Alarmstufe Rot
Für italienische Bauern könnte der Maisanbau in diesem Jahr lukrativer sein als Tomatenkulturen – Ökonomen befürchten Knappheit
- Egal ob Pizza oder Pasta, frisch oder zu Püree oder Mark verarbeitet: Die italienische Küche ist ohne Tomaten nur schwer vorstellbar. Doch Bella Italia droht ein Mangel an pomodoro, dem Paradiesapfel, wie die Tomate liebevoll genannt wird. Wie konnte es dazu kommen? Und droht auch Deutschland eine Krise in der Versorgung mit Tomaten? „Italien ist ein wichtiges Lieferland für Deutschland“, sagt Walter Dirksmeyer vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft.
Dirksmeyer geht davon aus, dass sich eine deutliche Verringerung des Tomatenangebotes in Italien auch in Deutschland bemerkbar machen werde. „Da verarbeitete Tomaten lange haltbar sind und über weite Strecken transportiert werden können, werden sich die Auswirkungen einer Verknappung jedoch in Deutschland in Grenzen halten.“Daher
sei zwar nicht mit einem echten Mangel zu rechnen, allerdings mit einer Verteuerung der Produkte – und das in Zeiten einer sowieso schon hohen Inflation.
Doch wie kommt es eigentlich dazu, dass ausgerechnet in Italien, in Bezug auf die Erntemenge das sechsgrößte Anbauland der Welt und das wichtigste in der EU, TomatenKnappheit droht? Ein wichtiger Faktor ist der Krieg in der Ukraine. Dieser hat den Preis für Getreide stark steigen lassen. Derzeit bekommen italienische Tomatenbauern für eine Tonne Mais in etwa viermal so viel Geld wie für den Paradiesapfel. Die hohen Preise und der Wegfall der wichtigen Getreideimporte aus der Ukraine und Russland führen nun dazu, dass Schweinezüchter die Landwirte mit guten Angeboten dazu bringen wollen, statt Tomaten doch lieber Mais anzubauen.
Droht auch hierzulande, dass vermehrt Viehfutter statt Tomaten auf den Feldern landet? Dirksmeyer vom Thünen-Institut gibt Entwarnung: „Tomaten werden in Deutschland überwiegend im Gewächshaus und für den Frischmarkt erzeugt. Daher sind durch eine verbesserte Wirtschaftlichkeit der Maiserzeugung keine Auswirkungen auf die Tomatenproduktion in Deutschland zu erwarten“, sagt der Experte.
In Italien kommen noch zwei weitere, landesspezifische Faktoren hinzu. Zum einen eine außergewöhnliche Dürre im Norden des Landes, die den Bauern nach der Rekordernte im vergangenen Jahr zu schaffen macht. Dazu kamen zähe Verhandlungen über den Abnahmepreis zwischen Tomatenbauern und der Konservenindustrie, die sie verarbeitet. 20 Prozent mehr, 110 Euro pro Tonne, forderten die Bauern – wegen gestiegener Preise für Diesel und Dünger. Letztlich einigten sich beide Seiten auf 108,50 Euro.
Das bringt wiederum die Weiterverarbeiter in Not, die dem Preisdruck des Handels ausgesetzt sind – genauso wie den hohen Energiekosten. „Es herrscht eine Unsicherheit im Markt, die wir in dieser Breite und in dieser Schärfe noch nie erlebt haben“, sagt Ugo Peruch vom Konserven-Marktführer Mutti der „Süddeutschen Zeitung“. Und der Druck macht nicht an den Landesgrenzen Halt. In Spanien wurde die Tomatenproduktion bewusst um 30 Prozent gedrosselt – auch weil es absehbar ist, dass das Wasser nicht reicht.