliarden Dollar. Das Geschäft könnte also auch ein subtiles Zeichen an den Konkurrenten sein: Sieh, wie ich dich auf Abstand halte. Musk ist zwar eitel, und sein SpaceX liefert sich mit Bezos‘ Blue Origin einen Wettlauf im All. Aber er hat bisher selten etwas einfach um des Tuns Willen angefasst.
3. Masterplan
Zuletzt ist Musk vielfach belächelt worden, etwa, als er mit Tesla die Autobranche aufmischen wollte, ein eigenes Raketenkonzept fürs All aufsetzte oder Internet überall auf der Welt per Satellit versprach. Inzwischen treibt er etablierte Autobauer vor sich her, die Branche ist im Umbruch. SpaceX fliegt für die USRaumfahrtbehörde Nasa. Und Starlink versorgte 2021 nach der Flutkatastrophe das Ahrtal mit Internet und Mobilfunk. Musk, so sieht es aus, tut nichts ohne einen Masterplan. Und er treibt an, kümmert sich auch um Einzelheiten, was Planer, Behörden und Politik beim Tesla-Werk in Grünheide erlebten. Er entscheidet schnell und zielorientiert.
Jetzt also Twitter, gegründet 2006, inzwischen eine Art Rückgrat der Nachrichtenbranche – allerdings verdient es kein Geld. Musk finanziert den Kauf in großen Teilen über Kredite, sein Vermögen besteht vor allem aus Tesla-Aktien und dem Wert von SpaceX. Und die Banken geben kein Geld, wenn sie das Risiko zu hoch einschätzen. Musk wird also einen Masterplan haben. Er nutzt Twitter selbst intensiv, hat 84,8 Millionen Follower, die seine Nachrichten abonniert haben. Er weiß, was Twitter kann und was es können sollte.
Musk schreibt bei Twitter davon, die Meinungsfreiheit hochhalten zu wollen. Sie sei das Fundament der Demokratie. Ob ihm Twitter zuletzt zu einschränkend war – der Dienst ging verstärkt gegen Hass und Falschmeldungen vor? Unklar. Ob Ex-US-Präsident Donald Trump, der seit Anfang 2021 bei Twitter gesperrt ist, wieder zugelassen wird? Ebenfalls unklar. Sicher ist: Musk will Twitter besser machen, verspricht neue Funktionen, will automatisierte Schreiber, sogenannte Bots, bekämpfen. Er sieht enormes Potenzial. Musk hat also einen Masterplan, auch wenn die Einzelheiten noch nicht öffentlich sind. Und einige Beobachter erwarten bereits, das Twitter endlich auch finanziell erfolgreich wird.
Fazit
Elon Musk wirkt manchmal wie eine Figur aus einem Hollywoodfilm, merkwürdig lächelnd, etwas neben der Spur, spleenig. Aber er ist durch und durch Unternehmer. Und er hat eine Mission, will die Welt verändern. Bei Tesla und SpaceX ging es darum, die Mobilität auf der Erde und im All neu zu denken. Bei Twitter sind die Ziele noch etwas verschwommen. Einfach 44 Milliarden Dollar auszugeben, um Geld zu verbrennen, gehört sicher nicht dazu.