Lindauer Zeitung

Betrügerei­en im Allgäu per „WhatsApp“steigen rasant

Ganoven geben sich als Angehörige aus und bitten um Geld – Was die Polizei rät

- Von Ulrich Weigel

- Betrüger finden immer neue Tricks, die Hilfsberei­tschaft anderer auszunutze­n. Es gibt viele Maschen, eine ist rasant auf dem Vormarsch: Die Ganoven nutzen HandyDiens­te für kurze Nachrichte­n wie „WhatsApp“, um andere aufs Kreuz zu legen. Sie geben sich als Angehörige aus und bitten um Geld. „Was da gerade passiert, ist unglaublic­h“, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West. Der Schaden steige in der Region wöchentlic­h um 10 000 bis 15 000 Euro.

Die Allgäuerin Doris Adelung ist auf die Masche nicht reingefall­en. In der Zeitung lese sie immer wieder von Betrugsfäl­len – „und das hier kam mir gleich verdächtig vor“, sagt die Kempteneri­n, die mit Betrügern auch mal rigide umgeht: Bei Anrufen angebliche­r Microsoft-Mitarbeite­r kann es passieren, dass Adelung denen mit der Trillerpfe­ife durchs Telefon eine unangenehm­e Erinnerung verpasst. Um andere zu warnen, gibt sie nun Einblick in die Chatnachri­chten des unbekannte­n Betrügers.

14.37 Uhr: Hallo Mama mein Handy hat einen Wasserscha­den. Das ist meine neue Handynumme­r, die kannst du speichern.

15.05: Wie geht es dir? Wasserscha­den und gleich eine neue Nummer? Das kommt Doris Adelung spanisch vor. Aber sie spielt mit und tauscht mit dem Betrüger Nachrichte­n aus, gespickt mit Fangfragen. Sofort zeigt sich, dass es sich um keines ihrer Kinder handelt. Als sie behauptet, sie könne kaum noch laufen, fragt ihr angebliche­s Kind nicht mal nach dem Grund. Adelung setzt eins drauf: Obwohl keines ihrer Kinder verreist ist, fragt sie den Betrüger, ob er sich im Urlaub gut erholen könne.

15.13 Uhr: Nein ich bin so gestresst.

15.40: Kannst du mir kurz helfen? „Beim Umzug?“, kontert Adelung, obwohl kein Umzug ansteht. Der Betrüger ignoriert die Fangfrage und kommt auf den Punkt.

16.05 Uhr: Ich kann jetzt nichts machen und muss eine Rechnung zahlen.

16.06: Kannst du die Zahlung für mich vorziehen? Ich schicke es zurück, wenn ich mich wieder einloggen kann.

Nach allerlei Hin und Her folgen Infos über die angebliche Rechnung von 1924,10 Euro samt Kontodaten. Adelung, die den Braten ja gerochen hat, überweist nicht, sondern informiert die Polizei. „Man muss immer damit rechnen, betrogen zu werden“, sagt die 68-Jährige. Sie kann sich dennoch vorstellen, dass Menschen auf Betrüger reinfallen, gerade bei Schockanru­fen, wenn jemand weinend von einem Unfall erzählt.

Die Polizei kann diese Betrüger kaum verfolgen. „Die digitalen Spuren der Täter führen ins Nichts“, bedauert Stabik. Einzige Chance seien die Kontonumme­rn. Oft handle es sich bei Inlandskon­tos um Bankverbin­dungen, deren Eigentümer ebenfalls betrogen werden. Hier gebe die Polizei eine Verdachtsm­eldung an die jeweilige Bank, damit diese die Zahlungen verfolgt und gegebenenf­alls Geld einfriert, bis Klarheit herrscht. Die Polizei bittet weiter darum, dass die Menschen in solchen Fällen Anzeige erstatten.

Die Lüge mit dem angebliche­n Wasserscha­den ist übrigens nicht der einzige Trick, mit dem sich Betrüger über einen Messenger-Dienst als Angehörige ausgeben. Manchmal schreiben sie zum Beispiel einfach nur: „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt. Hier meine neue Nummer. Die alte Nummer kannst du löschen.“Oder etwas Ähnliches.

Und wie kommen Ganoven an Festnetz- und Handynumme­rn? Neben Telefonver­zeichnisse­n sind es laut Stabik beispielsw­eise auch Daten, die die Menschen selbst im Internet angeben – etwa bei OnlineEink­äufen oder Gewinnspie­len. Manche verkauften diese Daten weiter oder sie würden von Hackern gestohlen. Bei Festnetz-Telefonen seien sehr kurze Nummern zudem ein Hinweis auf das Alter der Anschlüsse und damit der Bewohner.

Was Menschen tun können? Das Wichtigste sei, mit anderen über die Betrugsmas­chen zu reden, sich also gegenseiti­g aufzukläre­n. Man könne auch seinen Eintrag in Telefonbuc­h und Online-Verzeichni­ssen löschen lassen, sagt Stabik. Weil Betrüger oft gezielt alte Verzeichni­sse nutzen, könne man sich auch eine neue, längere Nummer geben lassen. Auf der anderen Seite sollte man zum Beispiel als Ebay-Verkäufer keinesfall­s eine Kopie seines Ausweises an vermeintli­che Kaufintere­ssenten schicken. Das seien womöglich nur Versuche von Betrügern, um dann mit diesen Personalie­n unter falschem Namen neue Straftaten zu begehen.

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FOTO: DIEMAND Es liest sich als ganz dringend, was Betrüger getarnt als Kinder oder Verwandte schreiben.

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